Biobanken
Qualitative Lagerung von Blut- und Gewebeproben ist unerlässlich
Viele Krankenhäuser archivieren Blut- und Gewebeproben ihrer Patienten, die eine Ressource für die medizinische Forschung sein könnten. Der Wert dieser Archive, der sogenannten Biobanken, für die Forschung und somit den Fortschritt der Medizin hängt von der Qualität der Proben und Daten ab. Hohe und einheitliche Qualitätsstandards sind langfristig aber nur in zentralen Biobanken zu erreichen, so ein Experte auf der Pressekonferenz zur MEDICA EDUCATION CONFERENCE 2015 in Berlin.
Biobanken sind Sammlungen biologischer Materialien, wie beispielsweise Gewebeproben und Körperflüssigkeiten, von Patienten oder gesunden Probanden. Diese Sammlungen sind wahre Schatzkammern für die Forschung. Denn diese muss, um dem Einfluss von Genen auf Krankheiten auf die Spur zu kommen oder für Krebsarten neue Therapien zu finden, oft Zehntausende von Blut- und Gewebeproben untersuchen und mit Patientendaten vergleichen. Viele Kliniken in Deutschland könnten die Forschung dabei mit Krankenhaus integrierten Biobanken unterstützen. Die Zusammenarbeit steht in der Praxis aber vor einigen Herausforderungen, weiß Professor Dr. Dr. med. Jens Habermann. Er betreibt an der Universität zu Lübeck den Aufbau einer Biobank, die mehr als 21 Kliniken und Institute des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) am Campus Lübeck vereint.
Beim Aufbau und Betreiben von Biobanken sind datenschutzrechtliche und ethische Regularien einzuhalten. So werden alle Daten, die einen Rückschluss auf den Proben-Spender erlauben könnten, mehrfach pseudonymisiert bzw. anonymisiert. Eine größere Herausforderung stellen derzeit aber die Standards zu Gewinnung, Aufbereitung und Lagerung der biologischen Materialien dar: „Bis heute ist es der Forschung nur vereinzelt gelungen, wertvolle Erkenntnisse aus dem Labor in die klinische Anwendung zu bringen. Ein Grund hierfür liegt in der überwiegend geringen Qualität der Proben, an denen die Forschung durchgeführt wird“, erläutert Professor Habermann, „Die Schaffung dieser Qualitätsstandards ist daher in den letzten Jahren zu einem eigenen, neuen Forschungszweig geworden.“ Zwei internationale Fachgesellschaften, die ISBER (International Society for Biological and Environmental Repositories) und die ESBB (European, Middle Eastern & African Society for Biopreservation & Biobanking), würden sich dabei um eine weltweite Vereinheitlichung bemühen. Diese sei notwendig, da Forscher häufig die Daten von Zehn-, ja Hunderttausenden Proben auswerten müssen, um zu Ergebnissen zu gelangen – eine Vereinheitlichung vergrößere den Probenpool.
Der neue Forschungszweig konzentriert sich nach Professor Habermann auf sechs Bereiche: Dazu gehört die Bioprobenforschung, die die Einflussfaktoren auf die Probenqualität untersucht. Die Kryobiologie geht den Auswirkungen von Tieftemperaturen auf die Proben nach. Auch Qualitätsmanagement, Informationstechnologie, Geräteausstattung sowie ethische, rechtliche und soziale Belange müssten nach Möglichkeit vereinheitlicht werden, um die Ressourcen der Biobanken für die Forschung zu erschließen.
Optimale Bedingungen für die Forschung seien langfristig nur in zentralen Biobanken zu realisieren, da es arbeits- und kostenintensiv ist, den geforderten Ansprüchen gerecht zu werden. Wenn alle Biobanken einer Klinik an einem Ort zusammengefasst werden, könne dies zwar neue Probleme schaffen: „Die zentrale Biobank muss dafür sorgen, dass die Abläufe standardisiert und qualitätsgesichert sind. Sie darf dadurch die klinische Versorgung aber nicht verzögern oder behindern“, sagt der Experte. Es lohne sich aber, diese Schwierigkeiten zu überwinden. „Zentrale Biobanken bieten die einzigartige Chance, langfristig maßgeschneiderte Therapien für den einzelnen Patienten zu ermöglichen.“ Sie könnten ein Bindeglied zwischen Routine-Krankenversorgung auf der einen und experimenteller Forschung auf der anderen Seite sein. Ohne eine Zentralisierung ist dies nach Überzeugung von Professor Habermann nicht möglich: „Ohne zentrale Biobanken ist kein Fortschritt der Medizin möglich und eine individualisierte Medizin nicht realisierbar.“
Quelle: DGIM
11.09.2015