Eins und eins macht drei
Die potenzierte Aussagekraft der MR-PET-Bildgebung
Noch präzisere Diagnosen, noch bessere Verlaufskontrollen: Die Zukunft der MR-PET-Technologie ist endlich zum Greifen nah! Die ersten kommerziellen Ganzkörper-Hybridgeräte stehen praktisch in den Startlöchern oder sind schon installiert. Doch was bedeutet die Einführung des MR-PET für die klinische Praxis wirklich? Prof. Dr. med. Dipl.-Phys. Heinz-Peter Schlemmer, Leiter der Abteilung Radiologie im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, sieht vor allem für die Onkologie eine riesige Chance.
„Die MRT gibt uns funktionelle Methoden an die Hand, mit denen wichtige Informationen über Blutversorgung, Stoffwechsel oder Bewegungen eines Tumors gewonnen werden können“, erläutert Prof. Schlemmer. „Diese biochemischen und physiologischen Parameter lassen uns Aussagen über die Aggressivität des Tumors treffen und sind somit wichtige Entscheidungshilfen für die Therapieplanung und -verlaufskontrolle.“ Der Bildbefund kann auf diese Weise den Verdacht auf ein hochaggressives, malignes Wachstum bei vielen Tumoren, zum Beispiel bei Hirntumoren, Lebertumoren oder beim Prostatakarzinom, sicherer bestätigen. In vielen Körperregionen, wie zum Beispiel dem Gehirn, den Bauch- und Beckenorganen oder dem Knochenmark gilt die MRT als empfindlichstes diagnostisches Bildgebungsverfahren.
Ähnliche Hilfestellung bei der Tumordiagnostik bietet das hochauflösende PET-Verfahren auf mikrobiologischer Ebene: „Je nach Substanz erfüllen die verwendeten Radiotracer verschiedene Aufgaben: Sie reichern sich in gut- oder bösartigen Veränderungen an, binden sich an bestimmte Rezeptoren an der Zelloberfläche oder messen den Vorgang der Substanzaufnahme und -umwandlung in der Zelle. Während das PET-CT also eine Kombination aus Anatomie (CT) und Stoffwechsel (PET) darstellt, können wir durch das MR-PET sogar auf die Kombination aus Anatomie (MRT) und zwei Quellen zur Ermittlung funktioneller Informationen, wie zum Beispiel die metabolischen Aktivitäten (MRT + PET), zurückgreifen. Wie groß der Nutzen dieser potenzierten Bildinformationen sein wird, werden dann zukünftige Studien zeigen“, so Schlemmer. Ein weiterer Vorteil des MR-PET, ergänzt der Experte, ist darüber hinaus die Simultanität der Untersuchung. Damit garantiert das Verfahren im Gegensatz zum PET-CT, das sequenziell abläuft, eine besonders exakte räumliche und zeitliche Zuordnung der Bildinformationen.
Ein weiteres und wichtiges Qualitätskriterium gegenüber Hybridtechnologien wie PET-CT und SPECT-CT ist und bleibt, dass die Magnetresonanztomografie ohne Röntgenstrahlenexposition auskommt. Damit verringert sich die Bestrahlungsdosis für den Patienten während der MR-PET-Untersuchung erheblich, denn die Strahlenexposition durch die Radiotracer, die bei der Positronen-Emissions-Tomografie zum Einsatz kommen, ist relativ gering – addiert sich allerdings in Kombination mit der Computertomografie zu einer nicht unerheblichen Gesamtdosis. Da funktionelle Bildgebungsverfahren jedoch häufig wiederholt zur individuellen Kontrolle des Therapieverlaufs bei Krebserkrankungen ihre Anwendung finden, ist diese zusätzliche Belastung für den Patienten in der Summe besonders kritisch zu sehen. Von der geringeren Röntgenstrahlung mit MR-PET werden dadurch nicht nur Tumorpatienten im Allgemeinen, sondern insbesondere auch junge Menschen bis hin zu den ganz kleinen Krebspatienten im Besonderen profitieren.
„Über all diese technisch-medizinischen Finessen hinaus darf man nicht vergessen, dass ein PET – egal, ob in einem CT oder MRT integriert – immer nur so gut ist, wie die dabei verwendeten Radiotracer. Das PET an sich stellt nur die räumliche Verteilung der radioaktiven Substanz oder des Markers dar. Deshalb nimmt die Entwicklung spezifizierter Radiotracer mit hoher Empfindlichkeit eine wichtige Schlüsselfunktion innerhalb nuklearmedizinischer Bildgebungsverfahren ein“, meint Schlemmer. Momentan gibt es verschiedene Radiotracer, die hinsichtlich ihrer therapeutischen Signifikanz kontrovers diskutiert werden. Besonders bei der Entwicklung neuer Krebsmedikamente ist es jedoch wichtig, Erfolg und Misserfolg bei der individuellen Behandlung von Patienten zu dokumentieren. Die Dringlichkeit zur Erforschung geeigneter radioaktiver Sonden spiegelt sich auch in der händeringenden Suche nach qualifizierten Radiochemikern wider: „Ein guter Radiochemiker kann die verborgensten biochemischen Prozesse sichtbar machen“, weiß Prof. Schlemmer.
Aber auch die Auswertung der Bildinformationen, die das MR-PET liefert, wird in Zukunft Spezialisten erfordern, so der Experte abschließend: „So braucht es neben einem Radiologen, der sich in der Methode der MR gut auskennt, auch noch einen Nuklearmediziner, der die PET-Methode beherrscht. Denn in der Tat handelt es sich beim MR-PET um eine sehr aufwendige und komplexe Untersuchung, die ein hohes Maß an Fachexpertise braucht, auf der anderen Seite wiederum aber auch einen immensen Nutzen bei der bildlichen Darstellung von Tumoren erbringen wird.“
Im Profil
Prof. Dr. med. Dipl.-Phys. Heinz-Peter Schlemmer leitet seit Anfang 2010 die Abteilung Radiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Der Arzt und Physiker kehrt damit an den Ort seiner medizinischen Aus- und Weiterbildung zurück. Am DKFZ liegen seine Forschungsschwerpunkte bei der Früherkennung von Prostata-, Kolon- und Lungenkrebs sowie in der Weiterentwicklung funktioneller Bildgebungsverfahren zur Tumorcharakterisierung und zum Therapiemonitoring. Prof. Schlemmer war zuletzt in der Abteilung Diagnostische Radiologie des Universitätsklinikums Tübingen tätig und als Leitender Oberarzt für den Bereich Magnetresonanztomografie verantwortlich. In Tübingen war er maßgeblich an der technischen Entwicklung des weltweit ersten Ganzkörper-MRT beteiligt.
Veranstaltungshinweis
Freitag, 8. Oktober 2010,
14:40 Uhr–15:40 Uhr: Neue Horizonte in der Radiologie
Vorsitz: O. Sommer, Schwarzach, und G. Tepe, Rosenheim
14:40 Uhr: MR-PET: Wann kommt er und was tun wir dann damit?
H.-P. Schlemmer, Heidelberg
06.10.2010