radiologist monitoring the examination

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Artikel • Künstliche Intelligenz

Mensch-Maschine-Kollaborationen sind ein Gewinn

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenzen (KI) hat in letzter Zeit einen enormen Hype ausgelöst. In die anfänglich ehrfürchtigen Stimmen mischen sich nun zunehmend auch sorgenvolle, die vor den Auswirkungen auf das Gesundheitswesen warnen. Insbesondere für die Radiologie werden häufiger Zukunftsszenarien an die Wand gemalt, die vorhersehen, dass KIs den menschlichen Radiologen ersetzen. Ein Szenario, das Dr. Felix Nensa, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie an der Universität Essen, zumindest für die nahe Zukunft nicht sieht. „Künstliche Intelligenzen werden die Radiologen nicht ersetzen. Vielmehr werden Radiologen, die KI einsetzen, solche Radiologen ersetzen, die KI nicht einsetzen.“

Bericht: Sascha Keutel

Deep Learning als eine Methode der KI entwickelt sich schnell und ist inzwischen eine viel bessere Technik als frühere Ansätze zur medizinischen Bildanalyse. Sie ist damit für die Radiologie unverzichtbar. Doch es wird sich immer besorgter über den Einsatz von KI in der Medizin geäußert. Häufig wird gefragt, ob wir Angst vor KI haben müssen. „Wer ist eigentlich ‚wir‘?“, möchte Nensa dazu wissen und verweist darauf, dass die Nutzung von KI die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen unterschiedlich beeinflussen würde.

Dr. Felix Nensa, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle...
Dr. Felix Nensa, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie an der Universität Essen.

Quelle: Universität Essen

Kombination von Mensch und Maschine

„Natürlich wird sich die Arbeit des Radiologen verändern. KIs werden definitiv Teil unserer täglichen Routine werden."

Dr. Felix Nensa

In der Radiologie sind die Datenmengen, insbesondere bei den Schichtbilduntersuchungen, in den letzten Jahren explodiert. Radiologische Einrichtungen würden enorm von Systemen profitieren, die diese Schichtbilder schnell lesen und interpretieren können. „Radiologen sind vergleichsweise teure Spezialkräfte, aber letztlich auch nur Menschen. Eine KI, die den Radiologen von ermüdenden Routinetätigkeiten wie z.B. dem Zählen und Vermessen von Metastasen entlasten und/oder die diagnostische Genauigkeit solcher Tätigkeiten verbessern könnte, würde letztendlich dem Patienten zu Gute kommen“, erklärt der Radiologe und ergänzt: „ Für uns als Gesellschaft wäre das ein großer Erfolg, weil es eine bessere und vielleicht auch preisgünstigere Medizin zur Folge hätte.“

Allerdings geht das nur mit Medizinern, die die Entwicklungen und die Einführung von KI im Alltag nicht ablehnen, weil sie ihren Job in Gefahr sehen. „Natürlich wird sich die Arbeit des Radiologen verändern. KIs werden definitiv Teil unserer täglichen Routine werden, wenn es darum geht, einfachere Fälle zu diagnostizieren und wiederholende Aufgaben zu übernehmen“, so Nensa. Doch dies sei kein Grund sich bedroht zu fühlen, denn schließlich umfasse die Tätigkeit des Radiologen mehr als nur die Bildinterpretation. Radiologen sitzen in Tumorboards, therapieren Krankheiten (z. B. durch lokale Ablationstherapien und Interventionelle Radiologie), erarbeiten aus der Bildgebung in Kombination mit der Krankengeschichte des Patienten Befunde und führen Patientengespräche. „Das sind alles Aktivitäten, die nicht so einfach automatisiert werden können. Daher müssen sich Radiologen, aber auch Fachärzte aus anderen Bereichen in den kommenden Jahrzehnten keine Sorge um ihren Arbeitsplatz machen.“

Hand aufs Herz: Wer würde sich in ein Flugzeug ohne Pilot setzen?
Hand aufs Herz: Wer würde sich in ein Flugzeug ohne Pilot setzen?

KI ist hilfreich bei Vorgängen, die sie gelernt und tausendfach simuliert hat. Doch sobald etwas Unerwartetes passiert, ist es keinesfalls sicher, dass die KI die richtige Entscheidung trifft.

Nensa vergleicht die Situation mit der des Autopiloten in der Luftfahrt. Diese Innovation hat die menschlichen Piloten nicht ersetzt, sie hat deren Aufgaben aber erweitert. Bei entsprechend ausgestatteten Flughäfen könnten Flugzeuge heutzutage eigenständig Starten und Landen. „Aber Hand aufs Herz: Wer würde sich in ein Flugzeug ohne Pilot setzen?“, fragt Nensa und ergänzt: „KI ist hilfreich bei Vorgängen, die sie gelernt und tausendfach simuliert hat. Doch sobald etwas Unerwartetes passiert, ist es keinesfalls sicher, dass die KI die richtige Entscheidung trifft. Denken wir an den Piloten, der vor Jahren ein Flugzeug auf dem Hudson River gelandet hat. Hätte das der Autopilot hinbekommen? Sicherlich nicht!“, ist Nensa überzeugt.

Und wie wird sich die Nutzung von KI auf Diagnose, Behandlung und Arbeitsablauf auswirken? „Ich könnte mir vorstellen, dass die diagnostischen Fächer mittelfristig zusammenrücken werden. Bereits in der Vergangenheit wurde der Wandel des Radiologen und Pathologen zum Informationsspezialisten vorhergesagt.1 Hinzukommen werden da noch der Labor-  und der Nuklearmediziner, soweit sie diagnostisch tätig sind. Dieser ‚clinical information specialist‘ wird für die Diagnostik von Patienten zuständig sein und dabei all diese Fachbereiche umfassen. Folglich wird es andere Mediziner geben, die den Patienten therapieren.“

Das Curriculum muss sich anpassen

Es gibt viele Diskussionen über die Rolle von  KI-Instrumenten in der Radiologie –  einschließlich der Proklamationen von Geoffrey Hinton aus 2016, dass die Ausbildung von Radiologen sofort eingestellt werden sollte.2 „Dem widerspreche ich vehement. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir in 20213 sogar noch mehr Radiologen benötigen, als wir jetzt ausbilden.“ Dennoch mahnt Nensa Änderungen im Curriculum an. „Neue Trainingsprogramme müssen Medizinstudenten und angehende Fachärzte auf diese Realität vorbereiten und ihnen zeigen, wie intelligente Werkzeuge funktionieren, wie sie ihnen helfen können ihre Praxis zu verbessern und wie sie diese Anwendungen effektiv überwachen.“

Profil:
Priv.-Doz. Dr. Felix Nensa ist Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie an der Universität Essen. Parallel zu seinem Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum begann, studierte Nensa zunächst Informatik im Fernstudium. Bereits direkt nach dem Abitur begann er seine Mitarbeit als freiberuflicher Softwareentwickler am Research Institute for Diagnosis and Treatment of Early Lung Cancer am Augusta Krankenhaus Bochum, wo er unter anderem eine neue Diagnose-Software für die automatische Sputum-Zytometrie programmierte.


[1] Jha S, Topol EJ. Adapting to Artificial IntelligenceRadiologists and Pathologists as Information Specialists. JAMA. 2016;316(22):2353–2354. doi:10.1001/jama.2016.17438.

[2] https://www.youtube.com/watch?v=2HMPRXstSvQ#learn_the_details.

[3] Hier würde eine in 2016 gestartete Facharztausbildung zum Radiologen enden.

17.04.2018

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