Artikel • Urogenitale Ursachen
Akutes Abdomen: Schnelligkeit und Vorwissen sind (fast) alles
Viele mögliche Ursachen, wenig Zeit: Kommt ein Patient mit der Diagnose ‚akutes Abdomen‘ in die Klinik, muss es schnell gehen. Univ.-Prof. Dr. Gerald Antoch bringt einige wertvolle Praxistipps zur urogenitalen Akutversorgung von Bauchschmerzen mit zum CT-Symposium.
Bericht: Daniela Zimmermann
Der Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf gibt in Garmisch eine Übersicht über die wichtigsten Ursachen und ihre Therapieoptionen.
Klinisch tätige Radiologen werden regelmäßig mit der Zuweiserdiagnose ‚unklare Bauchschmerzen‘ oder ‚akutes Abdomen‘ konfrontiert. Wenn ein solcher Patient in die Klinik kommt, gibt es eine ganze Reihe möglicher Auslöser, die rasch abgeklärt werden müssen. „Mögliche Ursachen für den akuten Bauch finden sich u.a. im urogenitalen System.“ Zwei Auslöser sollten in diesem Kontext ganz oben auf der Checkliste stehen, erklärt Antoch: „Zu den häufigsten Ursachen zählen Nieren- und Harnleitersteine. Der meist in der Flanke lokalisierte Schmerz entsteht, wenn der abgehende Stein den Harnleiter verstopft und es dadurch zu Harnableitungsstörungen kommt.“ Neben diesen Konkrementen zählt die Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) zu den häufigen urogenitalen Ursachen akuter Bauch- bzw. Flankenschmerzen.
Alter und Geschlecht engen das Diagnosefenster ein
Grundsätzlich ist die Patientengruppe beim akuten Abdomen recht heterogen; so gut wie alle Altersgruppen sind vertreten. Nieren- und Harnleitersteine finden sich typischerweise in einem Alter zwischen 30 und 60 Jahren bei Bevorzugung des männlichen Geschlechts. „Entzündungen des Nierenbeckens entstehen dagegen häufig durch aszendierende Infektionen im Rahmen einer Zystitis oder auf dem Boden urogenitaler Fehlbildungen und sind daher oft auch bei jungen Patientinnen und Patienten anzutreffen“, so der Radiologe.
Weitere wichtige Gründe für akute Bauchschmerzen finden sich bei urogenitalen Erkrankungen des Beckens. Neben der Zystitis sind Erkrankungen der Ovarien und Adnexen bei Frauen mögliche Ursachen für starke Abdominalschmerzen. Seltener kann eine extrauterine Schwangerschaft der Auslöser sein oder – bei Männern – eine schwere Prostatitis.
Wie in fast allen Akutsituation kommt es bei der Bildgebung in erster Linie auf Schnelligkeit an – die Computertomographie ist damit nach der Ultraschalluntersuchung die erste Wahl. „In bestimmten Fällen – etwa bei einer schwangeren Patientin – sollte man allerdings auf die MRT ausweichen, um die Strahlenexposition zu vermeiden.“ Während Harnleiter- und Nierensteine bereits im nativen CT-Bild meist gut zu erkennen sind, bedarf es bei Entzündungen der Hilfe von Kontrastmittel. „In unklaren Fällen wird also zunächst ein natives CT gefahren, um Nieren- und Harnleitersteine auszuschließen. Sofern keine Konkremente gefunden werden, wird die Untersuchung ggf. zur weiteren Abklärung mit Kontrastmittelgabe ergänzt.“
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„US first“, diese Worte kamen auf dem ECR in Wien nicht von Donald Trump, sondern fielen auf einer Session, auf der Experten über die Vorzüge des Ultraschalls bei akuten abdominellen Schmerzen sprachen. „Nein, CT muss es sein“, hielten andere entgegen – es war der Beginn einer ebenso kurzweiligen wie aufschlussreichen Diskussionsrunde, bei der beide Seiten dazulernen konnten.
Hilfreiche Abkürzungen und der Blick für das Besondere
Als Praxistipp rät Antoch, sich mit den typischen Alters- und Geschlechtsprofilen der jeweiligen Ursachen vertraut zu machen. „So lässt sich per Differentialdiagnose schnell der Auslöser mit der höchsten Wahrscheinlichkeit bestimmen und das Untersuchungsprotokoll entsprechend anpassen“. Auch die Lokalisation des Schmerzreizes gibt wertvolle Hinweise: „Wenn der Patient Schmerzen in der Flanke hat, deutet das entweder auf einen Nieren-/Harnleiterstein oder eine Nierenbeckenentzündung hin. Klagt eine jüngere Patientin über Schmerzen mit Schwerpunkt im Unterbauch, so ist – neben nicht-urogenitalen Ursachen, wie der Appendizitis – eine Erkrankung der urogenitalen Beckenorgane wahrscheinlich.“
Man sollte nicht zu sehr in festen Bahnen denken
Gerald Antoch
Obwohl Alter und Geschlecht nützliche Shortcuts sind – allzu leicht sollte man es sich bei der Differentialdiagnose trotzdem nicht machen: „Das ist ein extrem weites Feld“, mahnt Antoch. Entsprechend vielfältig sind die möglichen Ursachen für akute Bauchschmerzen. So sind die Appendizitis, eine Colitis, eine Entzündung des Dünndarms, vaskuläre Erkrankungen der inneren Organe oder unfallbedingte Traumata nur einige der weiteren Differentialdiagnosen für akute Bauchschmerzen. „Man sollte also nicht zu sehr in festen Bahnen denken“, rät der Experte abschließend.
Profil:
Prof. Dr. Gerald Antoch ist Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft 2019 - 2021. Zu seinen fachlichen Schwerpunkten gehören die onkologische Bildgebung sowie die interventionelle Tumortherapie.
Veranstaltungshinweis:
Freitag, 24.01.2020, 14:00 - 14:20 Uhr:
Urogenitale Ursachen des akuten Abdomens
Professor Gerald Antoch (Düsseldorf)
Session: Akutes Abdomen
24.01.2020