Artikel • Neuroradiologie
Trauma, Tempo, Technik – CT mit Köpfchen
Die CT-Bildgebung ist bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma in der Notaufnahme fest etabliert, kein anderes Verfahren liefert in so kurzer Zeit so viele wichtige Informationen. Für die präzise Diagnostik ist es für den Radiologen aber mindestens genauso wichtig zu wissen, was in der Kopf-CT nicht zu sehen ist.
Bericht: Wolfgang Behrends
Dr. Robert Forbrig, Oberarzt am Institut für Neuroradiologie des Universitätsklinikums LMU München, spricht auf dem CT-Symposium in Garmisch über Stärken und Schwächen der Computertomographie im Trauma-Setting und erklärt, wie man durch Vorbereitung und Vorwissen böse Überraschungen vermeidet.
Wenn es schnell gehen muss, spielt die CT-Bildgebung ihre Stärken voll aus: Die Scanner sind vergleichsweise kostengünstig, weit verbreitet und leicht verfügbar. Und sie arbeiten rasant: in Sekundenschnelle liefert eine Aufnahme Einblicke in den Patienten und seine Pathologie – und damit wertvolles Wissen, denn „bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma geht es primär darum, Blutungen und Frakturen zu identifizieren, damit der Operateur sofort reagieren kann“, erklärt Forbrig.
Ein Fenster zum Bruch, ein anderes zur Blutung
Damit nicht schon an diesem Punkt wichtige Informationen fehlen, ist die Wahl der Fensterung – also die Zuweisung der erfassten Dichtewerte zu Grauwerten im CT-Bild – von Bedeutung: „Im Knochenfenster lassen sich selbst subtile Frakturen erkennen, die im Weichteilfenster leicht übersehen werden.“ Zudem müssen heikle Areale wie die Schädelbasis möglichst dünnschichtig dargestellt werden, damit die Knochenstruktur ausreichend detailliert zu sehen ist. „Hier muss man sehr genau hinsehen, denn die Schädelbasis verursacht oft streifenförmige Artefakte, die Blutungen vortäuschen oder verdecken können.“
Besonderes Feingefühl ist auch bei der Darstellung von Blutungen gefragt – denn je nachdem, ob eine epidurale, subdurale oder subarachnoidale Blutung vorliegt, liefert eine andere Fensterung die besten Ergebnisse: „Hier sollte man sich die Zeit nehmen, sowohl die Weichteil- als auch die Blutungsfenster genauer in Augenschein zu nehmen“, rät Forbrig. „Gerade schmale Blutungen, die nahe am Knochen liegen, etwa an der Frontobasis, werden leicht übersehen, wenn man das falsche Fenster wählt.“
Die folgenden Beispiele veranschaulichen die Bedeutung der richtigen Fensterung (Klicken zum Vergrößern):
Auch den Gegenschlag im Hinterkopf behalten
Bei einer Schädelbasisfraktur können auch wichtige Schlagadern betroffen sein. Werden diese durch eine Fraktur verletzt, kann das zum Schlaganfall, einem Gefäßverschluss oder Fisteln führen
Robert Forbrig
Außer den kritischen Strukturen im Kopf spielt auch die Art des Traumas eine wichtige Rolle für die Diagnostik. Ein typisches Beispiel ist der Coup-Contre-coup-Mechanismus (Schlag/Gegenschlag), erklärt Forbrig: „Bei einem heftigen frontalen Aufprall erleidet das Gehirn nicht nur an der Vorderseite Schaden, sondern auch auf der Rückseite, weil das Hirn durch die entstehenden Kräfte im Schädel hin und her ‚schwappt‘.“ Radiologen, die um diesen Mechanismus wissen, können also gezielt nach der sogenannten Dezelerationsblutung am Hinterkopf suchen.
