News • Angeborene Stoffwechselstörung

Neue OP-Methode für Hyperinsulinismus

Wenn Kinder mit Hyperinsulinismus zur Welt kommen, produziert die Bauchspeicheldrüse zu viel Insulin und die Blutzuckerwerte des Neugeborenen können lebensbedrohlich sinken. Dann muss schnell gehandelt werden.

Prof. Steven Warmann steht in OP-Kleidung während einer Operation über dem Patienten, der nicht im Bild zu sehen ist. Ihm gegenüber steht ein weiterer Chirurg, beide blicken nach unten auf den Patienten
Prof. Steven Warmann im OP

Bildquelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin; © S. Warmann 

Voraussetzung dafür ist eine präzise Diagnostik – die mit einigen Herausforderungen verbunden ist. Ein interdisziplinäres Team der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat nun eine neue, einfachere und damit auch schnellere und schonendere Diagnose- und Operationsmethode entwickelt, die routinemäßig weltweit bisher nur an der Charité eingesetzt wird. 

Ein angeborener Hyperinsulinismus ist eine seltene, genetische Stoffwechselstörung, bei der zu viel Insulin produziert wird. Zu viel Insulin bedeutet zu wenig Zucker im Blut, was zu gefährlichen und wiederkehrenden Unterzuckerungen (Hypoglykämien) führt. Da die Erkrankung von Geburt an besteht, muss sie schnell diagnostiziert und behandelt werden, um bleibende Nervenschäden und spätere kognitive Beeinträchtigungen zu verhindern. 

Die Behandlung hängt von der Form der Erkrankung ab. Ist die komplette Bauchspeicheldrüse betroffen, ist in der Regel eine lebenslange medikamentöse Therapie nötig. Bei der sogenannten fokalen Form, die nur einen eingegrenzten Bereich einschließt, ist jedoch eine Heilung möglich. „Wenn nicht alle insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse betroffen sind, können wir Hyperinsulinismus in den meisten Fällen durch eine Operation sehr gut behandeln“, erklärt Prof. Peter Kühnen, Direktor der Klinik für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie der Charité. 

Wir gehen davon aus, dass sich durch die neue Methode auch die Komplikationen reduzieren lassen

Steven Warmann

Allerdings birgt solch eine Operation viele Herausforderungen: Die betroffene Region ist meist nur wenige Millimeter groß und muss zunächst genau identifiziert werden. „Werden zu große Anteile der Bauchspeicheldrüse entfernt, kann das langfristig zu Diabetes führen“, so Peter Kühnen. Gleichzeitig muss die Entfernung aber vollständig sein. Denn schon kleine Reste betroffenen Gewebes können ausreichen, um eine Heilung zu verhindern. 

Um die betroffenen Bereiche erkennen zu können, wird ein sogenanntes PET-MRT als bildgebendes Verfahren verwendet, eine Kombination aus Magnetresonanztomographie (MRT) und nuklearmedizinischer Positronenemissionstomographie (PET). Bei diesem Verfahren wurde bisher die radioaktiv markierte Substanz [18F]DOPA – ein sogenannter Tracer – in den Körper eingebracht. Durch die Verteilung des Tracers, der sich dort anreichert, wo bestimmte Stoffwechselvorgänge besonders stark sind, lässt sich der betroffene Bereich auf den Bildern erkennen. Verantwortlich für diesen Teil der Verfahrens ist das Team von Prof. Winfried Brenner, Leiter der Klinik für Nuklearmedizin an der Charité. 

Doch diese Methode hat ihre Tücken: Oft liegt die Bauchspeicheldrüse bei der OP in einer anderen Position als bei der Untersuchung. Diese Verlagerung der Bauchspeicheldrüse sowie die hohe Aufnahme der Tracer-Substanz in der benachbarten Leber können die Darstellung des betroffenen Gewebes erschweren. Außerdem ist die Produktion von [18F]DOPA aufwendig und die Substanz in Entwicklungs- und Schwellenländern nicht oder kaum verfügbar. 

Deshalb hat das Charité-Team in Kooperation mit niederländischen Kollegen aus Nijmegen einen leichter herzustellenden alternativen Tracer für die Diagnostik etabliert, die Substanz [68Ga]Exendin. In zwei Studien, die in den Fachjournalen EJNMMI Research1 und Journal of Nuclear Medicine2 publiziert wurden, konnte das Charité-Team zeigen, dass dieser Tracer vergleichbar gut und zuverlässig ist wie der bisherige Standard [18F]DOPA. 

Die Bildgebung mit dem bisherigen Tracer [18F]DOPA (links) und dem neuen Tracer...
Die Bildgebung mit dem bisherigen Tracer [18F]DOPA (links) und dem neuen Tracer [68Ga]Exendin (rechts) im Vergleich

Bildquelle: Kühnen P, Prasad S, Rothe K et al., EJNMMI Research 2025 (CC BY-NC-ND 4.0

Anders als [18F]DOPA lässt sich der neue Tracer auch während der Operation nutzen. Dadurch kann das betroffene Gewebe intraoperativ sehr schnell mit einer Sonde identifiziert und entfernt werden. Dieser Ansatz der „radio-guided surgery“ führt zu einer deutlichen Vereinfachung und Beschleunigung der Operation. „Wir gehen davon aus, dass sich durch die neue Methode auch die Komplikationen reduzieren lassen“, erklärt Prof. Steven Warmann. Er leitet die Klinik für Kinderchirurgie an der Charité, die Teil des interdisziplinären Operationsteams ist. Beteiligt sind bei den Eingriffen zudem Ärzten aus den Bereichen pädiatrische Endokrinologie sowie Nuklearmedizin. 

„Routinemäßig wird die neue Methode bisher weltweit nur an der Charité eingesetzt“, sagt Peter Kühnen. „Wir hoffen aber, dass dieses Vorgehen von anderen Zentren übernommen wird. Die Daten weisen darauf hin, dass diese Herangehensweise die Diagnostik und die Therapie erheblich verbessern kann.“ 


Publikationen:

  1. Kühnen P, Prasad S, Rothe K et al.: [68Ga] labelled Exendin for radioguided surgery of intrapancreatic insulin producing lesions in patients with congenital hyperinsulinism; EJNMMI Research 2025 
  2. Boss M, Rottenburger C, Brenner W et al.: 68Ga-NODAGA-Exendin-4 PET/CT Improves the Detection of Focal Congenital Hyperinsulinism; Journal of Nuclear Medicine 2025


Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin

10.10.2025

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