Aufnahme einer ex vivo kultivierten embryonalen Pankreas-Knospe: Die Behandlung...
Aufnahme einer ex vivo kultivierten embryonalen Pankreas-Knospe: Die Behandlung mit dem YAP-Inhibitor Verteporfin führt zur vermehrten Bildung endokriner Zellen (rot und grün).

© DanStem

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Zellersatztherapie bei Typ-1-Diabetes: es geht voran

Stammzellen werden zu Pankreaszellen: Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben auf ihrem Weg zur Zellersatztherapie bei Diabetes Typ 1 einen wichtigen Meilenstein bewältigt: Die Forscher identifizierten die Signale, die die Entwicklung unreifer Bauchspeicheldrüsenzellen bestimmen. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden nun im Fachmagazin ‚Nature‘ publiziert. Insulin produzierende Bauchspeicheldrüsenzellen gezielt herzustellen ist ein wichtiger Bestandteil der angestrebten Zellersatztherapie bei Typ-1-Diabetes.

Wie in einem Flipperautomaten bewegen sich die Zellen im Pankreas hin und her

Henrik Semb

Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zerstört. Stammzellen sollen so modifiziert werden, dass sie als Ersatz für die Pankreaszellen einspringen. Ein Schwachpunkt dieses Verfahrens ist bislang die Nutzung empirisch gefundener Substanzen, deren genaue Wirkungsweise oft nicht bekannt ist. „Uns ist es nun gelungen, die grundsätzlichen Signale herauszuarbeiten, die darüber entscheiden, ob eine Vorläuferzelle sich zu einer endokrinen - also Hormon produzierenden - oder zu einer Gerüstzelle entwickelt“, sagt Prof. Dr. Henrik Semb. Er ist Direktor des Instituts für Translationale Stammzellforschung am Helmholtz Zentrum München und Professor am Novo Nordisk Foundation Center for Stem Cell Biology (DanStem) an der Universität Kopenhagen.

“Wie in einem Flipperautomaten bewegen sich die Zellen im Pankreas hin und her, wodurch sich ihre Umgebung, die extrazelluläre Matrix, ständig verändert. So wie sich im Spiel die Punktzahl durch die Kontakte innerhalb des Automaten erhöht, verändert sich die Entwicklung der Zellen durch das Ausmaß ihrer Kontakte mit bestimmten Komponenten der extrazellulären Matrix“, erklärt Semb.

Einzelzellanalyse gibt entscheidenden Hinweis

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Einzelzell-Untersuchung von Pankreas-Vorläuferzellen, die aus Stammzellen erzeugt wurden: Durch Aufbringen auf Fibronektin geraten sie unter Spannung und werden sich zu Gerüstzellen weiterentwickeln.
Quelle: © DanStem

Durch ihr dynamisches Verhalten innerhalb der Bauchspeicheldrüse sind die Vorläuferzellen jedoch schwierig zu studieren. Dieses Problem konnten die Wissenschaftler nun umgehen, indem sie die Situation experimentell nachbauten: Sie brachten aus Stammzellen erzeugte Vorläuferzellen einzeln auf Glasplättchen auf. Darauf aufgedruckt befanden sich verschiedene Proteine der extrazellulären Matrix. „Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass durch den Kontakt mit unterschiedlichen Matrixproteinen sich die mechanischen Kräfte in den Vorläuferzellen verändern: Kontakt mit dem Protein Laminin verringerte die mechanische Spannung in den Vorläuferzellen und steuerte sie in Richtung endokriner Zellen.“ Umgekehrt führte Kontakt mit dem Protein Fibronektin zu einer höheren mechanischen Spannung und zur Bildung von Gerüstzellen, die kein Insulin produzieren.

Durch weitere detaillierte Untersuchungen konnte das Team um die beiden Erstautoren Dr. Anant Mamidi und Dr. Christy Prawiro die molekularen Hintergründe dieses Signalwegs entschlüsseln* und dessen Relevanz bereits in vivo, also während der eigentlichen Pankreasentwicklung, überprüfen. „Wir können jetzt zahlreiche Substanzen aus bisherigen Protokollen zur Herstellung von Pankreaszellen beiseitelassen, bei denen nicht klar war, wie genau sie auf die Zellen wirken. Stattdessen setzen wir nun Moleküle ein, bei denen wir genau wissen, über welche spezifischen Komponenten des neu identifizierten Signalweges sie wirken“, erklärt Henrik Semb. „So können wir diesen Prozess im Labor nachbauen und versuchen, Insulin produzierende Betazellen nun kosteneffektiv und zuverlässig aus menschlichen Stammzellen herzustellen. Langfristig möchten wir so Zellen ersetzen, die durch Krankheiten wie Typ-1-Diabetes verloren gegangen sind.“

Weitere Informationen

* Konkret zeigten die Wissenschaftler, dass die Komponenten der extrazellulären Matrix über einen Integrin-Rezeptor ein Signal in die Zelle hinein senden. Dies wiederum führt zu Änderungen mechanischer Kräfte, die über das Actin-Zytoskelett übertragen werden. Das yes-assoziierte Protein (YAP) nimmt diese Kräfte wahr und schaltet entsprechend spezifische Gene an oder aus. Diese Signalkaskade bestimmt letztendlich das Entwicklungsschicksal der Vorläuferzelle. “Besonders spannend ist für uns, dass unsere Daten eine Frage beantworten, die unser Forschungsfeld seit Jahrzehnten umtreibt“, so Henrik Semb. „Wie reifen manche Vorläufer zu Gerüstzellen, während andere durch Aktivierung des sogenannten Notch-Signalwegs zu endokrinen Zellen werden.“ Die Wissenschaftler zeigen, dass die vermeintlich zufällige Steuerung dieses Signalwegs in Wahrheit durch den Kontakt der Vorläuferzellen mit der extrazellulären Matrix und den mechanosensitiven Gen-Regulator YAP vermittelt wird.


Quelle: Helmholtz Zentrum München

29.11.2018

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