Bei schweren Kopftraumata sollten auch die Schlagadern und Venen unter die Lupe genommen werden. Forbrig rät in diesen Fällen, zwei CT-Scans durchzuführen – nativ und kontrastverstärkt. „Bei einer Schädelbasisfraktur können auch wichtige Schlagadern betroffen sein. Werden diese durch eine Fraktur verletzt, kann das zum Schlaganfall, einem Gefäßverschluss oder Fisteln führen.“
Den Blick für das Okkulte schärfen
Einige Folgen von Traumata treten nicht akut auf, sondern zeigen sich erst einige Zeit später. Kleine Blutungen wachsen über Stunden unentdeckt an und nehmen lebensgefährliche Ausmaße an. Hier stößt die CT-Bildgebung an ihre Grenzen, mahnt der Experte und führt als Beispiel axonale Scherverletzungen an: „Bei manchen Stürzen entstehen kleinste Verletzungen der weißen Hirnsubstanz oder an der Wirbelsäule. Diese okkulten Folgen sind im CT häufig nicht zu erkennen.“ Die Computertomographie deckt also vor allem die Akutdiagnostik ab, darüber hinaus sind andere Modalitäten gefragt – allen voran die Magnetresonanztomographie. „Das MRT-Bild liefert den deutlich besseren Weichteilkontrast und damit weitere Informationen zum Verlauf, die für die Prognose des Patienten wichtig sind.“
Für die Initialdiagnostik bei Notfällen ist die MRT-Bildgebung eher ungeeignet – die Untersuchung dauert zu lange, zudem tragen viele Traumapatienten bereits metallische Utensilien zur Stabilisierung. „Das Akutsetting ist die Domäne der CT“, betont Forbrig. „Sie erfasst unmittelbar lebensgefährdende Befunde wie raumfordernde Blutungen im Kopf, die sofort versorgt werden müssen. Die MRT lässt sich erst später sinnvoll einsetzen, um spezielle Fragestellungen im weiteren Verlauf abzuklären.“
Schnell und essentiell – aber kein Alleskönner
„Die CT ist für die Akutdiagnostik essentiell“, fasst der Radiologe zusammen. „Sie zeigt große Blutungen, Infarkte, Frakturen – alles, was für eine Notfallversorgung wichtig ist. Auch für die Verlaufsdiagnostik ist sie sehr gut geeignet; moderne CT-Scanner setzen den Patienten bei Hirnaufnahmen nur geringer Strahlenbelastung aus, so dass auch wiederholte Untersuchungen gut toleriert werden.“
Bitte merken, dass die CT nicht alles sieht, sondern nur die Spitze des Eisbergs
Robert Forbrig
Weiterentwicklungen der CT-Technik wie die iterative Bildrekonstruktion oder automatische Anpassung von Röhrenspannung und Röhrenstrom verbessern zwar die Qualität der Aufnahmen – für manche Pathologien sind aber weiterhin andere Modalitäten die bessere Wahl: „Okkulte Veränderungen wie diffuse axonale Traumata werden der MRT vorbehalten bleiben. Hier entstehen Schäden an den Nervenfasern, die sich im CT niemals darstellen lassen.“ Aus diesem Grund ist auch die CT-Aufnahme als alleinige Grundlage für eine Patientenprognose ungeeignet, denn oft zeigen sich erst im MRT-Bild verborgene Verletzungen, die sich im Verlauf gravierend auswirken können. „Deshalb bitte merken, dass die CT nicht alles sieht, sondern nur die Spitze des Eisbergs“, so Forbrig abschließend.
Profil:
Dr. Robert Forbrig ist Oberarzt am Institut für Neuroradiologie des Universitätsklinikums der LMU München. Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen die interventionelle Neuroradiologie (Schlaganfall und Aneurysma), hirneigene Tumoren und der Strahlenschutz. Überdies hat der Neuroradiologe ein besonderes Interesse an der Bildgebung des Schädels in der Akutdiagnostik. Dr. Forbrig hat bereits an mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichungen mitgewirkt, bei einigen davon als Erstautor. Er ist Mitglied verschiedener Fachgesellschaften, darunter der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR).
Veranstaltungshinweis:
Samstag, 25.01.2020, 8.30-8.50 Uhr
Easily missed pathologies in trauma head CT
Dr. Robert Forbrig (München)
Session: Schockraum
25.01.2020