Lunge

Die MRT: Das Ass im Ärmel der Thoraxradiologen

Prof. Dr. Jürgen Biederer, Radiologe der akademischen Lehrpraxis für Radiologie der Universitätsklinik Heidelberg, beschäftigt sich wissenschaftlich und klinisch mit der Thoraxbildgebung. Für ihn ist hier die Magnetresonanztomographie der unterschätzte Außenseiter mit vielen Vorteilen.

Prof. Dr. Jürgen Biederer
Prof. Dr. Jürgen Biederer

„Die MRT der Lunge gilt als Außenseiter, weil es mit ihr schwieriger ist, verwertbare Bilder zu bekommen als mit anderen Verfahren“, sagt Prof. Biederer. Das Hauptverfahren für die Lunge in der Diagnostischen Radiologie ist das Röntgenbild. Geht es aber um die Verfeinerung und die räumliche Darstellung, wird die Computertomographie eingesetzt. „Das sind die Arbeitspferde der bildgebenden Diagnostik“, sagt Biederer. Beide Verfahren haben den Nachteil, dass sie mit Röntgenstrahlen arbeiten, wobei die Exposition bei der Computertomographie noch um den Faktor 10 bis 100 höher ist als bei einer Röntgenaufnahme. Für die Forschung wäre aus diesem Grund ein anderes Verfahren wünschenswert.

Bei der Magnetresonanztomographie müssen Protonen (Wasserstoffkerne) im Körpergewebe angeregt werden, um aus dem Signal ein dreidimensionales Bild zu generieren. Wasserstoffatome für das MRT-Signal sind in dem im Gewebe befindlichen Wasser, im Blut sowie in den Kohlenwasserstoff-verbindungen und Eiweißen in großer Zahl vorhanden. Die Lunge hat hingegen ein großes Volumen, gefüllt mit Luft. Das Problem: Luft gibt kein Signal für die MR-Bildgebung, die gesunde Lunge bleibt schwarz. „Das hat aber den Vorteil, dass wir sofort erkennen, wenn hier etwas nicht hingehört.“ Seien es nun ein solider Tumor, Wasser-einlagerungen oder Verdichtungen des Gewebes durch Narben.

Bilder ohne Strahlenexposition

Die MRT liefert Bilder in Fällen, in denen keine Röntgenstrahlen eingesetzt werden sollen. Folgende Verfahren schließt Prof. Biederer deshalb aus: Die Lungenszintigraphie mit der Injektion von radioaktivem Material sowie den Computertomographen mit der Injektion von Kontrastmittel und einer Strahlenexposition ebenfalls. „Wenn ich zum Beispiel den Ausschluss einer Lungenarterienembolie bei einer Schwangeren haben möchte, nehme ich den Magnetresonanztomographen“, erklärt Biederer. Zuvor muss man als Mediziner nur ausschließen, dass der Patient metallene Implantate trägt, einen Herzschrittmacher beispielsweise. Der Patient wird lediglich einem Magnetfeld ausgesetzt. Das hat keine Nebenwirkungen. „Nach fünf Minuten hat man ein erstes Ergebnis. Zeigt die MRT eine zentrale, große Lungenembolie, ist die Untersuchung beendet. Wenn nicht, können noch verfeinerte Programme angewendet werden, die auch kleine, periphere Embolien erfassen.“

Vorteile für Forschung und Kinderradiologie

Mediziner nutzen für ihre Forschungen gern die MRT, weil es hier keine Strahlenexposition gibt. Patienten können ohne Nebenwirkungen wiederholt untersucht werden. Besonders die Kinderärzte in Kiel und Heidelberg nutzen die sanfte Technik ohne Strahlen. „Zum Beispiel bei Kindern mit zystischer Fibrose kann im Lauf der Zeit eine große Anzahl von Untersuchungen zusammenkommen.“ Hier hilft die MRT, die Röntgendosis deutlich zu reduzieren. Auch an den Darmstädter Kinderkliniken Prinzessin Margaret, wo die Lungen-MRT erst kürzlich von der Radiologie Darmstadt eingeführt wurde, ist die neue Methode hoch willkommen.

Prof. Biederer wirft einen positiven Blick in die Zukunft der MRT-Technik. Zurzeit muss der Patient den Atem anhalten, damit die Lunge ruhig liegt und vernünftig untersucht werden kann. „Das wird in Zukunft nicht mehr nötig sein. Sogenannte selbstnavigierende Sequenzen werden die Atembewegung der Lunge bei der Bildgebung ausgleichen.“ Deutlich robustere Techniken mit höherer Detailauflösung werden bereits erprobt.

Praktische Hilfestellung

Biederer wird im Vortrag praktische Tipps und Hilfestellung geben, wie für die unterschiedlichen Untersuchungen die richtigen Bildgebungsparameter zusammengestellt werden können. „Wenn man mit der Lungen-MRT anfängt und sich die Protokolle selbst erarbeiten muss, ist das mühsam.“ Die Firma Siemens hat sich mit Prof. Biederer und seiner Gruppe bereits sehr intensiv ausgetauscht und die entwickelten Protokolle in die neuen Geräte eingebracht. „Die kann jeder an seine Bedürfnisse anpassen und hat so einen guten Start.“ Die Standardprotokolle gibt es schon seit rund sieben Jahren. Sie wurden nun verfeinert. Fertige Lungenprotokolle gibt es auf MR-Geräten von Siemens seit etwa vier Jahren.

 

PROFIL:

Prof. Dr. Jürgen Biederer ist seit Anfang dieses Jahres Standortleiter der Radiologie Darmstadt an der Kreisklinik Groß-Gerau und seit 2012 Leiter der Sektion Pulmonale Radiologie in der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Sein Spezialgebiet ist die Diagnostische Radiologie des Thorax mit Mehrzeilen-CT und MRT im klinischen Einsatz und in der experimentellen Forschung. Von 1997 bis 2011 war er Assistenzarzt, Oberarzt und schließlich Stellvertretender Direktor der Klinik für Diagnostische Radiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. 2005 und 2006 war er am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg tätig und ist bis heute im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) und in Kohortenstudien (COSYCONET) engagiert.

18.12.2014

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