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Mega-Studie landet 32 Treffer gegen Schlaganfall

Allein in Deutschland erleiden jedes Jahr 260.000 bis 280.000 Menschen einen Schlaganfall – also umgerechnet alle zwei bis drei Minuten. Forscher der LMU-Medizin haben gemeinsam mit einem internationalen Team Orte im Erbgut ermittelt, die an der Entstehung von Schlaganfall beteiligt sind. Aus dem Mammut-Projekt könnten neue Therapien erwachsen.

Die neue Studie wurde angestoßen und im Wesentlichen koordiniert von Prof. Dr. Martin Dichgans, dem Leiter des Instituts für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) am Klinikum der Universität München. Das Forscherkonsortium hat Blutproben von 520.000 Menschen aus allen fünf Kontinenten genommen. 67.000 dieser Menschen hatten bereits einen Schlaganfall (Apoplex) erlitten. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe von Nature Genetics erschienen.

Mega-Studie landet 32 Treffer gegen Schlaganfall
Source: Pixabay/VSRao

Aus allen Blutproben wurde die Erbsubstanz DNA mit den darin codierten 30.000 Genen isoliert und mit High-Tech-Methoden der modernen Genetik und der Bioinformatik analysiert. Aus der "genomweiten" Analyse, wie es im Fachjargon heißt, kristallisierten sich 32 Regionen im Erbgut heraus, die mit Schlaganfällen zusammenhängen. Zwei Drittel dieser Stellen im Erbgut standen bisher nicht im Verdacht, einen Apoplex mit zu verursachen. Jede dieser Stellen enthält verschiedene Gene. Für einige der identifizierten Genregionen konnten die Forscher die dem Schlaganfall zugrundeliegenden Erbfaktoren bereits identifizieren. In anderen Fällen müssen die ursächlichen Gene und ihre Wirkungsweise noch erforscht werden.

Die von den Wissenschaftlern gefundenen Genvarianten führen zu molekularen Veränderungen in unterschiedlichen Teilen des Gefäßsystems: den großen Schlagadern, den kleinen Arterien, dem Herzen und den Venen. Letztlich münden diese Veränderungen in den beiden bekannten Prozessen, die Schlaganfälle direkt auslösen:

  • Gefäßverschlüsse durch Veränderungen in der Gefäßwand, durch die lokale Bildung eines Blutgerinnsels oder durch die Bildung eines Blutgerinnsels in anderen Stellen des Gefäßsystems. Solche Gerinnsel werden dann über den Kreislauf ins Gehirn transportiert und führen dort zur Blockade einer Arterie. Besonders häufig geschieht das beim Vorhof-flimmern, einer Herzrhythmusstörung mit Veränderungen des Blutflusses in den Herzvorhöfen. Dort entstehende Gerinnsel wandern häufig ins Gehirn.
  • Im Zuge einer Blutung reißt eines der Hirngefäße. Das frei werdende Blut dringt in das umliegende Hirngewebe ein, zerstört es und erhöht den Druck auf lebenswichtige Strukturen.

Über unseren Ansatz lassen sich wirksame Medikamente identifizieren, die Schlaganfall-Patienten zugutekommen

Martin Dichgans

Nach den neuen Erkenntnissen der Forscher beeinflussen manche der genetischen Risikofaktoren beide, oft als gegensätzlich betrachteten Auslöser. Viele der identifizierten Genvarianten überlappen mit Stellen im Erbgut, die im Verdacht stehen, an bekannten Krankheiten und Störungen der Gefäße beteiligt zu sein, beispielsweise Vorhofflimmern, Arteriosklerose, Venen-Thrombosen oder Bluthochdruck.

Mittel- bis langfristig könnten die Patienten von den Erkenntnissen profitieren. "Über unseren Ansatz lassen sich wirksame Medikamente identifizieren, die Schlaganfall-Patienten zugutekommen", sagt Martin Dichgans. Zum einen gibt es bereits zugelassene Arzneien gegen andere Erkrankungen, die an Genen ansetzen, die nach den neuen Ergebnissen auch für den Apoplex wichtig sind. Diese Arzneien könnten jetzt auch im Kampf gegen die gefährliche Hirnerkrankung nützlich sein. Zum zweiten lassen sich wahrscheinlich komplett neue Ansatzpunkte für innovative Medikamente finden. Nicht zuletzt, so der LMU-Neurologe, "ergeben sich langfristig vielleicht neue Chancen, um für jeden Patienten das individuelle genetische Risiko für einen Schlaganfall vorherzusagen."


Quelle: Klinikum der Universität München (LMU)

30.03.2018

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