
Bildquelle: Universität des Saarlandes; © Rüdiger Koop
News • Alternative zum Stent
Studien: DCB-Medikamenten-Katheter auch bei größeren Herzgefäßen wirksam
Auch bei größeren verengten Blutgefäßen erzielt der mit Medikamenten beschichtete Ballonkatheter langanhaltend gute Therapieergebnisse.
Als vergleichsweise kleiner Eingriff bietet das Verfahren auch hier eine wirksame Alternative zum Stent. Diese Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Kardiologen Professor Bruno Scheller von der Universität des Saarlandes bestätigt jetzt eine internationale Studie mit mehr als 3.300 Patienten, die auf dem TCT-Kongress in San Francisco, USA, vorgestellt wurde.
Bruno Scheller entwickelte die Methode vor zwei Jahrzehnten und hat sie mit seiner Forschung seither stetig weiter verbessert.
Lagern sich unerwünschte Stoffe wie Fette, Kalk oder Entzündungszellen an den Innenwänden von Herzkranzgefäßen und anderen Arterien ab, verengt sich die Blutbahn. Das Blut kann nicht mehr richtig fließen, was etwa zu Herzschwäche, Herzinfarkt oder Schlaganfall führen kann. Solche Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen weltweit zu den häufigsten Krankheiten und Todesursachen.

Bildquelle: Universität des Saarlandes; © Rüdiger Koop
Der mit Medikamenten beschichtete Ballonkatheter („drug coated balloon“, kurz ‚DCB‘) hat sich international als Therapieverfahren durchgesetzt. Dabei wird ein hauchdünner Kunststoffschlauch in das Gefäß eingebracht, ein winziger Ballon an seiner Spitze aufgeblasen und so die Gefäßwand vorsichtig geweitet. Der Clou an der Sache: Bei dieser Dehnung werden die Medikamente, mit denen der Ballon beschichtet ist, tief in die gedehnte Gefäßwand hineinbefördert. „Weitet man ein Gefäß mit einem einfachen Ballonkatheter auf, verengt es sich oft wieder, weil die Stelle erneut überwuchert wird. Die Medikamente in der speziellen Beschichtung dagegen bleiben in der Gefäßwand. Sie wirken dort über Wochen und Monate und verhindern wirksam neue Ablagerungen“, erklärt der Herzspezialist Professor Bruno Scheller von der Universität des Saarlandes. Er erfand und entwickelte dieses Verfahren, das heute zu den wichtigsten Therapien bei Gefäßverengung zählt, zusammen mit dem inzwischen emeritierten Professor Ulrich Speck von der Berliner Charité.
Bei kleineren Gefäßen bis zu 2,75 Millimetern Durchmesser wurde in einer Vielzahl an klinischen Studien bereits belegt, dass der medikamentenbeschichtete Ballonkatheter beschichteten Stents gleichwertig oder gar überlegen ist. Das Verfahren ist in der Praxis millionenfach im Einsatz. Vor allem in Asien hat die DCB-Therapie medikamentenbeschichtete Stents bereits fast zur Hälfte ersetzt. Die Ergebnisse zu kleinen Koronargefäßen wurden von Bruno Scheller und Kollegen in den vergangenen Jahren in den führenden Fachzeitschriften wie The Lancet1,2 und European Heart Journal3 veröffentlicht. Eine internationale Expertengruppe, das „Academic Research Consortium“ (ARC), gab in diesem Jahr unter wesentlicher Beteiligung von Professor Scheller Handlungsempfehlungen zur Therapie mit beschichteten Ballonkathetern im European Heart Journal4 und im Journal of the American College of Cardiology5.
Der Vorteil beschichteter Ballonkatheter besteht darin, dass eine lokale Medikamentengabe ohne die Notwendigkeit eines im Gefäß verbleibenden Fremdkörpers möglich ist
Bruno Scheller
Jetzt hat eine neue internationale Studie6 mit mehr als 3.300 Patienten gezeigt, dass das Verfahren auch bei Herzkranzgefäßen mit einem Durchmesser von mehr als 2,75 Millimetern eine wirksame und sichere Alternative zu den dort bislang üblichen Stents bietet. Diese röhrenförmigen Gefäßstützen aus Metall werden in das Gefäß eingelegt und verbleiben dort, um die Engstelle zu öffnen. Der beschichtete Ballonkatheter dagegen ist bei größeren Herzkranzgefäßen bislang mehr in den Stents selbst im Einsatz, wenn diese sich durch Ablagerungen verschließen.
Die Studie „SELUTION DeNovo“ konnte zeigen, dass der Balloneinsatz auch bei größeren Gefäßen überzeugende Ergebnisse bringt: Nach einem Jahr war die Häufigkeit schwerwiegender Ereignisse wie plötzlicher Herztod, Herzinfarkt oder eine erneut notwenige Behandlung der Engstelle vergleichbar mit der bei modernen beschichteten Stents. „Wir wissen, dass medikamentenbeschichtete Stents sehr sicher sind. Allerdings kommt es mittel- und längerfristig zu einem Risiko neuer Ereignisse, die dadurch bedingt sind, dass der Stent dauerhaft im Gefäß verbleibt“, sagt Bruno Scheller, der Professor für Klinische und Experimentelle Interventionelle Kardiologie an der Universität des Saarlandes sowie stellvertretender Klinikdirektor und Leiter des Herzkatheterlabors am Universitätsklinikum in Homburg ist. „Der Vorteil beschichteter Ballonkatheter besteht darin, dass eine lokale Medikamentengabe ohne die Notwendigkeit eines im Gefäß verbleibenden Fremdkörpers möglich ist.“
Die neue Studie relativiert zugleich die Ergebnisse der chinesischen „Rec-Cagefree I“-Studie zu medikamentenbeschichteten Ballonkathetern aus dem Jahr 2024. Laut dieser Studie schnitten die Stents als Behandlungsmethode bei größeren Gefäßen und einfacher Verengung im Zeitraum von zwei Jahren besser ab – die medikamentenbeschichteten Ballonkatheter seien in diesem Fall nicht dauerhaft wirksam, so diese Studie. Neben den „SELUTION DeNovo“-Ergebnissen wurden vom 25. bis 28. Oktober im Rahmen des größten Kongresses für kathetergestützte Behandlung von Herzerkrankungen TCT in San Francisco auch die Ergebnisse von „Rec-Cagefree I“ mit einer Nachbeobachtungszeit von drei Jahren vorgestellt. Professor Scheller diskutierte in einer der Hauptsitzungen des Kongresses diese Ergebnisse zusammen mit weiteren weltweit führenden Experten.
