Vergrößerter Blutausstrich eines Patienten mit CLL-Leukämie
Starke Vergrößerung (1000 X) eines Wright-gefärbten peripheren Blutausstrichs, der chronische lymphatische Leukämie (CLL) zeigt. Die Lymphozyten mit den dunkel gefärbten Zellkernen und dem spärlichen Zytoplasma sind die CLL-Zellen.

News • Pathologen informieren über CLL

Leukämie: Alte Missverständnisse, neue Therapien

Noch heute ist unter Nichtmedizinern die Annahme weit verbreitet, dass die Diagnose „Leukämie“ sehr schwerwiegend ist und oft den Tod bedeutet. Es gibt aber viele verschiedene Leukämieformen.

Die häufigste ist die chronische lymphatische Leukämie (CLL), bei der sich für viele Patienten nach der Diagnose lebenslang keine Therapie anschließt, sondern eine regelmäßige Beobachtung häufig ausreicht und ein langes Leben mit der chronischen Erkrankung möglich ist. Darüber hinaus haben sich in den letzten Jahren grundlegende Aspekte im Verständnis sowie in der Diagnostik und Behandlung einer CLL verändert – so viel, dass bei den Betroffenen, die zwar eine Therapie benötigen, zumindest die Chemotherapie ausgedient hat. Auch das ist ein großer Fortschritt bei der Behandlung der CLL. 

Diese Paradigmenwechsel finden nun Einzug in die aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL)“ des Leitlinienprogramms Onkologie, die in Kürze erscheint. Über die CLL und die Rolle der Pathologie bei der Diagnostik und Nachsorge für die Patienten sprach die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) mit dem Hämatopathologen Prof. Dr. Falko Fend, Direktor des Instituts für Pathologie und Neuropathologie am Universitätsklinikum Tübingen.

DGP: Die CLL ist eine Erkrankung des Blutes. Welche Rolle hat die Pathologie, die gemeinhin Gewebeproben untersucht, bei der CLL-Diagnostik?

Fend: „An der CLL-Diagnostik sind primär Labormediziner und Hämatologen beteiligt, die Blutuntersuchungen und Immunphänotypisierungen durchführen. Sie bestimmen die Anzahl veränderter B-Lymphozyten im Blut und untersuchen die charakteristischen Oberflächenmarker der Lymphozyten. Spezialisierte Hämatopathologen kommen bei komplexen Fällen zum Einsatz, wenn die CLL von anderen Lymphomerkrankungen abgegrenzt werden muss oder wenn eine mögliche aggressive Transformation vorliegt, die sogenannte Richter-Transformation. In diesen Fällen ist eine Gewebeuntersuchung, zum Beispiel von Lymphknotengewebe, erforderlich. Insgesamt kann man aber sagen, dass die Diagnose einer CLL in 80-90% der Fälle allein durch Blutuntersuchungen gestellt werden kann.“

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Artikel • Forschung, Diagnostik, Behandlung

Themenschwerpunkt: Leukämie

Leukämie ist eine häufige Krebserkrankung des blutbildenden Systems. Die Hauptformen wie die chronische myeloische Leukämie (CML) und die akute myeloische Leukämie (AML) unterscheiden sich zum Teil erheblich in Bezug auf diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Hier erfahren Sie alles zu modernen Ansätze wie molekularer Diagnostik und zielgerichteten Therapien.

Welche Rolle spielt die Hämatopathologie im Verlauf einer CLL-Erkrankung?

„Auch hier kommen wir ins Spiel, wenn sich der Erkrankungsstatus ändert oder wenn neue Symptome auftreten. Man muss wissen, dass 50% oder mehr der CLL-Patienten bei Diagnose keine Symptome zeigen und die Erkrankung aufgrund einer Blutuntersuchung aus anderen Gründen entdeckt wird, viele benötigen lebenslang keine Therapie. Bei anderen CLL-Betroffenen treten aber Symptome auf, welche die CLL behandlungsbedürftig machen. Dann müssen vor der Therapie prognostisch relevante Marker untersucht werden, zum Beispiel Mutationen des TP53-Gens und der IGHV-Mutationsstatus der B-Lymphozyten. Diese Tests sind von großer Bedeutung für die Therapieplanung und die Einschätzung von Resistenzen und des Therapieansprechens. Sie werden in vielen Kliniken in der Pathologie durchgeführt.“

Seit kurzem ist die Behandlung einer CLL de facto chemotherapiefrei möglich.

