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News • Neuronale Netze gegen Blutkrebs
AML: Künstliche Intelligenz hilft bei Leukämie-Diagnose
Forschende am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und der TU Dresden haben erstmals ein auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Computersystem entwickelt, das bei der Erstdiagnose einer akuten myeloischen Leukämie (AML) hoch präzise unterstützen kann.
Darüber hinaus lässt sich damit in den allermeisten Fällen eine für die Erkrankung wichtige Mutation entdecken. Grundlage des Systems sind künstliche neuronale Netze, welche die Wissenschaftler mit digitalen Bilddaten von Knochenmarkausstrichen trainierten. Die KI-basierte Analysesoftware soll Ärzte künftig bei der Diagnosestellung im medizinischen Alltag unterstützen. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachmagazin Leukemia veröffentlicht.
Unsere Arbeit zeigt, dass Künstliche Intelligenz in der Lage ist, die Experten bei ihrer schwierigen Aufgabe durch einen rein datenbasierten, objektiven Befund zu unterstützen
Martin Bornhäuser
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist die häufigste Form einer schnell fortschreitenden Blutkrebserkrankung in Deutschland. Unbehandelt führt sie unweigerlich zum Tod und selbst mit modernsten Therapien gelingt eine Heilung nur bei einer Minderheit der Betroffenen. Eine präzise Diagnostik und ein zeitnaher Beginn der bestmöglichen Therapie sind daher äußerst wichtig. Einen schnellen Überblick bei Verdacht auf eine AML bietet die Analyse eines Knochenmarkausstrichs. „Die Bewertung der mikroskopischen Bilder ist jedoch hoch komplex und bislang in hohem Maße von der Erfahrung des jeweiligen Arztes oder der Ärztin abhängig. Unsere Arbeit zeigt, dass Künstliche Intelligenz in der Lage ist, die Experten bei ihrer schwierigen Aufgabe durch einen rein datenbasierten, objektiven Befund zu unterstützen“, erklärt Prof. Martin Bornhäuser, Mitglied im geschäftsführenden Direktorium des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.
So haben Wissenschaftler am NCT/UCC, des Dresdner Uniklinikums, der TU Dresden und am Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum mit Unterstützung des Else Kröner Fresenius Zentrums (EKFZ) für Digitale Gesundheit erstmals ein KI-basiertes Computersystem entwickelt, das den Knochenmarkausstrich eines AML-Patienten mit über 95 Prozent Trennschärfe von der Probe eines gesunden Menschen unterscheiden kann. Die Forschenden nutzten hierfür künstliche neuronale Netze, die als Teilgebiet der künstlichen Intelligenz die Fähigkeit des Menschen nachahmen, anhand von Beispielen zu lernen. Für das Training der neuronalen Netze sind große Datenmengen nötig. Im vorliegenden Fall lernte das System anhand von digitalisierten Bilddaten von Knochenmarkausstrichen von 1.251 AML-Patienten und 236 gesunden Knochenmarkspendern zunächst Zellen zu erkennen und voneinander abzugrenzen. Über 90.000 Einzelzellen umrandeten Experten händisch als Grundlage für den maschinellen Lernprozess. Anschließend wurde der Computer darauf trainiert, verschiedene Zelltypen und -eigenschaften zu unterscheiden. „Künstliche neuronale Netze sind in der Lage, eine Vielzahl von Merkmalen sehr schnell zu analysieren und zu quantifizieren. Auf dieser Basis kann unser System sehr präzise Ausstriche von AML-Erkrankten und gesunden Probanden unterscheiden“, erklärt Dr. Karsten Wendt vom Institut für Software und Multimediatechnik der TU Dresden.
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Die Software ist zudem in der Lage, anhand äußerer Zellmerkmale eine bestimmte genetische Veränderung – eine Mutation des Gens Nucleosphosmin (NPM1) – mit einer Genauigkeit von über 85 Prozent zu erkennen. Die bei rund einem Viertel der erwachsenen AML-Patienten vorliegende Mutation ist mit einer vergleichsweise guten Prognose verbunden und wichtig für die Auswahl der geeigneten Therapie. „Wir konnten zeigen, dass die KI-basierte Analysesoftware für das Erkennen der Mutation bislang unbekannte morphologische Merkmale nutzt, die auch Hinweise auf noch unerforschte Zusammenhänge in der Zellbiologie bieten“, sagt Co-Projektleiter Dr. Jan-Niklas Eckardt. Trotz der hervorragenden Ergebnisse soll das System die Einschätzung durch Spezialisten in Zukunft nicht ersetzen, sondern diese bei einer schnellen Erstdiagnose sinnvoll unterstützen. Auch zusätzliche zeitintensivere Verfahren wie die genetische Analyse bleiben künftig bei der abschließenden Diagnose einer AML unerlässlich.
Um die neu entwickelte Softwarelösung nutzen zu können, müssen Labortechniker oder Ärzte lediglich relevante Bildbereiche aus den Knochenmarkausstrichen auswählen und diese in digitalisierter Form in das System einspeisen. „Alle weiteren Analyseschritte wie die Kategorisierung und das Auszählen von Zellen, die in den vergangenen 50 Jahren per Hand vorgenommen wurden, erfolgen voll automatisch“, erklärt Dr. Jan Moritz Middeke, gemeinsam mit Dr. Karsten Wendt Leiter der Arbeitsgruppe. Der technologische Ansatz ist für viele weitere bildbasierte Untersuchungsmethoden anwendbar und soll intensiv ausgebaut werden.
Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden
28.09.2021