Artikel • MRT ist Standard
Staging des Rektumkarzinoms
Änderungen der Stuhlgewohnheiten, ungewollte Gewichtsabnahme, Leistungsknick, Schmerzen: Aufgrund seiner unspezifischen Symptome erfolgt die Diagnose eines Rektumkarzinoms meistens relativ spät. „In 20 bis 25 Prozent der Fälle hat der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose bereits metastasiert“, weiß Priv.-Doz. Dr. Christiane Kulinna-Cosentini, Fachärztin an der Klinischen Abteilung für Allgemeine Radiologie und Kinderradiologie der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Weil aber beim Rektumkarzinom die Resektion des Primärtumors auch im fortgeschrittenen Stadium zentrales Element der Therapie ist, kommt dem Staging auch in diesen Fällen entscheidende Bedeutung zu.
Bis vor Kurzem folgte das Staging dem klassischen TNM-Schema: Ermittelt wurden Größe und Ausdehnung des Tumors (T), Zahl und Lage der befallenen Lymphknoten (N, für engl. „nodes“) sowie das Vorhandensein etwaiger Fernmetastasen (M). „Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert“, betont Kulinna-Cosentini. So wird das T3-Stadium, wenn sich der Tumor bereits über die Muskelschicht unterhalb der Schleimhaut hinaus in die Subserosa oder das Fettgewebe ausgebreitet hat, neuerdings in vier verschiedene Stadien unterteilt. „Ein ,fortgeschrittenes‘ T3 (T3c/d) erfordert meistens – je nach Tumorlokalisation – eher eine neoadjuvante Radio-Chemotherapie als ein ,frühes‘ T3 (T3a/b)“, erklärt Kulinna-Cosentini die Notwendigkeit dieser Unterscheidung. („fortgeschritten“ und „früh“ beziehen sich auf die Eindringtiefe, Anm. der Red.)
Die Wiener Radiologin nennt einen weiteren Aspekt des Stagings, der über eine herkömmliche TNM-Klassifikation hinausgeht: „Der Radiologe muss unbedingt die Infiltration in die mesorektale Faszie beschreiben.“ Die mesorektale Faszie ist jene Struktur, die das Fettgewebe um das Rektum umgibt. „Wenn hier eine Infiltration durch den Tumor vorliegt, muss ebenfalls vor der Operation eine neoadjuvante Therapie durchgeführt werden, um den Tumor lokal zu verkleinern“, sagt Kulinna-Cosentini. Außerdem ist das Risiko eines lokalen Rezidivs höher, wenn der Tumor primär die mesorektale Faszie befallen hat.
Auch die extramurale vaskuläre Infiltration (EMVI) ist in den Guidelines zur Diagnose des Rektumkarzinoms neu hinzugekommen: Bei einem wandüberschreitenden Wachstum dringt der Tumor in benachbarte Gefäße ein und kann entlang dieser Gefäße weiter infiltrieren. Das betrifft etwa ein Drittel der Patienten; diese haben dann ein vier- bis fünfmal höheres Metastasierungsrisiko. „Diese Patienten unterscheiden sich deutlich hinsichtlich Therapie und Prognose von EMVI-negativen Patienten“, erläutert Kulinna-Cosentini die Konsequenz dieses Befundes.
MRT ist Standard
Standardmethode beim Staging des Rektumkarzinoms ist die Magnetresonanztomographie. „Die MRT bietet als einzige diagnostische Methode die Möglichkeit, die Infiltration in die mesorektale Faszie zu bestimmen und die extramurale vaskuläre Infiltration zu detektieren“, unterstreicht Kulinna-Cosentini. In der Praxis jedoch wird das mitunter anders gehandhabt: „Das MR-Gerät steht im klinischen Alltag oft nicht schnell genug zur Verfügung. Dann wird alternativ ein CT durchgeführt“, bedauert die Radiologin. Dies aber liefere nicht den gleichen Weichteilkontrast wie die MRT.
Immer wieder diskutiert wird die Sinnhaftigkeit einer sogenannten rektalen Füllung vor der MRT-Untersuchung. Dabei werden 50 bis 100 Milliliter Ultraschallgel in den Enddarm eingeführt. Skeptiker meinen, dass dies nicht sinnvoll sei, weil dadurch das umliegende Gewebe zusammenpresst werde und möglicherweise die Infiltrationstiefe des Tumors überschätzt werden könnte. Die Befürworter hingegen, zu denen auch Kulinna-Cosentini zählt, argumentieren, dass man durch die füllungsbedingte Ausdehnung des Darmlumens bessere Chancen habe, den Tumor zu detektieren und auch richtig zu stagen. „Wenn das Rektum zusammengefallen ist, habe ich kaum eine Chance kleine Tumoren in frühen Stadien zu detektieren“, betont die Radiologin.
Standardisiertes Staging
Ein besonderes Anliegen ist Kulinna-Cosentini die Standardisierung der Befundung. „In allen Konsensus-Richtlinien ist ein standardisiertes Staging gefordert, damit der Zuweiser alle relevanten Informationen bekommt und dem Patienten somit seine individuelle Therapie ermöglichen kann“, bekräftigt sie. Hierfür gibt es eine Reihe von Vorlagen („templates“). Die European Society of Gastrointestinal and Abdominal Radiology (ESGAR) etwa hat in der Zusammenfassung ihres letzten Konsensus-Meetings ein vorbildliches „structured MRI report template“ online gestellt. „Mit solcherart standardisierten Befunden wird auch die nachträgliche Datenauswertung für Forschungszwecke viel einfacher“, betont Kulinna-Cosentini abschließend.
Profil:
Priv.-Doz. Dr. Christiane Kulinna-Cosentini absolvierte nach dem Medizinstudium in Freiburg, Gießen und Wien die ersten Jahre der Facharztausbildung an der LMU in München-Großhadern. Seit 2003 arbeitet die Fachärztin für Radiologie an der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin in Wien. 2016 habilitierte sie zum Thema der Implementierung des MR-Schluckaktes, wofür sie 2017 den Habilitationspreis des Vereins zur Förderung von Wissenschaft und Forschung (VFWF) erhielt. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der onkologischen Bildgebung und in der funktionellen MR-Bildgebung des oberen Gastrointestinaltraktes.
Veranstaltungshinweis:
Freitag, 27. September 2019, 16:45-17:00 Uhr
Raum: Rosenheim
Session: Symposium 8 – Radiologie trifft Onkologie – Rektum/Leber
Staging bei Rectum-CA
Priv.-Doz. Dr. Christiane Kulinna-Cosentini (Wien)
26.09.2019