Prof. Dr. Jan Siemens
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Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

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Europäischer Forschungsrat fördert Professor Dr. Jan Siemens

Wie der körpereigene Thermostat funktioniert: Heidelberger Pharmakologe erhält ERC Consolidator Grant für Forschung zur Wärmeregulation bei Säugetieren / Auszeichnung mit Sir Hans Krebs-Preis für Entdeckung des ersten Wärmesensors im Gehirn

Woher weiß das Gehirn, dass es uns zu warm oder zu kalt ist? Für seine bedeutende Forschung zur Wärmeregulation bei Säugetieren erhält Professor Dr. Jan Erik Siemens mit seiner Arbeitsgruppe am Pharmakologischen Institut der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg einen sogenannten Consolidator Grand des Europäischen Forschungsrats (European Research Council / ERC). Damit fördert der ERC die weitere Arbeit seines Teams in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt rund 2 Millionen Euro. Dies ist bereits die zweite ERC-Förderung für den Wissenschaftler. 2012 hatte er einen Starting Grant in Höhe von 1,4 Millionen Euro mit Laufzeit bis Januar 2018 eingeworben.

Ein Durchbruch bei der Suche nach den entscheidenden Schaltelementen des körpereigenen Thermostats war die Entdeckung des ersten Wärmesensors im Gehirn, wofür Siemens erst kürzlich von der Gesellschaft der Freunde der Medizinischen Hochschule Hannover mit dem Sir Hans Krebs-Preis 2017 (Dotierung: 10.000 Euro) sowie mit dem Phoenix Pharmazie Wissenschaftspreis 2017 (Dotierung: 40.000 Euro) ausgezeichnet wurde. Die nun vom ERC geförderten Projekte mit dem Titel „ACCLIMATIZE – Hypothalamic Mechanisms of Thermal Homeostasis and Adaptation“ bauen unter anderem auf den Ergebnissen dieser Arbeit auf. Ziel ist es, die Bedeutung dieses Wärmesensors für die Thermoregulation im lebenden Organismus weiter zu erforschen, weitere Wärme- oder Kältesensoren an den Temperaturfühlern des Gehirns, bestimmten Nervenzellen in einem zentral gelegenen Hirnbereich, auszumachen, sowie deren Verschaltung aufzuklären. Zudem ist ein neuer Aspekt hinzugekommen: Die Arbeitsgruppe will herausfinden, in wie weit Störungen im Wärmehaushalt mit krankhaftem Übergewicht, Adipositas, zusammenhängen.

Wie warmblütige Tiere, darunter auch der Mensch, ihre Körpertemperatur regulieren, ist bei weitem noch nicht verstanden. Zwar ist bekannt, dass eine bestimmte Hirnregion, der sogenannte Hypothalamus, als Thermostat fungiert: Weicht die aktuelle Körpertemperatur vom Sollwert ab, werden im Körper entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet: Zum Beispiel weiten oder verengen sich die Blutgefäße in der Haut, um Wärme abzugeben oder zurückzuhalten. Man weiß aber bisher nur wenig darüber, wie diese Mechanismen im Detail, auf molekularer und zellulärer Ebene, ablaufen.

Protein auf speziellen Nervenzellen verhindert Überhitzung bei Fieber

Wir gehen davon aus, dass dieser Mechanismus vor allem dazu dient, Fieber zu senken, bevor es für den Körper gefährlich wird

Jan Siemens

Entscheidende Hinweise lieferte der Wärmesensor, den Siemens Arbeitsgruppe 2016 erstmals in der Fachzeitschrift „Science“ beschrieb: Das Protein TRPM2 kommt nur auf der Oberfläche bestimmter Nervenzellen im Hypothalamus vor. Mit ihm nehmen diese Temperaturfühler des Gehirns vermutlich eine drohende Überhitzung wahr, um dann postwendend das Signal zur Abkühlung zur geben. Die Wissenschaftler zeigten: TRPM2 lässt ab einer bestimmten Temperatur – rund 39 Grad Celsius bei Mäusen, wie wahrscheinlich auch bei Menschen – Kalzium in die Zellen fluten. Die so aktivierten Neuronen setzen eine Signalkette in Gang, die – auch das zeigten die Untersuchungen an Mäusen – dazu führt, dass der Körper Wärme ableitet. „Wir gehen davon aus, dass dieser Mechanismus vor allem dazu dient, Fieber zu senken, bevor es für den Körper gefährlich wird“, erläutert Siemens. „Das macht TRPM2 auch interessant für eine potentielle therapeutische Nutzung.“

Mäuse, die TRPM2 nicht bilden können, haben ansonsten keine Probleme, ihre Körpertemperatur zu regulieren, allein Fieber steigt bei ihnen höher. Die Feinregulierung der Körpertemperatur muss daher über andere Kanäle der Temperaturfühler laufen, ist sich der Biochemiker sicher, – und genau diese Mechanismen sollen im Projekt ACCLIMATIZE nun weiter aufgeklärt werden. Wichtige Fragen sind dabei auch: Wie wird im Gehirn die aktuelle Körpertemperatur erfasst, wie diese Information weiter verarbeitet und vor allem auch an den Körper weitergegeben? Wie gleicht das Thermostat im Gehirn Soll- und Ist-Wert ab? Wie kommt die sogenannte Plastizität des Sollwerts zustande? Sprich: Warum schwankt die Körpertemperatur im Laufe des Tages und wird je nach Situation eine andere Außentemperatur als angenehm empfunden?

Wärmeregulation bei krankhaftem Übergewicht gestört

Beim Stichwort „Plastizität der Körpertemperatur“ kommt die Adipositas ins Spiel: Man weiß, dass krankhaft übergewichtige Menschen häufig eine durchschnittlich niedrigere Körpertemperatur haben als Normalgewichtige. Warum, ist unklar. „Möglicherweise befindet sich bei Betroffenen der gesamte Organismus im Energiesparmodus: Möglichst viel Energie wird in die Reserven gesteckt, möglichst wenig in Form von Wärme verheizt“, vermutet Professor Siemens. Mit seiner Arbeitsgruppe will er daher in den nächsten Jahren im Tierversuch testen, ob eine Erhöhung der Körpertemperatur über eine Beeinflussung des Thermostats im Gehirn eventuell den Fettabbau ankurbelt, da der Körper dann automatisch mehr Energie verbraucht. „Wir hoffen eine Möglichkeit zu finden, diesen natürlichen Mechanismus der Wärmeregulation für die Therapie nutzbar zu machen“, so der Wissenschaftler.

Jan Erik Siemens, geboren 1973 in Schleswig, studierte Biochemie an den Universitäten Bochum, Frankfurt a.M. und Tübingen, promovierte – mit Forschungsaufenthalt in San Diego, USA – an der Universität Basel und forschte anschließend vier Jahr an der University of California in San Francisco. 2009 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm eine Junior-Arbeitsgruppe am Max-Delbrück-Centrum in Berlin. 2013 nahm er den Ruf nach Heidelberg an und leitet seitdem eine Arbeitsgruppe am Pharmakologischen Institut im Rahmen der Molecular Medicine Partnership Unit (MMPU), einer Kooperation des Universitätsklinikums und des European Molecular Biology Laboratory (EMBL). Seine Forschung wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2008 mit dem Sofja Kovalevskaja Award der Alexander von Humboldt-Stiftung, 2011 dem ERC Starting Grant und 2015 dem Galenus-von-Pergamon-Preis.


Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

17.12.2017

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