Artikel • Notaufnahme

Schnell das Wichtige sehen

Die Bereitschaftsdienst-Versorgung stellt eine besondere Herausforderung für den klinisch tätigen Radiologen dar: Unter eingeschränkter Verfügbarkeit von Personal und Technik und hohem Zeitdruck müssen oftmals junge, angehende Radiologen zu nächtlicher Stunde komplexe Fragestellungen durchdringen und beschreiben.

In Garmisch gibt es in diesem Jahr am Freitagmittag nun erstmals eine Session für Assistenten in Weiterbildung, die sich mit spezifischen Fragestellungen der Radiologie in der Notaufnahme beschäftigt.

Die ganze Session ist fallbasiert und es werden verschiedene Krankheitsfelder abgehandelt, denen man in der Notaufnahme begegnen kann: zerebrale Ischämie und Hirnblutung aus dem Bereich Neurologie, Frakturen und andere muskuloskelettale Fragen der Traumatologie sowie thorakale und abdominale Notfälle. „Während die Kasuistiken vorgestellt werden, bekommen die Zuhörer immer wieder die Möglichkeit, interaktiv über den nächsten diagnostischen Schritt, das richtige Untersuchungsprotokoll oder auch die korrekte Diagnose zu entscheiden: Mit oder ohne iv-Kontrastmittel? Native, arterielle oder venöse Untersuchungsphase? Oder alle drei? CT oder MRT?“, schildert Dr. Florian Schwarz den Ansatz der Veranstaltung, die er gemeinsam mit Dr. Bernhard Bischoff moderiert.

Zerebrale CT-Perfusionsuntersuchung mit korrespondierender Darstellung...
Zerebrale CT-Perfusionsuntersuchung mit korrespondierender Darstellung verschiedener Perfusionsparameter. Die Diskrepanz zwischen Blutfluss und Blutvolumen spricht für einen frischen Infarkt.

CT – sowohl Basics als auch moderne Applikationen

Da es sich um die möglichst realistische Abbildung der Situation des Radiologen in der Nothilfe handeln soll, werden sich die meisten Fälle auf die CT beziehen, denn sie leistet neben der Projektionsradiographie den größten Teil der Bildgebung in der Notaufnahme. Die Moderatoren stellen dabei auch sehr moderne Anwendungsmöglichkeiten der CT vor: Anhand mehrerer Fälle wird beispielsweise nachgezeichnet, wann und wie die Dual-Energy-CT zur Unterscheidung von Blut und Kontrastmittel im Gehirn hilfreich sein kann. „Mehrere Kasuistiken beinhalten auch zerebrale CT-Perfusions-Untersuchungen, die eine Darstellung des zerebralen Blutflusses erlauben und somit auch die zerebrale Minderperfusion bzw. Ischämie erkennbar machen. Hier können auch wichtige Hinweise auf das Alter des Infarkts gewonnen werden“, so der Radiologe. Insbesondere bei den ischämischen Schlaganfällen mit unklarem Zeitfenster hilft das einzuschätzen, ob man durch eine Gefäßwiedereröffnung noch Gewebe retten kann oder nicht. So hat eine Revaskularisation bei frischen Infarkten Aussicht auf Erfolg, wohingegen bei einem älteren Infarktgeschehen seltener Hirngewebe gerettet werden kann; im Gegenteil kann eine Revaskularisation bei älteren Infarkten sogar zu einer Einblutung und damit zu einem viel größeren Schaden führen.

Abb. B: Akutes Abdomen bei einem 55-jährigen Patienten: Das CT des Abdomens...
Abb. B: Akutes Abdomen bei einem 55-jährigen Patienten: Das CT des Abdomens zeigt eine Umbilikalhernie mit Zeichen der Inkarzeration.
Abb. C: 20-jähriger Patient nach Hochrasanztrauma mit instabiler Fraktur der LWS und komplexem Verletzungsmuster der unteren Extremität.

Schnittstellen zur MRT beleuchten

Neben weiteren lebensbedrohlichen Notfällen, wie zum Beispiel einem rupturierten Bauchaortenaneurysma, versuchen Dr. Schwarz und Dr. Bischoff auch immer wieder, die Schnittstellen zur MRT zu beleuchten. Wo liegen die Grenzen der CT? Wann ist eine MRT sinnvoll? Hier wird die Rede unweigerlich auf den Spinalkanal kommen, denn Blutungen im Spinalkanal bei Wirbelsäulenverletzungen können mithilfe der CT häufig nur schwer erkannt und ihr Schweregrad kann nicht gut beurteilt werden. Auch wenn die Entscheidung für eine MRT in der Nacht meist mit hohen logistischen Herausforderungen verbunden ist, kann sie in machen Fällen unumgänglich sein. So auch bei Entzündungen und Läsionen des Gehirns. Intrakranielle Pathologien sind durch die CT oft sichtbar, aber erst mithilfe der MRT kann man die endgültige Diagnose stellen. Dr. Bischoff: „Die MRT kann in diesen Fällen meist viel genauer sagen, ob es sich um einen Tumor oder einen entzündlichen Prozess handelt. Gerade Letztere können sofortiges therapeutisches Handeln erfordern, um das Leben des Patienten zu schützen, und das ist häufig nur bei eindeutigem MRT-Befund möglich.“

Somit birgt die immer detailliertere Untersuchung der Patienten zunehmend auch das Risiko, kleinste Pathologien zu übersehen.

Dr. Florian Schwarz

Die moderne hochauflösende CT stellt die Radiologen in den Augen von Dr. Schwarz vor besondere Herausforderungen: „Bei der CT kann man so viel sehen, weil alles dünnschichtig in allen Ebenen rekonstruiert werden kann; es zeigen sich dann Pathologien, bei denen man sehr genau hinschauen muss. Somit birgt die immer detailliertere Untersuchung der Patienten zunehmend auch das Risiko, kleinste Pathologien zu übersehen, die mit älteren CT-Systemen nicht darstellbar gewesen wären.“

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Dr. Florian Schwarz ist radiologischer Facharzt am Institut für Klinische Radiologie am Campus Großhadern.

Profile:
Dr. Florian Schwarz hat sein Studium und seine Facharztausbildung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München absolviert. Seit 2015 ist er als radiologischer Facharzt am Institut für Klinische Radiologie am Campus Großhadern tätig. Sein Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt umfasst neben der Notfallradiologie auch die kardiale Bildgebung.


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Dr. Bernhard Bischoff

Dr. Bernhard Bischoff absolvierte nach dem Studium der Humanmedizin in München seine Facharztausbildung am Deutschen Herzzentrum München sowie an der Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Den Forschungsschwerpunkt von Dr. Bischoff stellt die kardiale Bildgebung dar.

Veranstaltung
Freitag, 22.01.2016, 13:30 Uhr
Radiologie in der Notaufnahme
Florian Schwarz und Bernhard Bischoff, München
Session: Radiologie in der Notaufnahme – eine interaktive Session

20.01.2016

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