Video • Medikationsmanagement

Auf digitalem Weg zur sicheren Krebsmedikation

Der digitale Wandel macht die Medizin besser und effizienter: Bei der Medikation werden die Prozesse durch die Digitalisierung vereinfacht, verbessert und sicherer. Vor allem in der Krebstherapie kann das überlebenswichtig sein.

Bericht: Katrin Schreiter

portrait of Gunnar Folprecht
Prof. Gunnar Folprecht

Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden hat daher als erstes Krankenhaus in Deutschland den Medikationsprozess für onkologische Therapien lückenlos digitalisiert und standardisiert. Patienten des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC*) am Dresdner Uniklinikum profitieren bereits von der erhöhten Sicherheit bei der Verordnung, Herstellung und Verabreichung ihrer Chemotherapien.

Das digitale Medikationsmanagement umschreibt einen elektronisch gestützten, strukturierten Gesamtprozess von der Verschreibung und Analyse über die Aktualisierung des Medikationsplans bis hin zur Einnahme. Der Patient wird dabei durch ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Pflegekräften und Apothekern individuell betreut. „Das digitale System vereinfacht nicht nur die Herstellung und Verabreichung der Medikation, es macht sie auch sicherer“, sagt Prof. Gunnar Folprecht, Leiter des Fachbereichs Onkologie der Medizinischen Klinik I des Uniklinikums Dresden. Der Mediziner sieht deshalb den Einsatz vor allem bei Krebstherapien als hilfreich.

Wenig Spielraum für Irrtümer

Die Klinik-Apotheke am Dresdner Uniklinikum stellt pro Jahr etwa 45.000 Chemotherapie-Zubereitungen her – individuell für jeden Patienten. Dabei handelt es sich häufig um farblose Flüssigkeiten, die in Infusionsbeuteln zubereitet werden. Die potenzielle Verwechslung der Medikamente ist einer von zahlreichen möglichen Fehlern, die bei der Arzneimittelversorgung im Klinikalltag auftreten können.

Mit fatalen Folgen, so Folprecht: „Bei Tumorpatienten, bei denen die Behandlung in der Regel sehr komplex ausfällt, ist eine korrekte Dosierung überlebenswichtig. Denn die Bandbreite zwischen Über- und Unterversorgung ist bei ihnen sehr klein.“ Das liege nicht zuletzt an zahlreichen Nebenwirkungen, die die Therapie häufig mit sich bringt.

Mehrstufige Freigabe verhindert Verwechslungen

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Mithilfe eines mobilen Endgeräts scannt die Pflegekraft den Barcode des zu verabreichenden Krebsmedikaments

© Uniklinik Dresden/Marc Eisele

Vergleicht man die einzelnen Schritte zur Medikation mit und ohne Digitalisierung, zeigt sich schnell, wo mögliche Fehlerquellen liegen. Das gelte sowohl für die Herstellung als auch für die Verabreichung, sagt Folprecht. „Bisher musste die Dosierung der flüssigen Medikamente per Hand oder mit dem Taschenrechner berechnet werden – pro Quadratmeter Körperoberfläche“, erklärt der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin. „Das Ergebnis wurde dann an die Apotheke gefaxt und dort in eine Datenbank eingetragen.“

Dieser Prozess sei nun komplett digitalisiert worden, so Folprecht. Dabei arbeiten Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte in einem System zusammen. Die Uniklinik greift dabei auf die Software BD Cato zurück, die im Sinne eines sogenannten Closed Loop Medication Management den gesamten onkologischen Medikationsprozess abbildet. Ein Baustein des Prozesses seien die Laborwerte des Patienten, die in die Software übermittelt werden, und die in die Dosierung der Medikamente einfließen. „Werden vordefinierte Grenzwerte – etwa bei der Anzahl der weißen Blutkörperchen – überschritten, wird eine Warnmeldung ausgelöst“, sagt Folprecht. Schließlich werde nach einer nochmaligen Plausibilität-Prüfung durch den Apotheker jeder Herstellungsschritt der Krebsmedikamente innerhalb des Systems dokumentiert.

„Jedes fertige Medikament wird mit einem entsprechenden QR-Code versehen. Auch der Patient hat ein Armband mit einem QR-Code – beide werden von der Schwester gescannt“, so der Onkologe. Das Programm kontrolliere dann, ob das Medikament dem richtigen Patienten zugeordnet wurde, ob die Verabreichung stimmt oder das Verfallsdatum des Medikaments überschritten ist. „Nur wenn alles korrekt ist, gibt das System Grünes Licht für die Verabreichung des Medikaments“, sagt Folprecht.

Die Digitalisierung des gesamten Medikationsprozesses wurde in Dresden in einem Zeitraum von drei Jahren eingeführt und umgesetzt. „Dafür haben wir ein spezielles Schulungsprogramm zusammengestellt, mit dem wir die Ärzte und das Pflegepersonal entsprechend geschult haben“, erläutert Folprecht, der die zuständige interdisziplinäre Projektgruppe leitet. Außerdem habe man für die QR-Codes spezielle Handgeräte angeschafft.

Im Notfall hilft das Papier-Backup

Die Umstellung ist eine enorme Unterstützung des gesamten Personals, das mit der Medikation arbeitet

Gunnar Folprecht

„Eine Herausforderung waren besonders die zahlreichen Schnittstellen des Systems“, erinnert sich der Mediziner. So mussten Verbindungen zum Krankenhausinformationssystem, zum Labor, zur Abrechnung, zur Lagerhaltung, zur Benutzerverwaltung und zum elektronischen Schulungsportal geschaffen werden. Darüber hinaus seienauch nicht-elektronische Bereiche betroffen. Denn nicht nur die Apotheke und die verschiedenen Abteilungen, die Chemotherapien verabreichen (von der Knochenmarktransplantation über die Behandlung von Brustkrebs bis zur Kinder-Krebstherapie), müssten mit einbezogen werden, sondern auch andere Abteilungen wie die zur Behandlung von Multipler Sklerose.

Und was passiert, wenn das System plötzlich ausfällt? „Die Kerndaten der Chemotherapie sind zusätzlich im allgemeinen Krankenhausinformationssystem – der elektronischen Krankenakte – gespiegelt“, erklärt Folprecht. „Bei Ausfällen des Systems könnten die Daten des Patienten dort eingesehen werden und es würde bei nicht aufschiebbaren Behandlungen wieder ein papierbasiertes Verfahren benutzt werden.“

Folprecht sieht durch das digitale Medikationsmanagement eine Arbeitserleichterung, die eine höhere Patientensicherheit garantiert. „Arbeitsplätze fallen dadurch nicht weg“, sagt der Mediziner. „Die Umstellung ist eine enorme Unterstützung des gesamten Personals, das mit der Medikation arbeitet.“


Profil:

Prof. Dr. med. Gunnar Folprecht leitet den Fachbereich Onkologie der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. Der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin hat eine besondere Expertise für gastrointestinale Tumoren.


*Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf.

29.03.2021

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