Wie verhält sich ein Endoskop bei welchem Biegungswinkel und welcher Belastung? Bei der virtuellen Vorausberechnung von Materialien kommen Berechnungsmodelle wie die Balkentheorie nach Euler–Bernoulli zum Einsatz.

News • Virtuelle Materialforschung

'Digitaler Zwilling' verbessert Simulationen

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ist einem neuen, europäischen Doktorandennetzwerk beteiligt. Im Zentrum der 14 Forschungsprojekte steht die Frage, wie sich komplexe mechanische Systeme künftig besser modellieren und am Computer simulieren lassen.

Hierfür stellt die Europäische Union im Rahmen des Programms „Horizon 2020“ rund 3,6 Millionen Euro für vier Jahre zur Verfügung, davon gehen rund 250.000 Euro an die FAU. Koordiniert wird das Netzwerk von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Insgesamt sind zwölf Universitäten und Forschungseinrichtungen aus acht europäischen Ländern beteiligt.

Seilbahnen für Skilifte, Kabelbäume in der Automobiltechnik und medizinische Endoskope wirken auf den ersten Blick sehr unterschiedlich, teilen sich aber eine besondere Eigenschaft: „Sie bestehen aus sehr beweglichen, flexiblen Komponenten, die an Schläuche oder Seile erinnern“, sagt der Projektkoordinator Prof. Dr. Martin Arnold vom Institut für Mathematik der MLU. Das macht es in der Praxis schwer, ihr Verhalten genau vorherzusagen. Bisher würden viele Unternehmen für neue Produkte und Projekte vor allem auf Erfahrungswissen setzen, so Arnold weiter. Gleichzeitig sei es schwierig und kostspielig, diese Produkte zu optimieren.

An dieser Stelle setzt das neue Doktorandennetzwerk „Joint Training on Numerical Modelling of Highly Flexible Structures for Industrial Applications“ an, an dem Universitäten aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Norwegen, Österreich, Slowenien und Spanien beteiligt sind. Ziel ist es, für diese Anwendungen einen sogenannten „digital twin“ zu erstellen, also ein möglichst genaues, virtuelles Abbild. Dabei geht es vor allem darum, nicht nur das Verhalten einzelner Bauteile zu modellieren, sondern die Eigenschaften des gesamten Systems. So lassen sich bereits in der Entwicklungsphase sehr viele Simulationen durchspielen und zum Beispiel auch der Materialverschleiß berechnen.

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Prof. Dr. Sigrid Leyendecker ist Inhaberin des Lehrstuhls für Technische Dynamik an der FAU und Projektleiterinnen des Netzwerks.

Bild: FAU/David Hartfiel

Die Forschungsprojekte greifen dafür auf die sogenannte Balkentheorie, ein klassisches Modell der Mechanik, zurück. Wie sich das Modell auf hochkomplizierte technische Systeme anwenden lässt, ist eine bisher ungelöste Frage, die von den Doktoranden geklärt werden soll. Das Spektrum der Arbeiten reicht dabei von der angewandten Mathematik über die Mechanik bis hin zur industrienahen Forschung. An der FAU wird am Lehrstuhl für Technische Dynamik von Prof. Dr. Sigrid Leyendecker eine Doktorandin oder ein Doktorand in Zusammenarbeit mit Karl Storz Video Endoscopy (Estonia), einem führenden Hersteller in der Endoskopie, an der Modellierung und Simulation von Endoskopen im medizinischen Einsatz forschen. Prof. Dr. Sigrid Leyendecker ist zugleich eine der Projektleiterinnen des Netzwerks.

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Neben der akademischen Ausbildung absolvieren die 14 Doktoranden auch ein dreimonatiges Praktikum in einer nichtakademischen Partnereinrichtung, meist Unternehmen. Auch Gastaufenthalte an den im Netzwerk kooperierenden Partneruniversitäten sind Teil der Ausbildung. Ein Ziel des Netzwerks ist es unter anderem, talentierte Nachwuchsforscher zu unterstützen.

Europäische Doktorandennetzwerke sind eine Fördermaßnahme des Marie Skłodowska Curie-Programms der Europäischen Kommission. Ziel ist es, Nachwuchswissenschaftler mit den Fähigkeiten auszustatten, die sowohl im wissenschaftlichen als auch im nichtwissenschaftlichen Umfeld einer Karriere förderlich sind. Deshalb sind neben europäischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auch 13 nichtakademische Einrichtungen an den Projekten beteiligt. Die Konkurrenz bei der Einwerbung eines Netzwerks ist extrem hoch: So wurden im Jahr 2019 nur 103 der 1.341 begutachteten Projektanträge zur Förderung angenommen.


Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

17.10.2019

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