© Universität Leipzig
Artikel • Neurodegenerative Erkrankungen
MRT/PET zur Früherkennung von Alzheimer & Co.
Die Gruppe der neurodegenerativen Erkrankungen ist mit einem langsam fortschreitenden Abbau der Hirnsubstanz verbunden. Dazu gehören insbesondere die Demenzerkrankungen, die mit kognitiven und Gedächtnisstörungen verbunden sind.
Allein in Deutschland leben gegenwärtig rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, die meisten von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Zu den neurodegenerativen Erkrankungen gehören auch der Formenkreis des Parkinson-Syndroms, der im Wesentlichen mit Bewegungsstörungen einhergeht, sowie verschiedene seltene Erkrankungen.
Standard-Bildgebung für die Diagnose von neurodegenerativen Erkrankungen ist die Magnetresonanztomographie (MRT). Die MRT dient zum einen dazu, andere Erkrankungen auszuschließen, die ebenfalls Gedächtnisstörungen verursachen, zum anderen kann mittels MRT der oftmals mit diesen Erkrankungen verbundene Verlust an Hirnmasse (Atrophie) visualisiert werden. Darüber hinaus kommt in der Diagnostik zunehmend die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zum Einsatz. Mit der PET wiederum können pathologische Proteine aufgespürt werden, etwa die für die Alzheimer-Krankheit typischen Amyloid-Plaques und Tau-Aggregate. Auch können mittels einer Zuckerstoffwechselmessung wertvolle Information über die Stoffwechselsituation im Gehirn gewonnen werden.
Im PET/MR ist es möglich, die zuführenden Gefäße genau zu markieren und auf diese Weise eine sogenannte Input-Funktion für das Gehirn zu gewinnen
Henryk Barthel
Da liegt es auf der Hand, in der Diagnostik neurodegenerativer Erkrankungen auf eine Kombination von PET und MRT (PET/MR) zu setzen. „Der Einsatz von hybriden PET-MR-Geräten bietet eine Reihe von Vorteilen für Patienten, Betreuer und Zuweiser“, bekräftigt Prof. Dr. Henryk Barthel, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Leipzig.
Dass beide Untersuchungen parallel in einer Sitzung durchgeführt werden können, bedeutet eine enorme Erleichterung für alle Beteiligten und erhöht laut einer Leipziger Studie die Akzeptanz. „Darüber hinaus könnte mit der simultanen Bildgebung die Diagnose selbst in Zukunft verbessert werden“, betont Barthel. Das jedenfalls ist derzeit Gegenstand der Forschung. Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen fällt es oft schwer stillzuhalten, oder sie verhalten sich unkooperativ. In der Hybridbildgebung kann mittels MRT die Bewegung des Kopfes gemessen werden. Diese Bewegungsinformation kann direkt in die Verarbeitung der PET-Daten eingebaut werden, was zu einer Verbesserung der Bildqualität führt. Auch die deutlich kürzere Aufnahmezeit – bei gleichzeitiger Erhaltung der diagnostischen Qualität – erweist sich dabei als sehr vorteilhaft.
Mit Hilfe simultan gewonnener MRT-Daten lässt sich die Rekonstruktion der PET-Daten grundsätzlich vereinfachen und verbessern. An Barthels Klinik läuft ein Projekt, bei dem zu diesem Zweck Künstliche Intelligenz eingesetzt wird. Mitunter sind für eine PET-Diagnose Informationen darüber nötig, wie ein appliziertes Pharmakon im Hirn des Patienten anflutet. „Im PET/MR ist es möglich, die zuführenden Gefäße genau zu markieren und auf diese Weise eine sogenannte Input-Funktion für das Gehirn zu gewinnen“, erläutert Barthel.
Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren
Artikel • Hybridbildgebung
PET/MR: Der Mehrwert wird langsam sichtbar
Noch immer werden für das PET/MR die großen oder optimalen Indikationen diskutiert. Bei komplexen onkologischen Fragestellungen wird allerdings künftig kein Weg an dieser Hybrid-Modalität verbeigehen, ist Prof. Dr. Konstantin Nikolaou überzeugt.
Die bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen häufig auftretenden Atrophien wirken sich aufgrund des Partialvolumeneffekts auch negativ auf die Qualität der PET-Daten aus. In der parallelen Bildgebung ist es möglich, das Ausmaß dieses Effekts exakt für jedes Hirnareal zu bestimmen, und dann entsprechend die PET-Daten zu korrigieren, was zu einer Verbesserung der Diagnose führt.
Schließlich ist es mit Hilfe bestimmter funktioneller MRT-Sequenzen möglich, den Blutfluss ohne Kontrastmittel zu messen. Möglich macht dies die Technik der arteriellen Spinmarkierung (Arterial Spin Labelling, ASL) „Ob PET-MR bei der Diagnose von neurodegenerativen Erkrankungen zum Standard wird, hängt auch davon ab, ob es gelingen wird, Medikamente zu finden, die in der Lage sind, solche Krankheiten aufzuhalten oder sogar zu heilen“, sagt Barthel: „In unserem Gesundheitssystem herrscht leider das Grundprinzip, dass gute Diagnostik an sich keine große Wertschätzung genießt und nur dann in der klinischen Routine eingesetzt wird, wenn sie einen Einfluss auf den klinischen Outcome hat.“
Dabei biete PET/MR die Möglichkeit einer echten Frühdiagnose. Denn zum Beispiel dem Abbau der Hirnsubstanz bei neurodegenerativen Erkrankungen gehen Veränderungen auf molekularer Ebene voraus. Der Zuckerstoffwechsel in bestimmten Regionen des Gehirns ändert sich bereits lange bevor es zu einer Atrophie kommt. Auch die typischen Plaques der Alzheimer-Krankheit sind 15 bis 20 Jahre vor Auftreten der ersten Symptome nachweisbar. „Eine Frühdiagnose bedeutet einen enormen Zugewinn für die Patienten“, unterstreicht Barthel: „Sie haben die Möglichkeit, ihr weiteres Leben entsprechend zu planen. Außerdem lässt sich der Verlauf der Erkrankung durch bestimmte Medikamente sowie körperliches oder kognitives Training durchaus beeinflussen.“
Profil:
Prof. Dr. med. Henryk Barthel ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Leipzig. Er hat seine Ausbildung zum Nuklearmediziner an den Universitäten Heidelberg und Leipzig absolviert. Von 2000 bis 2003 arbeitete er als Research Fellow am Imperial College Hammersmith Hospital in London (Großbritannien). Seine derzeitigen präklinischen und klinischen Forschungsschwerpunkte betreffen die PET und Hybrid-PET/MRT von neurodegenerativen und zerebrovaskulären Erkrankungen. Er engagiert sich für die Nuklearmedizin unter anderem in der amerikanischen Society of Nuclear Medicine and Molecular Imaging (SNMMI), im Neuroimaging Committee der European Association of Nuclear Medicine, und als Associate Editor des Journal of Nuclear Medicine. Er ist der „Neuroscience Highlight Lecture“-Vortragende auf den 2018- und 2019-Jahrestagungen der SNMMI.
Veranstaltungshinweis:
Freitag, 31.05.2019 von 9:15-10:45 Uhr
Raum Krause
Früherkennung 4.0
MRT/PET zur Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen
Prof. Dr. Henryk Barthel (Leipzig)
31.05.2019