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Roboter-assistierte Chirurgie hält Einzug in Viszeralchirurgie
Nicht weniger als 600.000 roboterchirurgische Eingriffe wurden im Vorjahr weltweit durchgeführt. Der Großteil davon waren urologische Eingriffe, insbesondere radikale Prostatektomien. In den USA werden seit einigen Jahren 85 Prozent dieser Eingriffe mit einem roboter-assistierten Operationssystem durchgeführt, bei dem der Operateur ein vergrößertes 3D-Bild aus dem Inneren des Körpers erhält und über eine Konsole die Arme des Roboters steuert. Doch die Roboterchirurgie beginnt auch in einem anderen Fach Einzug zu halten: in der Viszeralchirurgie.
Report: Michael Krassnitzer
„Der Operationsroboter ist ein vielversprechendes Tool, das mittlerweile das gesamte Spektrum der Viszeralchirurgie abdeckt“, unterstreicht Univ.-Prof. Dr. Thomas Bachleitner-Hofmann, der beim 2. Symposium des Zentrums für Perioperative Medizin des Allgemeinen Krankenhauses und der Medizinischen Universität Wien einen Vortrag zu diesem Thema hielt. Während die weltweiten Zahlen roboterchirurgischer Eingriffe jährlich linear steigen, schießen die Zahlen roboter-assistierter viszeralchirurgischer Eingriffe exponentiell in die Höhe, berichtet der Oberarzt und Leiter des Programms zur Behandlung peritonealer Neoplasmen an der Universitätsklinik für Chirurgie der Medizinischen Universität Wien.
Als die Vorteile der roboter-assistierten Chirurgie nennt Bachleitner-Hofmann die dreidimensionale Sicht auf das Operationsfeld, die bis zu zehnfache Vergrößerung, die stabile Kameraführung, den automatischen Ausgleich unwillkürlicher Bewegungen wie Händezittern sowie die Möglichkeiten, die Instrumente in sieben Freiheitsgraden zu bewegen, dank einer bis zu fünffachen Untersetzung kleinste Bewegungen durchzuführen und auch in kleinen Räumen sehr gut operieren zu können.
Er selbst sieht die größten Vorteile in der Kolorektalchirurgie, aufgrund des engen Operationsgebietes insbesondere bei der chirurgischen Entfernung tiefer Rektumkarzinome und – interdisziplinär – bei der chirurgischen Behandlung von Endometriose, die das Rektum befallen hat. Allerdings ist die Roboterchirurgie kostspielig. Ein System kostet bis zu zwei Millionen Euro, dazu kommen der Service sowie die Kosten für Ausbildung und Training.
Bachleitner-Hofmann hat daher die vorliegende Evidenz für die Kolorektalchirurgie zusammengetragen: „Es gibt gute Daten, nach denen bei der Kolorektalchirurgie die Präservation der autonomen Nerven im Becken mit dem Roboter wesentlich besser funktioniert als bei konventionellen laparoskopischen Eingriffen und es somit bessere Ergebnisse in Hinsicht auf Harnentleerungsstörungen und Potenzstörungen gibt“, sagt er.
Laut einer Metaanalyse dauert ein roboter-assistierter kolorektalchirurgischer Eingriff länger, dafür ist der Blutverlust geringer, und es kommt zu weniger Konversionen, also einer präoperativ ungeplanten, zusätzlichen Inzision. Keinen statistischen Unterschied fand die Metaanalyse bei den Komplikationsraten, dem stationären Aufenthalt und dem Status der Resektionsränder. Laut dem ROLARR-Trial (RObotic Versus LAparoscopic Resection for Rectal Cancer), der bislang nur zum Teil publiziert ist, liegen die Ergebnisse für die Roboterchirurgie und die laparoskopische Chirurgie gleichauf. „Diese Studie hat allerdings einen Schwachpunkt“, räumt Bachleitner-Hofmann ein: „In der laparoskopischen Gruppe befanden sich lauter hocherfahrene Chirurgen, während die Mediziner in der Roboter-Gruppe naturgemäß noch nicht so viel Erfahrung hatten. Wer weiß, wie die Studie ausgegangen wäre, wenn hocherfahrene laparoskopische Operateure gegen hocherfahrene roboter-assistierte Operateure angetreten wären.“
Der Benefit für den Patienten sei natürlich das wichtigste, betont der Wiener Chirurg: „Aber man muss auch den Benefit für den Chirurgen betrachten. Es ist weniger anstrengend, entspannt an einer Konsole zu sitzen als neben dem OP-Tisch zu stehen.“ Dabei gehe es jedoch nicht nur um das Wohlbefinden des Chirurgen, sondern auch um Qualität und Kosten: „Ein ausgeruhter Chirurg kann besser und länger operieren.“
Profil:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Bachleitner-Hofmann ist Oberarzt und Leiter des Programms zur Behandlung peritonealer Neoplasmen an der Universitätsklinik für Chirurgie der Medizinischen Universität Wien. Der 1975 in Wien geborene und ausgebildete Chirurg mit einer Zusatzausbildung als Facharzt für Viszeralchirurgie ist Mitglied zahlreicher internationaler Fachgesellschaften wie etwa der European Society of Surgical Oncology (ESSO), der European Society of Coloproctology (ESCP) oder der American Society of Clinical Oncology (ASCO).
13.11.2016