Eine Heilung der CLL ist weiterhin nicht möglich, aber diese neuen Therapieansätze sichern eine bessere Kontrolle der Erkrankung über längere Zeiträume

Falko Fend

„Ja, die Chemotherapie hat im Prinzip ausgedient, egal ob bei jungen oder älteren Betroffenen, egal ob Hochrisikopatient oder nicht. Das wird sich in Kürze auch in der aktualisierten CLL-Behandlungsleitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL)“ wiederfinden. Zielgerichtete Therapien, oft in Kombination mit Antikörpertherapien, haben sich in jüngster Zeit als neue Standardbehandlung etabliert. Das ist ein Paradigmenwechsel und deutlich besser für Betroffene, auch wenn die neuen Therapien nicht nebenwirkungsfrei sind. Aber sie ermöglichen es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung effektiver zu kontrollieren. Eine Heilung der CLL ist weiterhin nicht möglich, aber diese neuen Therapieansätze sichern eine bessere Kontrolle der Erkrankung über längere Zeiträume.“

Sie erwähnten die Behandlungsleitlinie, die derzeit aktualisiert wird. Welche Änderungen betreffen darin speziell die Pathologie?

„Ein wichtiger Punkt, der momentan noch im Erstellungsprozess diskutiert wird, ist eine mögliche Verpflichtung, den IGHV-Mutationsstatus zu bestimmen. Derzeit ist er nicht obligatorisch, wird aber empfohlen, so wie auch weitere zytogenetische Analysen. Der IGHV-Status gibt Aufschluss über die Risiko des Fortschreitens und die Biologie der Erkrankung und ist daher für die Therapieauswahl von großer Bedeutung. Ein weiterer Fokus liegt auf Resistenzmutationen. Da die CLL eine dauerhafte Erkrankung ist, können im Verlauf Mutationen auftreten, welche die Zellen therapieresistent machen. Es wird erwogen, wiederholte Mutationsuntersuchungen vorzuschreiben, wenn sich Symptome erneut verstärken. Ich halte das für sinnvoll. Und schließlich wird die Leitlinie voraussichtlich auf die Verwendung hochsensitiver Nachweisverfahren – Stichwort: Next Generation Sequencing – hinweisen, damit auch geringe Mengen von Mutationen zuverlässig nachgewiesen werden können, denn sie entscheiden über den Therapieerfolg und die Prognose.

Eine chemotherapiefreie Behandlung der CLL ist nur mit begleitender molekularer Diagnostik erfolgreich. Für die Zukunft wünsche ich mir deshalb, dass bei allen CLL-Patienten, die eine Therapie benötigen oder einen Rückfall bzw. ein Fortschreiten der Krankheit erleben, rechtzeitig eine gezielte Mutationsanalyse durchgeführt wird. Das scheitert derzeit teilweise an Erstattungsfragen. Es ist aber weitaus sinnvoller und kostengünstiger, vor Therapiebeginn eine Analyse zu machen, und nicht sofort mit sehr teuren Therapien zu beginnen, die vielleicht gar nicht wirken. Für mich ist es zweitrangig, ob diese Analyse von der Pathologie, Hämatologie oder Labormedizin durchgeführt wird – entscheidend ist, dass ein Patient sie erhält.“

Zahlen – Daten – Fakten

  • 13.454 Menschen erkrankten 2022 in Deutschland neu an Leukämien. Die Inzidenzrate ist bei Männern höher als bei Frauen.1 
  • 38% aller Leukämiefälle entfielen 2022 in Deutschland auf die chronische lymphatische Leukämie (CLL). Sie ist die häufigste Form der Leukämien.1 
  • Die 4häufigsten Formen von Leukämien sind: 
    • akute lymphatische Leukämie (ALL) 
    • chronische lymphatische Leukämie (CLL) 
    • akute myeloische Leukämie (AML) 
    • chronische myeloische Leukämie (CML) 
    • Akute Formen haben bei Erwachsenen eine deutlich schlechtere Prognose.1
  • Über 100 verschiedene B-Zell-Lymphome gibt es laut WHO-Klassifikation neben der CLL. Für eine genaue pathologische Diagnostik ist deshalb Spezialwissen (Hämatopathologie) erforderlich.2 
  • 5 Referenzzentren für Hämatopathologie gibt es in Deutschland.3 
  • Die moderne Hämatopathologie entstand in den 1970er Jahren maßgeblich durch bedeutende deutsche Beiträge. Insbesondere die Universität Kiel spielte hierbei eine Schlüsselrolle (Kiel-Klassifikation, Lymphknotenregister).3

25.01.2025

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