Artikel • Musterbeispiele

Durch strukturierte Befundung die Erkrankung "lesen lernen"

Die musterbasierte Befundung hilft bei der Differentialdiagnose interstitieller Lungenerkrankungen.

Bericht: Brigitte Dinkloh

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Zystische Muster bei einer Patientin mit Lymphangioleiomyomatose.

Gemeinsam mit Prof. Okka W. Hamer, Leiterin der kardiopulmonalen Bildgebung am Institut für Radiodiagnostik des Universitätsklinikums Regensburg, informiert Prof. Dr. Julien Dinkel, Leiter der thorakalen Bildgebung an der LMU München, am Freitagmorgen in der Session Lunge I die Zuhörer über Interstitielle Lungenerkrankungen. „Interstitielle Lungenerkrankungen sind häufig seltene Erkrankungen und ein komplexes Thema, das jeder Radiologe kennen sollte, weil er im Berufsalltag immer wieder damit konfrontiert werden kann und die Erkrankungen nicht ausschließlich in spezialisierten Zentren diagnostiziert werden“, erklärt der Münchener Oberarzt.

Eine gemeinsame Sprache sprechen

Potrait Prof Julien Dinkel
Prof. Dr. Julien Dinkel, Leiter der thorakalen Bildgebung an der LMU München.

In seinem Vortrag stellt Dinkel zunächst die wichtigsten Begriffe und Diagnosen vor, bevor sich Kollegin Hamer ausführlich den Differentialdiagnosen widmet. Denn für eine gute Diagnose, die auch von Pneumologen und Thoraxchirurgen verstanden wird, ist es wichtig, dass alle die gleiche Sprache sprechen. Die Fleischner Society publiziert und empfiehlt seit 1985 ein Glossar der thoraxradiologischer Begriffe. Die deutsche Übertragung dieses Glossars wurde 2015 veröffentlicht.

„Es sind relativ komplexe Zeichen, die für die strukturierte Befundung mit Muster erkannt werden müssen und für jedes einzelne gibt es eine bestimmte Terminologie, die benutzt werden muss, weil sonst der Pneumologe nicht versteht, was man gesehen hat. Aber nicht nur die Zeichen und die Pathologie müssen genau beschrieben werden, sondern auch die Lage des Befundes“, schildert Dinkel das Vorgehen nach der musterbasierten Befundung. Ausgehend von den USA, Frankreich und den Niederlanden wird dieses Verfahren zur Freude des Radiologen auch in Deutschland immer häufiger angewendet. Danach wird zwischen vier Mustern unterschieden: dem retikulären Muster, einem Netzwerk mit zu vielen Linien, dem (mikro-)nodulären Muster mit zu vielen Punkten, der milchglasartigen Verdichtung des Lungenparenchyms und dem zystischen Muster. „Nicht immer sind die Muster eindeutig zu erkennen, manchmal gibt es auch mehrere Muster nebeneinander, dann muss man sich für das Dominantere entscheiden. Dabei sollte das Muster nicht nur mit Blick auf die Lage innerhalb der Lunge, sondern auch hinsichtlich seiner Position im Sekundärlobulus beschrieben werden. Wichtig ist herauszufinden: befindet sich die Zeichnungsvermehrung an der Peripherie oder im Zentrum oder liegt eine Zufallsverteilung vor“, so der Thoraxspezialist. Der sekundäre Lobulus ist die kleinste, vollständig von Bindegewebe umgebene anatomische Struktur der Lunge. Die 1 bis 3 Zentimeter großen Strukturen können im CT mehr oder weniger gut identifiziert werden.

