Rektumkarzinom: auf integriertes Staging kommt es an
Radiologen müssen klinische Kompetenz aufbauen
Kolorektale Karzinome sind eine der häufigsten Tumorerkrankungen, die heute leider noch allzu oft in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert werden, unterstreicht Prof. Dr. Arnd-Oliver Schäfer, stellvertretender Leitender Oberarzt, Radiologische Universitätsklinik Freiburg.
Würde es gelingen, ein wirksames Screening zu etablieren, ließen sich Tumoren wesentlich früher erkennen, als es heute üblich ist – und das in Stadien, die für eine kurative Therapie gut zugänglich wären. Das Risiko einer Fernmetastasierung würde damit ebenfalls minimiert. „Somit könnten wir die Morbidität und Mortalität dieser schlimmen Erkrankung reduzieren.“ Diesen Wunschgedanken, so der Experte, hegt man seit Langem in den großen nationalen und internationalen Zentren.
Leider finden sich in unserem Krankengut immer jüngere Patienten, so Prof. Schäfer. Vor allem für das Rektumkarzinom fehlt bislang eine wirksame Vorsorgestrategie, so dass Tumoren erst symptomatisch erkannt werden – wenn sie ein aggressives Stadium erreicht haben und Schmerzen oder Blutungen verursachen. Lokale Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen sind dann bereits häufig etabliert.
Für das Rektumkarzinom – den häufigsten kolorektalen Tumor – wäre die starre Rektoskopie die angemessene Methode; sie ermöglicht das Identifizieren und die Biopsie von Polypen im Rektum. Wenn sich histopathologisch ein Karzinom bestätigt, dann stehen für das Staging zwei Verfahren zur Verfügung: die hoch spezialisierte Magnetresonanztomographie (MRT) und die endorektale Sonographie. Frühe Tumorstadien lassen sich sonographisch besser beurteilen, während die MRT einen umfassenderen Überblick über jene Fälle verschafft, in denen der Tumor bereits über die Wandschichten hinaus ins umgebende Fettgewebe eingedrungen ist. Die MRT sollte heute ein obligater Bestandteil der präoperativen Patientenabklärung sein.
Akzeptanz durch Qualität
Die Akzeptanz bei den Zuweisern für den Einsatz der MRT setzt sowohl eine hoch qualitative Untersuchung als auch eine Befundung nach dem aktuellen TNM-Schema voraus, unterstreicht Prof. Schäfer. Das beinhaltet beispielsweise auch die Messung des Tumorabstands zur mesorektalen Faszie als Planungsgrundlage für den Eingriff oder die Indikation für die neoadjuvante Radiochemotherapie. Bleiben die Radiologen hinter diesen Erwartungen zurück, werden die klinischen Kollegen die bequem verfügbare Computertomographie (CT) trotz der bekannten Schwächen der Modalität im kleinen Becken anfordern. Prof. Schäfer: „Es wird noch viel zu oft eine CT durchgeführt.“ Noch finden MR-Untersuchungen nur in circa 40 Prozent der Fälle für das Staging von Rektumkarzinomen Verwendung – ein bemerkenswert geringer Prozentsatz, beklagt der Experte.
Detektion von Fernmetastasen
Auch wenn die lokale Diagnostik mittels MRT erfolgt, ist in den meisten Fällen eine Abklärung von Fernmetastasen mittels CT gängige Praxis. Der Einsatz mehrerer Modalitäten erfordert mehrere Untersuchungstermine, was eine Entscheidung im Tumorboard zeitlich verzögert.
