Artikel • Neuroradiologie

Mechanische Thrombektomie: fast 100-prozentige Abdeckung

„Im Jahr Drei der Evidenz für die mechanische Thrombektomie verfügen wir in Deutschland über eine beinahe flächendeckende Versorgung mit dieser Behandlung des Verschlusses einer Hirnbasisarterie nach Schlaganfall“, freut sich Prof. Dr. Ansgar Berlis.

Bericht: Michael Krassnitzer

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Prof. Dr. Ansgar Berlis.

Der Chefarzt für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Klinik für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie des Klinikums Augsburg betont, dass drei Jahre nachdem fünf Studien eine überwältigende Überlegenheit der mechanischen Thrombektomie gegenüber der alleinigen medikamentösen Thrombolyse beim schweren Schlaganfall gezeigt haben, bereits 95 Prozent der betroffenen Patienten bodengebunden innerhalb von 45 Minuten in das nächstgelegene für eine solche Behandlung zertifizierte Zentrum befördert werden.

„Das Ziel ist es, eine 96- bis 98-prozentige Abdeckung zu erreichen – auf eine 100-prozentige wird man nie kommen – und da sind wir auf einem extrem guten Weg“, betont Berlis. Im Jahr 2016 wurden über die Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) und der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) 8.852 mittels mechanischer Thrombektomie behandelte Schlaganfälle registriert. Weil diese Eingabe freiwillig erfolgt, rechnet der Augsburger Neuroradiologe mit einer Dunkelziffer von weiteren 3.000 bis 5.000 Fällen: „Das entspricht fast den 13.000 Fällen, die statistisch zu erwarten sind.“ In Deutschland erleiden jährlich 270.000 Menschen einen Schlaganfall; man geht davon aus, dass es bei fünf Prozent der Schlaganfälle möglich ist, den Thrombus mechanisch zu aspirieren oder mit einem Stent-Retriever herausziehen.

Zu sehen ist das Bild eines 15 Jahre alten Jungen mit einem Schlaganfall...
Zu sehen ist das Bild eines 15 Jahre alten Jungen mit einem Schlaganfall (Mediaverschluß links), der innerhalb von 30 Minuten mit Kombination aus Aspiration und Stentretrieving wiedereröffnet wurde. Der Junge hat sich komplett von den klinischen Symptomen erholt.

Auch die Ausbildung und Zertifizierung von Radiologen und Neuroradiologen auf dem Gebiet der mechanischen Thrombektomie läuft aus Berlis‘ Sicht sehr gut. „Es gibt ein genügend großes Potential an Kollegen die sich ausbilden bzw. zertifizieren lassen und die Ausbildung wird gut angenommen“, konstatiert der Augsburger Mediziner. Derzeit gibt es deutschlandweit zwischen 350 und 370 Radiologen und Neuroradiologen, die das von der DGNR und der DeGIR entwickelte Stufe-2-Zertifikat Neuromodul E „Rekanalisierende Maßnahmen“ abgeschlossen haben. „Derzeit geht die hohe Abdeckung noch auf Kosten von Einzelnen, die sehr belastet sind bzw. über zu wenig geschultes Personal verfügen“, räumt Berlis ein. Er geht aber davon aus, dass die wünschenswerte Anzahl von 450 bis 550 zertifizierten Radiologen und Neuroradiologen in vier oder fünf Jahren erreicht sein wird.

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Auch auf einem anderen Gebiet setzt sich die neurovaskuläre Behandlung immer mehr durch: bei der Therapie von Aneurysmen. Nicht mehr Clipping durch den Neurochirurgen, sondern das Einbringen eines intravasalen oder intraaneurysmalen Flow Diverters ist neben Coiling oder Stent-unterstütztem Coiling durch den Neuroradiologen angesagt. „Die Patienten wollen nun einmal eine minimalinvasive Behandlung, die mit einer geringen Mortalität und Morbidität einhergeht und die auch wesentlich weniger belastend ist, als eine offene Operation“, berichtet Berlis: „Die neurochirurgischen Optionen werden daher immer mehr in den Hintergrund gedrängt“.

Insbesondere der intraaneurysmale Flow Diverter, der wie ein Netz das Aneurysma auskleidet, hat sich mittlerweile als Standard etabliert. Vorteil hierbei ist die sehr kurze Nachbehandlungszeit mit ausschließlich Aspirin 100 für wenige Wochen. Aber auch der intravasale Flow Diverter feiert sein Comeback: „Dieser sehr engmaschige Spezialstent, der den Blutfluss begradigen soll, war ein bisschen in Verruf gekommen“, erzählt der Augsburger Neuroradiologe. Doch mittlerweile gebe es neue Studienergebnisse, die dem intravasalen Flow Diverter extrem gute Ergebnisse bei der Behandlung von kleinen Aneurysmen bescheinigen, sowie auch bei anderen, neuen Indikationen. „Wir wissen heute einfach besser, wann und wo man intravasale Flow Diverter richtig einsetzt“, sagt Berlis.


Profil:

Prof. Dr. Ansgar Berlis ist seit Mai 2008 Chefarzt für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Klinik für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie des Klinikums Augsburg. Das Spezialgebiet des Neuroradiologen sind neben der Aneurysmabehandlung endovaskuläre Rekanalisationsverfahren bei der Behandlung des akuten Schlaganfalls, worüber er sich auch habilitiert hat. Er betreute und betreut eine Reihe internationaler, prospektiver, multizentrischer, klinischer Studien, die unter anderem den Schlaganfall zum Thema haben. Berlis ist aktuell Vizepräsident und war bis Mai 2017 Präsident des Berufsverbandes Deutscher Neuroradiologen (BDNR). Zusammen mit seinem radiologischen Chefarztkollegen Prof. Dr. Thomas Kröncke, MBA, ist er Kongresspräsident der Bayerischen Röntgengesellschaft für die Jahrestagung 2018 in Augsburg, wo er zu seinem 10jährigen Jubiläum am dortigen Klinikum die Neuroradiologie als Schwerpunkt einbringen will.


Veranstaltungshinweis:

Raum: Hörsaal 2

Samstag, 30. September 2017, 12:00 - 12:00-12:20

Neuro II – Gefäße

Update Zerebrale Ischämie: Diagnostik & Behandlung

Vorsitz: Ansgar Berlis (Augsburg), Erich Hofmann (Fulda)

30.09.2017

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