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20 Jahre CT-Symposium – woher wir kommen, wohin wir gehen

Vom Arbeitspferd der Bildgebung zum Wegbereiter Aufsehen erregender Innovationen – die Computertomographie hat seit ihrer Einführung in der Medizin eine beachtliche Entwicklung durchgemacht. Das Internationale CT-Symposium, das in diesem Jahr zum 10. Mal stattfindet, begleitet die Evolution der CT seit 20 Jahren. Prof. Dr. Maximilian Reiser, einer der beiden Kongresspräsidenten, spricht über die Meilensteine der Technik, das Zusammenfinden von Radiologie und anderen Fachgebieten sowie die Zukunft der Computertomographie.

Interview: Daniela Zimmermann

Herr Professor Reiser, Sie sind seit der Gründung Kongresspräsident. Wo liegen die Wurzeln des CT-Symposiums in Garmisch?

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Prof. Dr. Maximilian Reiser

Maximilian Reiser: Wir haben das Symposium ins Leben gerufen, als die ersten Mehrschicht-CTs neue Spannung in das Verfahren brachten. Wir hatten das Glück, frühzeitig mit dieser Technik arbeiten zu können. Das erste System – damals noch ein Vierzeiler – veränderte den Blick auf die als langweiliges Arbeitspferd titulierte Computertomographie und eröffnete ganz neue Möglichkeiten. Zum einen wurde die diagnostische Leistungsfähigkeit der CT verbessert, zum anderen wuchs mit den zusätzlichen Anwendungsmöglichkeiten auch das Interesse der Wissenschaftler. Dieser Entwicklung wollten wir mit dem Symposium Rechnung tragen. Im ersten Jahr hatten wir etwa 250 Teilnehmer, beim zweiten Kongress bereits 400. Zu dieser Zeit wurde der bisherige Standort in Starnberg zu klein, so dass wir nach Garmisch umzogen, wo bereits das MR-Symposium beheimatet war. Seitdem finden die beiden Kongresse – CT und MR – im jährlichen Wechsel dort statt. Inzwischen zählt das CT-Symposium 1.200 Teilnehmer. Einen großen Anteil an diesem Erfolg hatte auch Prof. Gary Glazer, der ehemalige Leiter der Radiologie an der Stanford University, der leider viel zu früh verstorben ist. Er war maßgeblich am Aufbau der Veranstaltung beteiligt. In diesem Jahr wird in seinem Andenken erstmals der Gary-Glazer-Preis verliehen.

Welches waren aus Ihrer Sicht die bedeutendsten Entwicklungen in diesen 20 Jahren?

Parallel zu den technischen Weiterentwicklungen haben sich auch die klinischen Anwendungsbereiche der CT erweitert. So war das Herz lange Zeit der heilige Gral der Radiologen: Es vollführt kontinuierlich schnelle Bewegungen in verschiedenen Raumebenen und einige der wichtigsten Strukturen – insbesondere die Koronararterien – sind vergleichsweise klein. Diese Voraussetzungen stellen maximale Anforderungen an jedes bildgebende System. Durch immer schnellere Rotationszeiten und die steigende Zahl gleichzeitig aufgezeichneter Schichten wurde die Untersuchung des Herzens im CT in einer reproduzierbaren guten Qualität möglich. Weitere Bereiche, die auf diesem Wege gemeistert wurden, sind unter anderem die onkologische Bildgebung, die Notfallradiologie sowie die Darstellung der Lunge. Eine wichtige Rolle hat die CT auch im Bereich der funktionellen Bildgebung eingenommen. Die schnellere Schichtung ermöglicht etwa die Darstellung der Perfusion im Gehirn, was bei Schlaganfällen eine große Rolle spielt.

Ein wichtiger Schritt ist sicherlich auch die Hybridbildgebung, also die Verbindung von PET und CT. Welche Auswirkungen hatte die Einführung dieser Technik auf das Symposium?

Die Hybridbildgebung war seit ihrer Entwicklung immer auch ein Thema bei uns. Besonders faszinierend ist die Kombination aus der molekularen Information der PET mit der sehr genauen morphologischen Information der CT. Aus fachlicher Sicht brachte diese Technik die Nuklearmediziner und Radiologen näher zusammen, aus deren gemeinsamem Know-How ein Mehrwert entsteht.

Gab es dabei auch Differenzen zwischen den Fachbereichen darüber, wer Herr des Verfahrens ist?