„Die Studienergebnisse der ‚Rec-Cagefree I‘-Studie können nicht auf unser Verfahren übertragen werden“, erklärt Bruno Scheller. Nach Ablauf des Patents auf die medikamentenbeschichteten Ballonkatheter hatten die chinesischen Forscher in ihrer Studie eine selbst entwickelte Beschichtung erprobt – in Anlehnung an das ursprüngliche Charité-Patent der Professoren Scheller und Speck. „Diese Beschichtung ist unter anderem von Zusammensetzung und Partikelgröße der Medikamente her nicht mit unserer Beschichtung zu vergleichen. Die Wirkstoffe halten bei ihr nicht lange genug in der Gefäßwand, was im Rahmen der ‚Rec-Cagefree I‘-Studie zu einer nicht ausreichend lange anhaltenden Verhinderung einer Wiederverengung führte“, erklärt Bruno Scheller. Die Kritikpunkte zu der Studie fasst Scheller gemeinsam mit weiteren Autoren aktuell in einem Leserbrief in der Zeitschrift ‚The Lancet‘ zusammen7*.
„Unabhängig von dem Vergleich unterschiedlicher Technologien zur Behandlung von Verengungen der Herzkranzgefäße geht es meinem Team und mir um neue Strategien, den individuellen Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden“, betont Bruno Scheller. „So wird auch in Zukunft für viele Patienten eine Kombination aus beschichtetem Stent und Ballon die bestmögliche Therapie darstellen. Der beschichtete Ballon ermöglicht es uns, lange Stentstrecken zu vermeiden, die mittel- und langfristig erhebliche Nachteile für den Patienten bedeuten“, erklärt der Kardiologe.
„Die auf dem TCT-Kongress vorgestellten neuen Daten unterstützen das Konzept in der interventionellen Gefäßtherapie, die Patienten mit möglichst wenigen permanenten Implantaten zu behandeln, wofür wir uns seit vielen Jahren national und international einsetzen“, sagt Professor Scheller. Seine Arbeitsgruppe in Homburg forscht weltweit führend experimentell und klinisch an diesem Konzept. Derzeit laufen in Homburg mehrere internationale klinische Studien zu beschichteten Ballonkathetern mit Partnern aus Europa, Asien und USA, die Bruno Scheller teilweise weltweit leitet.
Literatur:
- Jeger RV, Farah A, Ohlow MA et al.: Drug-coated balloons for small coronary artery disease (BASKET-SMALL 2): an open-label randomised non-inferiority trial; Lancet 2018; https://doi.org/10.1016/s0140-6736(18)31719-7
- Jeger RV, Farah A, Ohlow MA et al.: Long-term efficacy and safety of drug-coated balloons versus drug-eluting stents for small coronary artery disease (BASKET-SMALL 2): 3-year follow-up of a randomised, non-inferiority trial; Lancet 2020; https://doi.org/10.1016/s0140-6736(20)32173-5
- Fezzi S, Giacoppo D, Fahrni G et al.: Individual patient data meta-analysis of paclitaxel-coated balloons vs. drug-eluting stents for small-vessel coronary artery disease: the ANDROMEDA study; European Heart Journal 2025; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf002
- Fezzi S, Scheller B, Cortese B et al.: Definitions and standardized endpoints for the use of drug-coated balloon in coronary artery disease: consensus document of the Drug Coated Balloon Academic Research Consortium; European Heart Journal 2025; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf029
- Fezzi S, Serruys PW, Cortese B et al.: Indications for Use of Drug-Coated Balloons in Coronary Intervention: Academic Research Consortium Position Statement; JACC 2025; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2025.07.049
- Spaulding C, on behalf of the SELUTION DeNovo investigators. One-year results of the SELUTION DeNovo trial comparing a strategy of PCI with a sirolimus-eluting balloon and provisional stenting versus systematic DES implantation to treat de novo coronary lesions. Presented at: TCT 2025. October 26, 2025. San Francisco, CA.
- Bruno Scheller veröffentlicht die Bewertung zur „Rec-Cagefree I“-Studie aus dem Jahr 2024 zusammen mit weiteren Autoren aktuell in einem Leserbrief in der Zeitschrift The Lancet. (Lancet. 2025 Oct 25; 406(10514): 1950-1951)
*Die Lancet-Redaktion weist darauf hin: Leserbriefe, die in der Rubrik „Correspondence“ veröffentlicht werden, geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Lancet-Zeitschriften. Leserbriefe werden in der Regel nicht extern begutachtet.
Quelle: Universität des Saarlandes
01.11.2025









