News • Embryonale Tumoren analysiert

ETMR: Aggressive Hirntumoren besser verstehen

Wissenschaftler des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ) und des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) präsentieren die bisher umfangreichsten Analysen an einer Gruppe besonders aggressiv wachsender Hirntumoren bei Kindern in der Fachzeitschrift „Nature". Sie helfen, die Entwicklung dieser Krebsart besser zu verstehen und geben Hinweise auf neue Therapieoptionen.

ETMR („Embryonale Tumoren mit mehrschichtigen Rosetten") sind eine Gruppe besonders aggressiv wachsender Hirntumoren, die hauptsächlich bei Kindern unter vier Jahren vorkommen. Sie gelten bislang als besonders schlecht behandelbar und führen meist binnen kürzester Zeit zum Tod. In Deutschland gibt es nur einzelne Fälle von ETMR, weltweit sind es zirka 100 bis 200 Patienten pro Jahr. Die geringen Fallzahlen erschweren wissenschaftliche Arbeiten an dieser Tumorgruppe. Bislang weiß man deshalb nur wenig über die Entstehung und Entwicklung von ETMR. Wirksame Behandlungsverfahren gibt es nicht. 

Es ist uns gelungen, die in ihrer Gewebebeschaffenheit sehr unterschiedlichen Tumoren auf molekularer Ebene umfassend zu charakterisieren – quasi eine Art „molekulare Landkarte" dieser Krebsart zu erstellen

Marcel Kool

Um besseren Einblick in die Biologie der ETMR zu gewinnen, hat die Arbeitsgruppe um Marcel Kool, KiTZ-Wissenschaftler und Gruppenleiter in der Abteilung Pädiatrische Neuroonkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Tumorgewebe von 193 Patienten mit Hilfe von modernster DNA-Analysetechnologien und weiterführenden molekularen Verfahren untersucht. „Es ist uns gelungen, die in ihrer Gewebebeschaffenheit sehr unterschiedlichen Tumoren auf molekularer Ebene umfassend zu charakterisieren – quasi eine Art „molekulare Landkarte" dieser Krebsart zu erstellen", erklärt er. „Unsere Analysen sind die bisher umfangreichsten Untersuchungen zu möglichen Treibern des Tumorwachstums bei ETMR", ergänzt KiTZ-Direktor Stefan Pfister, Leiter der Abteilung Pädiatrische Neuroonkologie und Experte für zielgerichtete Therapien im DKTK. „Damit stellen sie eine wertvolle Quelle für neue Therapieansätze gegen diese Krebsart dar."

Bereits in früheren Untersuchungen hatte man bei etwa 90 Prozent der Tumoren eine genetisch auffällige Veränderung auf Chromosom 19 des Tumorgenoms entdeckt. Die KiTZ-Wissenschaftler konnten nun belegen, dass es sich bei den zehn Prozent, die diese als C19MC-Amplifikation bezeichnete Auffälligkeit nicht besitzen, keineswegs um eine andere Tumorgruppe handelt. KiTZ-Wissenschaftler Sander Lambo, der den überwiegenden Teil der Forschungsarbeiten durchgeführt hat, erklärt: „Wir konnten zeigen, dass ETMRs auf molekularer Ebene große Ähnlichkeit untereinander haben, und zwar unabhängig vom Vorhandensein des Markers C19MC und auch unabhängig von der Gewebebeschaffenheit und der Lage des Tumors im Gehirn."

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Nachweis von DNA-RNA-Strukturen („R-Loops“) in einer ETMR-Gewebeprobe

© KiTZ

Den Forschern fiel auf, dass bei den Tumoren ohne C19MC-Amplifikation besonders häufig eine andere Mutation auftrat, eine sogenannte DICER1-Keimbahnmutation. Diese Mutation ist bereits in den Keimzellen der Betroffenen angelegt und somit schon im embryonalen Entwicklungsstadium vorhanden. Es ist bekannt, dass Kinder mit dieser DICER1-Mutation ein erhöhtes Risiko haben, Tumorerkrankungen im Kindes- und jungen Erwachsenenalter zu entwickeln. Die Untersuchungen lassen darauf schließen, dass auch ETMR zu dieser Gruppe der DICER1-Syndrom-assoziierten Krebsarten gezählt werden müssen.

Eine Reihe von weiteren molekularen Auffälligkeiten fand Kools Arbeitsgruppe im Laufe ihrer molekularen Analysen, darunter die auffällige Häufung so genannter „R-Loops". Diese ungewöhnlichen DNA-RNA-Strukturen könnten der Schlüssel zu neuen Behandlungsverfahren bei ETMR darstellen: „Schon frühere Studien hatten die Vermutung nahegelegt, dass R-Loops als Zielstrukturen für neue Therapieoptionen geeignet sein könnten", erklärt Kool. „Auch wir konnten in unseren Untersuchungen erste Hinweise darauf finden."


Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

06.12.2019

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