Artikel • Bildgebung experimentell

Photon Counting aus der Sicht des Mediziners

In Garmisch erwarten die Besucher in diesem Jahr faszinierende Aufnahmen aus einem der ersten Photon-Counting-CTs weltweit.

Denn von dem Experimentalscanner „CounT“ der Firma Siemens existieren zurzeit nur drei Exemplare: in der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, an den National Institutes of Health in Bethesda, Maryland und am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Prof. Dr. Dipl.-Phys. Heinz-Peter Schlemmer, Leiter der Abteilung Radiologie am DKFZ, erläutert, welche Erkenntnisse er und sein Team bisher aus ihrer Grundlagenforschung gewonnen haben und welche klinischen Anwendungsfelder die neue Technologie möglicherweise bieten wird.

portrait of heinz peter schlemmer
Prof. Dr. Dipl.-Phys. Heinz-Peter Schlemmer ist Professor für Radiodiagnostische Onkologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg, Leiter der Abteilung Radiologie und Sprecher des Forschungsschwerpunktes Bildgebung und Radioonkologie am DKFZ.

Das Neuartige an dem Ganzkörperscanner ist sein Detektor. In konventionellen CTs werden die Röntgenstrahlen zuerst durch eine Szintillatorschicht in sichtbare Lichtsignale umgewandelt; anschließend werden die sichtbaren Lichtsignale von Photodioden in elektrische Stromsignale konvertiert. Ein photonenzählender Detektor dagegen besteht aus einem Halbleitermaterial, das in der Lage ist, Röntgenstrahlen direkt in elektrische Signalimpulse umzuwandeln. Das macht ihn besonders effizient. In ihren Experimenten haben die Heidelberger festgestellt, dass sich diese Effizienz in drei überlegenen Eigenschaften gegenüber den indirekt konvertierenden Bildempfängern zeigt: eine höhere Ortsauflösung, ein geringeres Bildrauschen und die Fähigkeit, Messsignale energetisch aufzulösen.

Denn der neue Direktkonverter kann nicht nur die Anzahl der absorbierten Photonen erfassen, sondern misst auch ihre Energie. Diese wird auf dem Weg durch den Patienten je nach Körperteil und Gewebe unterschiedlich abgeschwächt. Zurzeit lassen sich vier Energiebereiche unterscheiden und separat voneinander darstellen. 

Scharf wie nie

Es ist zu erwarten, dass wir durch die höhere räumliche Auflösung Kalk und andere Weichteilplaques der Koronarien besser detektieren können – und das sehr wahrscheinlich mit einer niedrigeren Dosis als bisher

Heinz-Peter Schlemmer

„Bisher haben wir mit dem Prototypen vor allem Untersuchungen an Hochkontraststrukturen wie der Lunge und den Knochen durchgeführt“, berichtet Prof. Schlemmer. „Durch die sehr hohe räumliche Auflösung lassen sich Strukturen mit einer nie da gewesenen Detailschärfe erkennen. Wir können in Knochenmetastasen eine Heterogenität erkennen, die wir vorher nicht sehen konnten. Gleiches gilt für die Lunge. Wir können hier Veränderungen der dünnen Septen, der Trachea und der Bronchialwände darstellen, die uns ebenfalls vorher verborgen blieben.“

photon counting CT scan
Dieser Photon Counting CT Scan entstand 2016 im Rahmen klinischer Forschung.
Quelle: National Institute of Health (NIH)

Daher ist die große Hoffnung der medizinischen Forscher, dass die neue Technologie in Zukunft eine noch bessere Charakterisierung von Geweben ermöglichen und dadurch zu einer verbesserten Früh- und Differentialdiagnostik sowie einem optimierten Therapie-Response-Monitoring beitragen wird. Doch nicht nur das: Die sehr hohe Detailerkennbarkeit könnte auch Anwendungen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Radiomics zu Gute kommen, denn je höher die Auflösung desto besser lassen sich Texturanalysen durchführen.

Als vielversprechend schätzt Schlemmer den klinischen Nutzen der Photon-Counting-CTs auch für das Screening und für den kardiovaskulären Bereich, insbesondere für die Herzdiagnostik, ein: „Es ist zu erwarten, dass wir durch die höhere räumliche Auflösung Kalk und andere Weichteilplaques der Koronarien besser detektieren können – und das sehr wahrscheinlich mit einer niedrigeren Dosis als bisher. Denn die hohe Empfindlichkeit des photonenzählenden Detektors trägt dazu bei, dass der Scanner – wenn er nicht auf voller Leistung läuft, sondern wie ein Standard-CT betrieben wird – die Dosis um bis zu 40 Prozent reduzieren kann.“

Mehr Kontrast, weniger Mittel

Insbesondere im Niederkontrastbereich bietet sich durch die Energieauflösung sehr wahrscheinlich auch die Möglichkeit, Kontrastmittel effektiver zu detektieren und vermutlich sogar einzusparen. „Darüber hinaus können wir andere Kontrastmaterialien wie Wismut oder Gold darstellen, sodass möglicherweise in Zukunft neue Kontrastmittel entwickelt werden, die kein Iod enthalten und damit eventuelle Probleme mit der Schilddrüse nicht mehr entstehen.“

Noch ist die Photon-Counting-CT weit entfernt davon, ihre technische Marktreife erreicht zu haben. Doch die bisherigen Resultate stimmen Prof. Schlemmer äußerst positiv: „Es ist unglaublich spannend, sich in so eine neue Technologie hineinzubegeben und zu sehen, dass man die Tomographie doch noch ein Stückchen weiter voranbringen kann.“


Profil:

Prof. Dr. Dipl.-Phys. Heinz-Peter Schlemmer ist seit 2010 Professor für Radiodiagnostische Onkologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg, Leiter der Abteilung Radiologie und Sprecher des Forschungsschwerpunktes Bildgebung und Radioonkologie am DKFZ. In den letzten Jahren engagierte er sich in zahlreichen nationalen und internationalen Krebs- und Radiologiegesellschaften, u.a. hat er die AG Onkologische Bildgebung in der DRG gegründet, war Präsident der International Cancer Imaging Society (ICIS) und ist ab 2021 Präsident der European Society of Oncologic Imaging (ESOI).

23.01.2020

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