Artikel • KI mit Struktur
Machine Learning: Der Griff in die Gemüsekiste
Einheitliche und gut strukturierte Daten sowie die Definition einer klaren Aufgabe sind unabdingbare Voraussetzungen für die Implementierung von Künstlicher Intelligenz in die klinischen Abläufe.
Bericht: Michael Krassnitzer
„Frage nicht was Künstliche Intelligenz für dich tun kann, sondern was du für Künstliche Intelligenz tun kannst!“: Diese Abwandlung des bekannten Spruches von John F. Kennedy formuliert Dr. Ben Glocker, Senior Lecturer auf dem Gebiet Medical Image Computing am Imperial College London. Anlass war ein Vortrag des Computerwissenschaftlers auf dem Europäischen Radiologen-Kongress (ECR 2018), der sich mit der Frage beschäftigte, wie maschinelles Lernen in die Routine der medizinischen Bildanalyse implementiert werden kann.
Künstliche Intelligenz (KI) ist eines der prägenden Themen dieses Kongresses, der noch bis Sonntag läuft. Dazu gehören auch maschinelles Lernen (machine learning) und dessen auf sogenannten Neuronalen Netzwerken basierender Teilbereich „Deep Learning“. Dabei lernt ein künstliches System aus Beispielen und erkennt darin selbstständig Muster und Gesetzmäßigkeiten. In der Bildgebung gibt es bereits zahlreiche Anwendungen, die darauf beruhen, etwa die Bildsegmentierung, bei der ein Algorithmus bestimmte anatomische oder pathologische Strukturen exakt von ihrer Umgebung abgrenzt (z.B. gesundes Hirngewebe von Tumorgewebe in Schädel-Magnetresonanztomografien oder Organe in Ganzkörper-Magnetresonanztomografien). Maschinelles Lernen ermöglicht auch, neue Krankheitsmuster zu erkennen, klinisch nutzbare Informationen aus mehrdimensionalen, multimodalen Bilddaten zu extrahieren, die ansonsten verborgen blieben.
„Es handelt sich im Grunde um eine mathematische Funktion“, erklärt Glocker das maschinelle Lernen: „Diese Funktion ist ziemlich komplex und wir können auch nicht sagen wie sie genau aussieht, aber sie hat wie jede Funktion einen Input und einen Output.“ Glaubt man dem in England wirkenden deutschen Computerwissenschaftler, so herrschen in Bezug auf den notwendigen Input oftmals irreführende Vorstellungen: „Der Ansatz: ,Wir haben eine große Menge von Daten und machen nun mittels maschinellem Lernen irgendetwas daraus‘ ist nicht der allerbeste Ausgangspunkt.“ Glockers erster Ratschlag lautet daher: Wenn man maschinelles Lernen erfolgreich anwenden will, braucht man zunächst ein klar umrissenes Ziel. „Maschinelles Lernen ist immer auf eine ganz spezifische Aufgabe zugeschnitten“, betont er.
Maschinelles Lernen kann erst dann beginnen, wenn die Daten brauchbar sind und eine spezifische Aufgabe festgelegt wurde
Ben Glocker
Was der Anwendung von Maschinellem Lernen auch oft entgegensteht, ist die Qualität der Daten. Glocker musste schon oft erleben, dass ihm seitens der Kliniker homogene Datensätze für entsprechende Projekte versprochen wurden, stattdessen aber erhielt er eine Menge an unterschiedlichen, nicht ausreichend strukturierten Daten. Er zieht einen Vergleich mit Kürbissen: „Wir erwarten eine Kiste voll mit gleich großem, gleich geformtem und gleichfarbigem Gemüse, aber wir bekommen eine Ladung unterschiedlich großer Kürbisse verschiedener Sorten.“ Um Daten für maschinelles Lernen nutzen zu können, müssen diese nicht nur korrekt und gekennzeichnet, sondern auf jeden Fall auch einheitlich und einheitlich gekennzeichnet sein.
„Maschinelles Lernen kann erst dann beginnen, wenn die Daten brauchbar sind und eine spezifische Aufgabe festgelegt wurde“, fasst Glocker zusammen. Zur Entwicklung einer KI-Anwendung bedürfe es darüber hinaus der für die Anwendung relevanten medizinischen Fachexpertise: „Die Experten müssen in allen Stadien der Entwicklung miteinbezogen werden“, unterstreicht der Computerwissenschaftler, Informatiker und Mediziner müssten in interdisziplinären Teams zusammenarbeiten. Und noch einen wichtigen Ratschlag hat auf Lager: „KI-Anwendungen müssen nahtlos in die klinischen Abläufe integriert werden.“
Session: Ben Glocker, Machine learning for analysing medical images, ECR 2018
03.03.2018