Artikel • Diagnose und Therapie der Gelenkprotheseninfektion
Gelenkprotheseninfektionen erfolgreich bekämpfen
Nicht jede Krankenhausinfektion muss klassischerweise eine nosokomiale Ursache haben. Auch Gelenkprothesen können während eines orthopädischen Eingriffs mit Mikroorganismen in Berührung kommen und zu frühen oder verzögerten Infektionen führen.
Bericht: Karoline Laarmann
PD Dr. Andrej Trampuz, Leitender Arzt und Forschungsgruppenleiter, Division of Infectious Diseases, University Hospital (CHUV) und University of Lausanne, Schweiz, bot diesen Juni auf dem 12. EFORT Kongress ein Upgrade zur Diagnose und Therapie der Gelenkprotheseninfektionen.
Selbst in den besten Kompetenzzentren kann es passieren: Trotz Vorsichtsmaßnahmen wie der Antibiotikaprophylaxe lassen sich Protheseninfektionen im Operationssaal nie ganz ausschließen. Denn bereits eine kleine Menge an Bakterien kann ausreichen, um den Infekt auszulösen, sei es beispielsweise über die Haut des Patienten oder über die Luft. Je nach Operationstechnik und Weichteilanatomie reichen die Infektionsraten deshalb von 1 % (Knie) bis zu 5 % (Sprunggelenk).
Das Spektrum der Krankheitserreger ist vielseitig und umfasst die hoch virulenten Keime, wie staphylococcus aureus, ebenso wie die niedrig virulenten Keime, darunter staphylococcus epidermidis. „Man unterscheidet dabei auch zwischen High-grade- und Low-grade-Infektionen“, erklärt Dr. Trampuz. „Die High grades manifestieren sich bereits innerhalb von drei Monaten. Bei diesen akuten Infektionen ist ein schnelles Eingreifen wichtig. Wenn hier innerhalb der ersten drei Wochen nach Beginn der Symptome reoperiert wird und man die mobilen Teile des Implantats auswechselt, kann die Prothese erhalten bleiben. Das bedeutet für den Patienten weniger Weichteilverletzungen und weniger Knochenverlust. Voraussetzung dabei ist es, dass die richtigen Patienten überhaupt herausgefiltert werden.“
Auch bei den Low-grad-Infektionen ist es nicht immer einfach, die Betroffenen zu identifizieren, denn bis zum Auftreten der Symptome können zwischen drei und vierundzwanzig Monate vergehen. Nicht immer wird nach diesem Zeitraum sofort ein Zusammenhang zwischen den unbestimmten Beschwerden und dem zurückliegenden Eingriff hergestellt. „Deshalb sollten die Patienten bereits im Krankenhaus gut über mögliche Infektionsgefahren aufgeklärt werden, damit sie sich später bei auftretenden Symptomen direkt wieder an ihren Operateur wenden“, unterstreicht der Experte. Stationär bilden die Chirurgen dann zusammen mit den Orthopäden und Infektiologen ein interdisziplinäres Team bei der Behandlung von Patienten mit Protheseninfektionen. Dr. Trampuz arbeitet dabei eng mit seinem Kollegen, dem Orthopäden und Traumatologen Dr. Olivier Borens, Leiter der Septischen Chirurgie an der CHUV, zusammen.
Der Erreger muss bekannt sein, um eine wirklich gezielte Antibiotikatherapie einleiten zu können
Olivier Borens
Nicht jeder Schmerz muss jedoch zwangsläufig eine Infektion sein. Wenn die Prothese nicht korrekt implantiert ist, können auch biomechanische Ursachen der Grund sein. Um eine septische Lockerung (Infektion) von einer aseptischen Lockerung (Mechanik) zu unterscheiden, werden deswegen in der Regel zunächst eine Röntgenuntersuchung und dann eine Punktion durchgeführt. Dabei wird die aspirierte Gelenksflüssigkeit auf Bakterien untersucht. „Da die Prothese in beiden Fällen ausgewechselt werden muss, kann man sich aber auch direkt für eine Operation entscheiden bei der gleichzeitig aus der Tiefe des Gewebes Proben entnommen werden“, berichtet Dr. Borens. Auch dabei stehen zwei Möglichkeiten zur Auswahl: „Damit die Funktion des Gelenks erhalten bleibt, wird die Prothese fast immer neu implantiert. Dieser Revisionseingriff kann in einem sogenannten einseitigen Wechsel vorgenommen werden. Sprich, das Implantat wird sofort ausgetauscht. Dann ist das neue Prothesenteil jedoch auch direkt infiziert und man benötigt ein geeignetes Antibiotikamedikament, das die Bakterien wirksam bekämpft. Oder man führt einen zweiseitigen Wechsel aus, dann wird die Prothese erst nach zwei, vier oder sechs Wochen neu implantiert. Die Bakterien existieren dann noch für längere Zeit im Knochen weiter. Egal, wie man aber vorgeht, auf jeden Fall muss der Erreger bekannt sein, um eine wirklich gezielte Antibiotikatherapie einleiten zu können.“
Als Goldstandard in der Diagnostik von Protheseninfektionen gilt heute das Ultraschallverfahren namens Sonikation, welches die Sensitivität gegenüber der Gelenkspunktion von 60 % auf 90 % erhöht. Denn da Mikroorganismen auf Fremdkörpern Biofilme bilden, sind sie im umliegenden Gewebe oft schwer nachzuweisen. Anstatt also blind Proben aus dem Gewebe um die Prothese herum zu entnehmen, ermöglicht es die Sonikation, die gesamte Oberfläche des Implantats zu erfassen. Dafür werden die Prothesenteile direkt nach ihrer Entfernung in ein Ultraschallbad gegeben, das den abgelagerten Biofilm durch Beschallung von der Oberfläche des Implantats ablöst. Die dabei entstehende Sonikationsflüssigkeit wird im Labor als Kultur angelegt und kann sofort für die nachfolgende Analytik benutzt werden. Eine Resistenzprüfung ermöglicht es, schnell eine gezielte Antibiotikatherapie einzuleiten. „Wer nicht selbst über das Equipment für eine Sonikation verfügt, der kann die entnommenen Implantate auch in eine entsprechendes Laboreinrichtung einschicken und testen lassen“, erläutert Dr. Trampuz abschließend. „Allein in der Schweiz verfügen wir über zwanzig solcher Zentren. Wichtig ist aber, dass alle orthopädischen und unfallchirurgischen Häuser über diese Möglichkeiten Bescheid wissen, damit sich die Erfolgsquoten bei Protheseninfektionen weiter verbessern.“
16.06.2011