Artikel • Neuroradiologie
Über den Bauch ins Gehirn: Winzige Katheter gegen Schlaganfälle
Die Zeiten, in denen Radiologen ausschließlich für die Diagnose zuständig waren, sind lange vorbei. Besonders in der Therapie und Nachbehandlung von Schlaganfällen sind Neuroradiologen heute gefragter denn je.
Ihr Einsatzbereich erstreckt sich dabei über die Behandlung von Gefäßerkrankungen im Gehirn und der das Gehirn versorgenden Gefäße bis zur Akutversorgung von Patienten mit Schlaganfall. Im Gegensatz zu den jahrzehntelang praktizierten, sehr komplizierten chirurgischen Eingriffen genügt bei neuroradiologischen Verfahren häufig ein kaum sichtbarer Schnitt in der Leistengegend. Über diesen führen die behandelnden Ärzte winzige Katheter ein – künstliche Kanäle für verschiedene Therapiemaßnahmen. Diese minimal-invasiven Eingriffe ermöglichen es Patienten, die Klinik schon nach wenigen Tagen wieder zu verlassen. Den Einsatz und die Weiterentwicklung von Therapieverfahren der Neuroradiologie diskutieren Experten auf dem RadiologieKongress Ruhr 2008 in Bochum.
Ein Schwerpunkt der interventionellen Neuroradiologie ist die Behandlung von Blutungen im Kopf- und Halsbereich. Für den Laien muten die Verfahren häufig futuristisch an: Mithilfe der Angiographie – einem Bildgebungsverfahren, in der mithilfe eines Kontrastmittels die Blutgefäße dargestellt werden – führen Radiologen in Höhe der Leistengegend einen Katheter in die Bauchschlagader ein. Von dort wird der Katheter über den Becken-, Bauch- und Brustraum bis zu den betroffenen Gefäßen in Kopf oder Hals gelegt.
Bei einer Gefäßaussackung (Aneurysma) im Gehirn, schieben die Radiologen durch den Mini-Katheter winzige Platinspiralen – so genannte Coils – bis zu den Aussackungen. Die Coils verhindern eine weitere Ausdehnung oder ein Reißen der Gefäßwand – lebensbedrohliche Folgen wie ein Schlaganfall oder eine Hirnblutung können so verhindert werden. Die Behandlung von Aneurysmen findet heute fast ausschließlich unter Einsatz von Mikrokathetern statt. Auch bei Verengungen von Blutgefäßen (Stenosen) der Halsschlagader und der Hirngefäße – die häufigsten Ursachen des Schlaganfalls – kommen in vielen Fällen Katheter zum Einsatz. Jahrzehntelang behandelten Chirurgen diese Verengungen, indem das Gefäß in einer komplizierten Operation ausgeschält und wieder geweitet wurde. Heute greifen die Radiologen immer häufiger zu so genannten Stents (innere Metallstützen). Diese ermöglichen es, verengte Gefäße wieder dauerhaft zu öffnen.
Der Einsatz neuroradiologischer Verfahren entwickelt sich permanent weiter. Galt vor ein paar Jahren noch die medikamentöse Behandlung eines Thrombus (Aderpfropf) beim Schlaganfall als beste Therapiemöglichkeit, wenden heute Neuroradiologen zunehmend mechanische Rekanalisierungshilfen an. Bei einigen Patienten kommen auch in einer Akutsituation Stents zum Einsatz, bei anderen versuchen die behandelnden Ärzte mit Hilfe von miniaturisierten Greifarmen oder korkenzieherähnlichen Instrumenten das verschlossene Gefäß wieder zu eröffnen. Andere Formen des Schlaganfalls, ausgelöst durch eine angeborene Fehlbildung der Blutgefäße, lassen sich heute durch den Einsatz innovativer medizinischer Klebstoffe therapieren. Dieses Verfahren erlaubt es, auch jene Patienten zu behandeln, die früher als unheilbar galten.
Eines haben alle Verfahren gemeinsam: Die minimal-invasiven Eingriffe bieten betroffenen Patienten eine schonendere Behandlung als herkömmliche Therapieansätze.
23.10.2008