Staging all in one
Ein integriertes MRT-Staging schlägt seit 2006 das Freiburger Team um Prof. Schäfer vor: „Hier handelt es sich um eine lokale, hoch qualitative MR-Diagnostik mit Metastasen-Staging in einer einzigen Untersuchung von 30 Minuten Dauer. Unsere faszinierende Moving-Table-Technik mit bewegtem Patiententisch hat sich bisher jedoch leider nicht generell durchgesetzt.“
So funktioniert die Freiburger Methode, die das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit Medizinphysik, Radiologen und Industrie ist: Zunächst wird der Tumor lokal mit hochaufgelöster Bildgebung einschließlich funktioneller Methoden – Diffusion und Perfusion – analysiert. Daraufhin bewegt man den Patienten mit definierter Geschwindigkeit und bei angepassten Messsequenzen durch den Scanner und gewinnt Aufnahmen von Thorax und Abdomen. Somit werden potenzielle Metastasenlokalisationen abgedeckt. In Freiburg hat sich diese bahnbrechende Methode in der Routine etabliert, weil Metastasen, etwa in der Lunge und in der Leber, sicher dargestellt werden. Prof. Schäfer: „Die Anwendung integrierter Staging-Methoden ist für metastasierende Tumoren ein Muss.“
MR zur Einschätzung des Therapieerfolgs
MR-Untersuchungen können ferner wertvolle Informationen nach neoadjuvanter Radiochemotherapie liefern, so Prof. Schäfer weiter. Erst der Vergleich der MRT vor und nach Abschluss dieser Therapie ermöglicht eine Einschätzung, inwieweit Patienten von der Vorbehandlung profitiert haben, ob eine Regression eingetreten ist und ob ein Downstaging erzielt werden konnte. Eine Wiederholung des Metastasen-Stagings ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls von hoher klinischer Relevanz, da sich aufgrund der Ergebnisse Änderungen im Therapiekonzept ergeben können. Prof. Schäfer: „Akzeptiert wird als Radiologe in Tumorboards, wer qualifizierte Ergebnisse auf Basis solcher Untersuchungen liefert.“ Wie beispielsweise in England sollten Radiologen auch hierzulande in Trainingscamps für solche Diagnosen geschult werden.
Information:
Integrierte Moving-Table-MRT zur Detektion von Rezidiven
Rezidive resezierter Rektumkarzinome können lokal beziehungsweise als Fernmetastasen vor allem in Leber, Lunge oder Lymphknoten auftreten. Basierend auf neuen Therapieansätzen in Chirurgie, Strahlentherapie und medizinischer Onkologie lassen sich solche Rezidive heute erfolgreicher behandeln als früher – zum Teil sogar heilen, beschreibt Dr. Tobias Baumann, Oberarzt, Radiologische Universitätsklinik Freiburg.
Patienten müssen so überwacht werden, dass Rezidive möglichst früh erkannt werden. Aber die rechtzeitige Entdeckung reicht für eine gezielte und erfolgreiche Behandlung nicht aus. „Wir müssen als Diagnostiker ein umfassendes Konzept anbieten, das die gesamte Tumorausdehnung beschreibt und eine präzise Therapieplanung erlaubt“, führt der Oberarzt aus.
Auch hier eignet sich besonders die integrierte MRT mit einer hochaufgelösten Darstellung des Beckens sowie einer Abbildung der möglichen Metastasierungswege in Thorax und Abdomen mithilfe der Moving-Table-MRT in einer Untersuchung von 30 Minuten Dauer. Ein weiteres Ganzkörperverfahren, das hier häufig Anwendung findet, ist die PET-CT. Beide Verfahren bieten aber keine 100-prozentige Genauigkeit, sodass erst die Kombination von MRT und PET in komplexen Fällen alle Tumorlokalisationen aufdecken kann.
„Diese Kombination bringt die besten Ergebnisse“, so Dr. Baumann, dessen Team eine Studie zur retrospektiven Fusion von Bildern aus beiden Modalitäten durchgeführt und publiziert hat. Dr. Baumann: „Dieser hohe Aufwand lässt sich nur für ein hochselektives Patientengut vertreten, bei denen die Kliniker entsprechende Behandlungsoptionen sehen.“ Ob die neuen, noch teuren MR-PET-Hybridgeräte zu neuen Möglichkeiten in der Routine führen, lässt sich noch nicht abschätzen, so der Oberarzt.
IM PROFIL
Prof. Dr. Arnd-Oliver Schäfer stammt aus Kronach und hat den überwiegenden Teil seines radiologischen Werdegangs in der Abteilung Röntgendiagnostik des Universitätsklinikums Freiburg absolviert. Unter Prof. Langer leitet er seit 2002 die Klinische MRT mit einem speziellen Fokus auf onkologischen Fragestellungen und hat in dieser Zeit neue Untersuchungs- und Therapieverfahren in die klinische Routine eingeführt. Er ist darüber hinaus stellvertretender Leitender Oberarzt.
IM PROFIL
Dr. Tobias Baumann stammt aus Erlangen und hat auch dort sein Studium absolviert. Seit 2004 ist er in der Radiologischen Klinik der Universitätsklinik Freiburg (Prof. Langer) tätig und ist seit 2012 Oberarzt der Abteilung. Seine Spezialgebiete umfassen die onkologische MRT und die Bildnachverarbeitung.
27.05.2013