Molekulare Bildgebung
Welches Potential hat die Xenon-MRT?
Die MRT ist als bildgebendes Verfahren nicht mehr aus dem klinischen Alltag wegzudenken. Ohne Strahlenbelastung können Ärzte Organe und Gewebestrukturen des Patienten einfach sichtbar machen. Jedoch bleiben krankhafte Veränderungen im Anfangsstadium, entartete Krebszellen oder kleine Entzündungsherde auf den Bildern bislang beinahe unsichtbar. Ein Team von Zellbiologen, Chemikern und Physikern um Dr. Leif Schröder, Forschungsleiter des ERC-Projekts BiosensorImaging am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin-Buch ist es 2014 erstmals gelungen, mit Hilfe der Xenon-Kernspintomographie „zweifarbige“ Aufnahmen für unterschiedliche molekulare Marker zu generieren.
Report: Sascha Keutel
Die Xenon-Kernspintomographie (Xe-MRT) wurde Mitte der 90er Jahre entwickelt, um damit die diagnostische Bildgebung der Lunge zu ermöglichen. Anders als bei der konventionellen MRI werden keine Wassermoleküle detektiert, sondern das ungiftige Edelgas Xenon. Es stellt dann direkt die ventilierten Anteile der Lunge dar. Für neue Ansätze im Gewebe soll zunächst ein Kontrastmittel verabreicht werden, das spezifisch an den Marker bindet und sich im krankhaften Gewebe anreichert. Danach wird Xenon verabreicht, entweder über die Inhalation eines Gasgemischs, das Xenon enthält, oder es wird in bestimmten Substanzen wie Blutplasma gelöst. Solche direkt injizierbaren Substanzen haben den Vorteil, dass sie sofort in der Blutbahn zur Verfügung stehen.
Ziel der Wissenschaftler am FMP ist es, Xenongas in Kombination mit sogenannten ‚Biosensoren‘ wie ein Kontrastmittel gezielt an krankheitsspezifische Marker im Gewebe zu binden. „Wir haben jetzt kürzlich eine erste Studie veröffentlicht, bei der wir Xenon-Biosensoren an bestimmte Zuckerstrukturen der Zelloberfläche binden konnten. Diese spielen bei Tumoren eine Rolle und können mit anderen MRT-Kontrastmitteln nicht dargestellt werden. Das war der Nachweis, dass diese Technik erstmals Strukturen sichtbar macht, die vorher mittels MRT unzugänglich waren“, berichtet Schröder.
Es ist den Wissenschaftlern auch gelungen, unterschiedliche Zelltypen so zu markieren, dass diese Radiowellen in unterschiedlicher Frequenz aussenden. Ganz wie bei der Lichtmikroskopie generieren sie so Bilder, auf denen manche Zellen rot, andere grün leuchten. Die Forscher bedienen sich eines Ansatzes aus der Laserphysik, bei dem das Signal des Xenons um das ca. 10.000-fache verstärkt wird – das Gas wird ‚hyperpolarisiert‘. Im Testobjekt selber zerstören sie diesen Zustand dann wieder kontrolliert durch ein Zusammenwirken des Biosensors und der MRT-Aufnahmesequenz. Damit gewinnen sie einen weiteren Verstärkungsfaktor von etwa 3 Größenordnungen und können verhältnismäßig kleine Mengen der spezifischen Marker aufspüren. Im ersten Schritt werden Biosensoren ohne Xenon verabreicht, die selektiv an krankhafte Zellen binden bzw. an anderen Stellen einfach ausgewaschen werden. Nachdem das Xenon im Nährmedium für die Zellen – oder später beim Patienten in dessen Blutkreislauf – gelöst wurde, werden die gebundenen Sensoren sichtbar gemacht und zeigen so den Krankheitsherd an. Danach detektiert man das Xenon, das sich durch eine bestimmte Resonanzfrequenz im MRT ‚verrät‘, wenn es in den Sensoren gebunden ist. Die Bilder werden im Anschluss mit konventionellen MRT-Aufnahmen überlagert, um sowohl anatomische als auch biochemische Information zu erhalten (etwa wie beim Hybridverfahren PET/MR).
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten der Xe-MRT
Das Team möchte mit Hilfe der Xe-MRT den Einsatzbereich der MRT deutlich erweitern. Die Forscher sind davon überzeugt, dass die verfeinerte Methode künftig eine präzisere Diagnostik ermöglicht, da die stärkeren Signale Strukturen sichtbar machen, die bislang im MRT nicht zu erkennen waren. „Als nicht-invasives Verfahren mit exzellentem Weichteilkontrast und ohne Strahlenbelastung fehlt eigentlich nur noch die molekulare Spezifizität, um die MRT zur idealen Methode zu machen“, glaubt der Experte. Darüber hinaus sei die Methode bei der Entwicklung von Wirkstoffen von großer Bedeutung. Der Forscher hofft, damit die Zahl von Tierversuchen zu verringern und frühzeitig die Wirksamkeit einer neuen Substanz beurteilen zu können.
Obwohl das Team derzeit verstärkt an Fragestellungen im Bereich der onkologischen Diagnostik forscht, ist die Xe-MRT auf kein bestimmtes Krankheitsbild beschränkt. „Alles, was einen identifizierten molekularen Marker hat, kann prinzipiell bei ausreichender Konzentration mit Biosensoren aufgespürt werden. Bislang liegt die Detektionsgrenze im nanomolaren Bereich, diese Marker sind also etwa 1000-fach sensitiver als konventionelle MRT-Kontrastmittel. Wir haben Sensoren für entzündliche Prozesse und bestimmte Rezeptoren auf der Oberfläche von Krebszellen entwickelt, aber das lässt sich sehr flexibel ausbauen“, erklärt der Physiker.
Ob es die Xenon-MRI in den Klinikalltag schafft, lässt sich momentan nur schwer abschätzen. „Wir planen für dieses Jahr die ersten Studien am Tiermodell. Ein Einsatz im Klinikalltag dauert sicher noch etliche Jahre. Aber auch bei dem wesentlich schneller zu erwartenden Einsatz in Tierstudien profitieren die Patienten indirekt durch die verbesserte Entwicklung neuer Wirkstoffe und Therapien“, so Schröder abschließend.
09.05.2015