Die molekulare Bildgebung muss in die Weiterbildung integriert werden, so dass beide Fachgebiete gut vorbereitet sind

Maximilian Reiser

Durchaus. Gerade in der Anfangszeit war das eine sehr kontrovers geführte Debatte. Seinerzeit entwickelten die Europäischen Gesellschaften für Radiologie (ESR) und Nuklearmedizin (EANM) gemeinsam ein Curriculum für die Hybridbildgebung. Diese Verhandlungen verliefen lange Zeit sehr schwierig, führten letztlich aber doch zu einem guten Ergebnis. Dieser Konsens breitete sich bis auf die lokale Ebene aus, so dass die Fachbereiche zusammenfanden. Im Fokus steht dabei natürlich der Patient, der die bestmögliche Behandlung erhalten soll. Aus Sicht der jungen Radiologen und Nuklearmediziner hat die Zusammenarbeit zu einem verstärkten Interesse am jeweils anderen Fachgebiet geführt. Dieses Interesse gilt es durch regen Austausch zu fördern und den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Kompetenzen in zusätzlichen Bereichen zu erwerben. Das steigert letztlich auch die Attraktivität der Ausbildungsstellen und erleichtert es den Abteilungen, gute Mitarbeiter zu gewinnen. In diesem Zusammenhang spielt vor allem die molekulare Bildgebung eine wichtige Rolle. Diese muss in die Weiterbildung integriert werden, so dass beide Fachgebiete gut vorbereitet sind.

Ist damit die Vergangenheitsbewältigung in der Radiologie abgeschlossen?

Nicht ganz. Zu erwähnen wäre auf jeden Fall noch das Thema der Strahlenbelastung. Die bereits angesprochene technische Weiterentwicklung der CT hat zwar zu immer besseren diagnostischen Ergebnissen geführt, aber auch dazu, dass immer mehr Menschen ionisierenden Strahlen ausgesetzt wurden. Daher wurden intensivste Anstrengungen unternommen, um die Strahlungsexposition zu reduzieren. Ein Quantensprung war die Einführung der iterativen Rekonstruktion, die zu einer erheblichen Verringerung der Strahlenexposition pro Untersuchung geführt hat. Als anderer methodischer Meilenstein ist das Dual-Energy-Verfahren zu nennen, das zudem neue Optionen zur Charakterisierung von Krankheiten eröffnet. Als Beispiel sei hierbei die Visualisierung der Harnsäurekristalle bei Gicht und die Differenzierung unterschiedlicher Nierensteine genannt.

Wie sieht die Zukunft der Computertomographie aus?

Ihre Weiterentwicklung wird sich auf mehreren Ebenen abspielen. Zum einen wird die funktionelle Charakterisierung weiter voranschreiten, etwa bei der CT-gestützten Bestimmung der Durchblutungsreserve des Herzens (FFR). Zum anderen wird die Photon-Counting-CT eine zunehmende Rolle spielen, die eine noch genauere Charakterisierung sowie bessere räumliche Auflösung ermöglicht. Natürlich wird auch die Strahlenexposition weiterhin ein Thema sein, ebenso wie die Einbindung von Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (AI). Schon jetzt zeigt sich, dass die AI-Auswertung von CT-Datensätzen zu genaueren prognostischen Aussagen führt. Das Zauberwort ist hier die „Präzisionsmedizin“, also die auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlung, zu der von der AI-Anwendung ein wesentlicher Beitrag erwartet wird (Die richtige Therapie für den richtigen Patienten zur richtigen Zeit).

Bedeutet das eine zusätzliche Unabhängigkeit von Biomarkern im Blut, anderen Körperflüssigkeiten oder Gewebeproben?

Von manchen Fachleuten wird befürchtet, dass durch die Liquid Biopsy radiologische Untersuchungen in größerem Umfang überflüssig werden - eine Befürchtung, die ich nicht teile.

Maximilian Reiser

Ich denke, die Entwicklung wird komplementär sein. Der Forschungsbedarf in diesem Bereich ist riesig – die Liquid Biopsy, also die Erkennung von Markern in Blut und anderen Körperflüssigkeiten, wird man mit den Ergebnissen von Radiomics-Analysen vergleichen und korrelieren müssen. Möglicherweise ergeben sich daraus ganz neue Konstellationen, um ein Krankheitsgeschehen genau zu identifizieren. Sollten sich die Erwartungen, die an die Liquid Biopsy geknüpft werden, erfüllen, könnten die bildgebenden Verfahren in Zukunft möglicherweise zielgerichteter durchgeführt werden als bisher. Von manchen Fachleuten wird befürchtet, dass dadurch radiologische Untersuchungen in größerem Umfang überflüssig werden - eine Befürchtung, die ich nicht teile.

Diese Fragen werden voraussichtlich insbesondere Ihren Co-Präsidenten bei den künftigen Symposien stärker beschäftigen?

Davon ist auszugehen. Bereits bei diesem Symposium wird mein Nachfolger in der Radiologie der LMU, Prof. Jens Ricke, sich intensiv mit diesem Wettlauf, der zwischen den Liquid-Biopsy-Verfahren und Radiomics begonnen hat, beschäftigen und dazu einen Vortrag halten, auf den ich sehr gespannt bin.

Lassen Sie mich daher last but not least anmerken, dass ich mich sehr freue über das große Interesse, das er an dem Symposium und seiner Weiterentwicklung zeigt. Zusammen werden Prof. Ricke und ich an der Weiterentwicklung der Symposien arbeiten – in der bewährten Mischung aus praxisnaher Fortbildung, internationalen Highlights und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

15.01.2018

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