Artikel • Screening

Das Maß aller Studien zur Lunge

Weltweit beschäftigen sich Forscher mit der Frage, ob Lungenscreening die Mortalität bei Lungen- und Bronchialkarzinom senken kann. Der National Lung Screening Trial (NLST), dessen Ergebnisse 2011 im New England Journal veröffentlicht wurden, ist dabei nach wie vor die wichtigste Referenz.

Bericht: Brigitte Dinkloh

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Prof. Dr. Christian Herold ist Vorstand der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien.

Denn die amerikanische Studie konnte erstmals den positiven Nutzen eines Lungenscreenings mit Niedrig-Dosis-CT beweisen, da es gelang, die Mortalität bei der untersuchten Risikopopulation um 20 Prozent zu senken. Seit langer Zeit beschäftigt sich Prof. Dr. Christian Herold, Vorstand der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien, mit den aktuellen Forschungsergebnissen und würde die Einführung eines Screenings in Europa sehr begrüßen. Auch Herold unterstreicht die Bedeutung der Studie: „In Bezug auf die Senkung der Mortalität haben die Daten des NLST unverändert ein Alleinstellungsmerkmal. Die europäischen Studiendaten bringen einen Nutzen vor allem in Bezug auf die Methodik des Lungenscreenings, aber nicht im Hinblick auf die Verringerung der Sterblichkeit. Ihr Erkenntnisgewinn liegt beispielsweise in der Methodik, in der Auswahl der Untersuchungsparameter, bei den Screeningintervallen und auch der Festlegung der Dosis.“ Es hat sich gezeigt, dass das Volumen der gefundenen Herde ein wesentlich sensitiverer Parameter ist als der Durchmesser, der bislang herangezogen wurde. Das Volumen erlaubt es zu stratifizieren, welche Herde a priori die größeren Chancen haben, bösartig zu werden.

Gefahr durch zu viele invasive Maßnahmen

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CT-Aufnahme aus einem Lungenscreening, das zwei Rundherde in der linken Lunge zeigt.

Das Problem der Überdiagnose, also zu vieler falsch positiver und falsch negativer Befunde, besteht für Herold nicht. Denn zieht man das Volumen als Beurteilungsparameter heran, so die Einschätzung des Lungenexperten, und hält sich überdies präzise an die Richtlinien, gelingt es tatsächlich, die Zahl der Falsch-Positiven beträchtlich zu senken: „Das hängt mit der Methodik zusammen und mit Disziplin, die aufgebracht werden muss, will man sich an die Richtlinien halten. Das eigentliche Thema ist nicht das Erkennen von Herden, sondern welche davon mit invasiven Maßnahmen weiter diagnostiziert und therapiert werden sollten und welche nicht. Ich sehe hier die Gefahr, dass es bei der Ausrollung des Screenings zu einem Wildwuchs kommt und im Endeffekt zu viele invasive Maßnahmen ergriffen werden.“

Ein Ergebnis der amerikanischen Studie ist nämlich die Erkenntnis, dass die Zahl der Komplikationen mit der Invasivität der Abklärungsmaßnahmen steigt. Landesweit liegt in den USA die Mortalität bei chirurgischen Eingriffen bei 3 bis 5 Prozent, bei der NLST lag sie bei 1 Prozent. Das heißt, in der Studie wurden exzellente Voraussetzungen geschaffen, um invasive Maßnahmen auf ein Minimum zu reduzieren und sie nur dort durchzuführen, wo es die besten Chirurgen und Strukturen gibt.

Quelle: Shutterstock/Spectral-Design

Kein Screening in der EU in Sicht

Beim Lungenscreening tritt die Frage nach der Strahlenbelastung zunehmend hinter der Frage nach den Risiken der invasiven Abklärung zurück. Im Durchschnitt liegt die Strahlendosis pro Untersuchung zwischen 0,5 bis 2 mSv und wird mit der Weiterentwicklung der Technik sicher noch weiter sinken. Herold geht auch davon aus, dass Europa genügend qualifizierte Ärzte für das Lungenscreening zur Verfügung hat, seine Sorge gilt der Einhaltung der Richtlinien (adherence to guidelines). Das Befolgen klar definierter Prinzipien stellt aufgrund des in Europa herrschenden Individualismus ein größeres Problem dar als in den USA. „Derzeit muss man sich darum allerdings keine Gedanken machen, da das Screening einer definierten Risikogruppe von der Taskforce aus European Respiratory Society (ERS) und European Society of Radiology (ESR) zwar vehement gefordert wird, aber trotzdem nicht in Sicht ist. Und dass, obwohl der Benefit des Screenings bewiesen ist." Die Kosten-Nutzen-Abwägung fällt ebenfalls positiv zugunsten des Nutzens aus. Man nimmt an, dass die Kosteneffektivität tatsächlich vorhanden ist; der Preis, den man errechnet hat, liegt deutlich unter den empfohlenen Grenzwerten. Und vor einer übermäßigen Belastung müsste man sich auch nicht fürchten, denn in den USA nahmen nach Ausrollung des Screenings bisher lediglich 4 Prozent der eligiblen Population am Screening teil, so der Radiologe abschließend.


Profil:

Prof. Dr. Christian J. Herold ist Vorstand der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien. Er ist zudem Fakultätsmitglied der Radiologischen Abteilung der Johns Hopkins Medical Institutions in Baltimore/USA. Von 2009 bis 2010 stand Herold der Europäischen Gesellschaft für Radiologie (ESR) als Präsident vor, nachdem er drei Jahre zuvor bereits als Kongresspräsident des ECR fungierte. Zu seinen herausragenden Auszeichnungen zählen der Hounsfield Award und die Ehrenmitgliedschaft in der nordamerikanischen, französischen, argentinischen und ungarischen Gesellschaft für Radiologie.


Veranstaltung:

Samstag, 20.01.2018,

11:30-11:50 Uhr

Screening for Lung Cancer

Christian Herold (A-Wien)

Session: Lunge II

15.01.2018

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