Für Anfänger ist die strukturierte Befundung mit Muster sicher am einfachsten; denn man macht wenig Fehler und kann am Ende eine gute Differentialdiagnose anbieten. Dinkel vergleicht das Vorgehen mit dem Erlernen des Lesens: „Zunächst ist man auf die Identifizierung der Buchstaben fixiert, aber nach einiger Zeit nimmt man nicht mehr die Buchstaben, sondern das Wort als einzelne Struktur wahr. Genauso verhält es sich bei der Diagnostik der interstitiellen Lungenerkrankungen. Erfahrene Kollegen müssen keine Muster mehr extrahieren, sie suchen sofort nach der Pathologie. Ohne die mikronoduläre Zeichnungsvermehrung zu analysieren, sehen sie, dass die Bronchien und Bronchiolen verdickt sind und folgern daraus z.B. eine Bronchiolitis.“

Konfluierende mikronoduläre milchglasartige Verdichtungen des Lungenparenchyms...
Konfluierende mikronoduläre milchglasartige Verdichtungen des Lungenparenchyms im Rahmen einer subakuten EAA (Exogen Allergische Alveolitis).

Austausch im ILD-Board

"Im Idealfall ist die Diagnose das Agreement zwischen allen beteiligten Fachgebieten."

Prof. Julien Dinkel

Insgesamt gibt es bei interstitiellen Lungenerkrankungen sehr viele Variablen und nur wenn alle integriert sind, kann eine gute Differentialdiagnose gestellt werden. Dabei hat die Radiologie nur einen Anteil von etwa 33 Prozent an der Diagnose. Deshalb sollten diese Erkrankungen am besten in einem interstitiellen Lungenboard (ILD-Board) besprochen und behandelt werden. „Die Pneumologen haben mit ihren unterschiedlichen Verfahren (Blut, Lungenfunktionsprüfung und gegebenenfalls Bronchoskopie) bereits viele Informationen und können damit schon eine gute Einordnung für die Pathologie leisten. Auch bei einer Biopsie ist der Pathologe involviert. Im Idealfall ist die Diagnose das Agreement zwischen allen beteiligten Fachgebieten. Können Pneumologen die radiologischen und pathologischen Ergebnisse in das klinische Bild integrieren, kommt es zu einer fantastischen Übereinstimmung. Deshalb macht das ILD-Board viel Sinn und anders als beim Tumorboard ist es nicht in erster Linie für die Therapie, sondern für die Diagnose da. Das ist sehr spannend“, stellt Prof. Dinkel klar.

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Retikuläre Muster mit zystischen Veränderungen (Honeycombing) bei einer idiopathischen Lungenfibrose (IPF).

Auch wenn die Radiologie nur einen kleinen Anteil an der richtigen Diagnose hat, so sollte diese natürlich korrekt sein. Dinkel empfiehlt eine HRCT in tiefer Einatmung, per Definition eine CT mit Dünnschichttechnik, bei der alles weniger oder gleich 1,5 mm akzeptiert wird. „Kontrastmittel hat sich als eher störend erwiesen und wird eher selten angewendet. Die Aufnahme in Ausatmung kann interessant sein und die HRCT ergänzen, wenn Erkrankungen der kleinsten Bronchiolen vermutet werden. In diesem Fall findet man ein sogenanntes Air-Trapping, das eine zusätzliche Information liefert. Um diese zu erhalten, reichen einige dezidierte Schichten in Ausatmung. In Deutschland kommt dieses Verfahren wohl aus Gründen der Strahlenhygiene selten zur Anwendung und wird auch in der Thorakalbildgebungs-Community kontrovers diskutiert.“


Profil:

Prof. Dr. Julien Dinkel hat Humanmedizin an der Universität Louis Pasteur in Straßburg studiert. Er promovierte 2010 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg mit dem Titel: „Four-dimensional multislice helical CT of the Lung: Qualitative comparison and reproducibility of small volumes in an ex vivo model.“ Der Facharzt für Radiologie hat seit Oktober 2014 die W2-Professur für thorakale Bildgebung im Rahmen des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) an der LMU München und ist Chefarzt der Radiologie in der Asklepios Lungenfachklinik Gauting sowie Oberarzt für thorakale Bildgebung in der Klinik von Prof. Ricke.


Veranstaltung:

Freitag, 19.01.2018, 

08:30-9:00 Uhr

Interstitielle Lungenerkrankungen: Muster & diagnostische Kriterien

Julien Dinkel, D-München

Session: Lunge I

15.01.2018

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