Peptide

Neuer körpereigener HIV-Hemmstoff entdeckt

Der menschliche Körper ist eine Fundgrube für bisher unbekannte Wirk- und Hemmstoffe. Nun haben Wissenschaftler um die Ulmer AIDS-Forscher Professor Jan Münch und Dr. Onofrio Zirafi ein körpereigenes Peptid isoliert, das die Infektion mit HIV-1 blockiert, indem es an einen bestimmten Rezeptor auf der Zelloberfläche bindet. Diese Erkenntnis könnte nicht nur die HIV-Therapie verbessern. Eine fehlerhafte Signalgebung über diesen Zellrezeptor ist auch mit Erkrankungen wie Krebs, chronischen Entzündungen oder Asthma assoziiert.

v.l.n.r.: Dr. Onofrio Zirafi, Prof. Jan Münch und Prof. Frank Kirchhoff.
v.l.n.r.: Dr. Onofrio Zirafi, Prof. Jan Münch und Prof. Frank Kirchhoff.
Quelle: Eberhardt/Uni Ulm

Das menschliche Peptidom besteht aus Millionen von Eiweißbausteinen („Peptiden“), von denen nur ein geringer Bruchteil bekannt ist. Um neue antivirale Peptide zu isolieren, durchsuchen Forscherinnen und Forscher des Ulmer Instituts für Molekulare Virologie sogenannte Peptidbanken. Diese werden von der Arbeitsgruppe um Professor Wolf-Georg Forssmann (Hannover) aus tausenden Litern Hämofiltrat, einem Abfallprodukt bei der Blutwäsche, hergestellt und enthalten alle Peptide, die im menschlichen Blut vorkommen. Jetzt haben die Ulmer Virologen eine besonders spannende Entdeckung gemacht: Sie konnten ein Peptid isolieren, das an den Zellrezeptor CXCR4 bindet. Dieser Rezeptor steuert wichtige Prozesse im menschlichen Körper wie die Organentwicklung, die Immunantwort oder die Zurückhaltung von blutbildenden Stammzellen im Knochenmark.

Darüber hinaus ist CXCR4 eine Eintrittspforte des AIDS-Erregers in die Wirtszelle und somit ein interessanter Angriffspunkt für Wirkstoffe. Bei der folgenden Analyse stellte sich das als EPI-X4 (Endogenous peptide inhibitor of CXCR4) bezeichnete Peptid als Abbauprodukt von Serum Albumin heraus, dem häufigsten Protein im menschlichen Körper. Die Forscher konnten also ein völlig neues Konzept der Regulation bei dieser Klasse von Zellrezeptoren nachweisen: „Bisher ging man davon aus, dass Rezeptoren wie CXCR4 nur über spezifische Aktivatoren reguliert werden. Nun wissen wir, dass auch der Abbau eines Vorläuferproteins mit ganz anderen Funktionen zur Rezeptor-Hemmung führen kann“, erläutert Professor Münch. Dieser Fund sei sehr wichtig, da fast die Hälfte aller Arzneimittel auf die Regulation solcher Zellrezeptoren ziele.

Die körpereigene Verbindung EPI-X4 könnte weit über die AIDS-Forschung hinaus bedeutsam sein. Eine gestörte Signalgebung am Zellrezeptor CXCR4 ist nämlich mit verschiedenen Krebsarten, chronischen Entzündungen, kardiovaskulären Erkrankungen und Immunschwäche assoziiert. Dank EPI-X4 lässt sich dieser Rezeptor gezielt ausschalten, um etwa die Krankheitsentstehung nachzuvollziehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. „Die Tatsache, dass das Peptid an CXCR4 bindet und den Rezeptor ausschaltet, ist noch viel spannender als die antivirale Wirkung“, sagt Onofrio Zirafi, Erstautor der Publikation. Im Mausmodell haben die Forscherinnen und Forscher bereits gezeigt, dass EPI-X4 Asthma hemmen und Stammzellen mobilisieren kann.

Der Eiweißbaustein eignet sich womöglich auch als Biomarker: Eine andere Forschergruppe hatte das Peptid bereits bei Patienten mit entzündlichen Nierenerkrankungen nachgewiesen – nicht aber die biologische Funktion aufgedeckt. Anhand von Urinproben nierenkranker und gesunder Probanden konnten die Autoren nun das diagnostische Potential von EPI-X4 erhärten.

 

Weitere Informationen:
Zirafi et al., Discovery and Characterization of an Endogenous CXCR4 Antagonist, Cell Reports (2015), http://dx.doi.org/10.1016/j.celrep.2015.03.061

Quelle: Universitätsklinikum Ulm

27.04.2015

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