Forschung

Proteine von der Rolle

Um das Wachstum günstig zu beeinflussen, werden bei der Züchtung von Zellen immer öfter proteinbeschichtete Kulturschalen eingesetzt. Wissenschaftler haben eine Anlage entwickelt, mit der sich Proteinmuster im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf Folie drucken lassen. Große Stückzahlen können somit kostengünstig und effizient hergestellt werden.

Im Rolle-zu-Rolle-Verfahren werden die Proteine auf großflächige...
Im Rolle-zu-Rolle-Verfahren werden die Proteine auf großflächige Foliensubstrate gedruckt.
Quelle: Fraunhofer IBMT (Foto: Thorsten Knoll).

Zellen sind der kleinste lebende Baustein eines Organismus und damit auch ein gefragter "Werkstoff" für die biomedizinische Forschung: Als Komponente von Biosensoren kommen sie etwa in der Diagnostik, Arzneimittelentwicklung oder Umweltanalytik zum Einsatz. All diese Bereiche lassen sich – zum Nutzen des Verbrauchers – durch die Züchtung von Zellen vorantreiben. Zellen, wie sie natürlicherweise in menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Organismen vorkommen, künstlich im Labor zu züchten, ist indes nicht so einfach. Denn auch Zellen sind in der Lage, ihre Umgebung wahrzunehmen – und ein "fremdes" Umfeld kann beispielsweise zu Änderungen der Form oder des Verhaltens führen. Damit verlieren die Zellkulturen jedoch an Aussagekraft. "Das ist, als wollte man das typische Verhalten eines Großstadtbewohners analysieren und setzt ihn dazu in der Wüste aus", sagt Dr. Thomas Velten vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik Ibmt in St. Ingbert.

Gegensteuern lässt sich, indem man ein Substrat, zum Beispiel den Boden einer Kulturschale, mit Proteinen beschichtet – die Zellen fühlen sich dadurch "heimischer". Sämtliche bisherigen Methoden haben jedoch Nachteile. Beim Spin-Coating etwa wird ein Tropfen Proteinflüssigkeit in die Mitte des Substrats gegeben und durch eine Art Schleudervorgang auf der Oberfläche verteilt: "Ein beträchtlicher Teil der Flüssigkeit landet dabei außerhalb des Substrats und geht ungenutzt verloren", erklärt Velten. Anders beim Micro Contact Printing: Hier werden feine Proteinstrukturen im Mikrometerbereich auf das Substrat gedruckt. Das ist nicht nur ressourcenschonender, sondern hat auch den Vorteil, dass sich damit sehr feine Proteinstrukturen realisieren lassen, an denen sich die Zellen ausrichten. So kann man die Anordnung der Zellen gezielt steuern. Für großflächige low-cost-Anwendungen, wie sie in der Biotechnologie benötigt werden, ist das Verfahren jedoch zu aufwändig und teuer.


Proteintinte ohne Lösungsmittel
Die Wissenschaftler vom Fraunhofer Ibmt gehen daher einen neuen Weg: Gemeinsam mit der Firma Saueressig entwickelten sie eine Rolle-zu-Rolle-Druckanlage, in der sich mikrostrukturierte Proteinmuster auf großflächige Foliensubstrate aufbringen lassen. Die Rolle-zu-Rolle-Technik ist eine gängige Methode, um große Flächen schnell und kostengünstig zu bearbeiten. Ähnlich wie beim Zeitungsdruck wird das Substrat dabei zunächst auf eine Rolle gewickelt. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich eine leere Rolle. Dazwischen laufen die Druckprozesse ab, wobei das Substrat jeweils auf die leere Rolle auf der anderen Seite gespult wird. Allerdings lässt sich das Verfahren nicht einfach eins zu eins auf Anwendungen in der Biotechnologie übertragen. So ist etwa die standardmäßig verwendete Tinte als Druckmedium ungeeignet. "Damit die Tinte schnell trocknet, werden ihr oft Lösungsmittel zugesetzt. Diese zerstören aber die Proteine", erläutert Velten. Die Experten am Ibmt entwickelten daher eine neuartige, spezielle Proteintinte. Genauso mussten sie sicherstellen, dass auch die anderen verwendeten Materialien, etwa das Foliensubstrat, biokompatibel sind.

Auf ersten Substraten, die mit der neuen Anlage beschichtet wurden, konnten die Projektpartner bereits verschiedene Zelltypen erfolgreich kultivieren. Mittlerweile steht die Demonstrator-Produktionsanlage auch für die Entwicklung kundenspezifischer Druckprozesse zur Verfügung. Die maximale Folienbreite liegt derzeit bei 30 Zentimetern. Die kleinsten druckbaren Strukturen liegen im Bereich von 10 bis 20 Mikrometern. Als nächstes wollen Velten und sein Team auch leitfähige Strukturen im Rolle-zu-Rolle-Verfahren drucken und mit den Proteinmustern kombinieren. »Damit soll es langfristig möglich werden, komplette Biosensoren im Druckverfahren herzustellen", so Velten. Konkrete Anwendungen haben die Wissenschaftler dabei auch schon im Blick: In zwei aktuellen Forschungsprojekten arbeiten sie an Sensoren zur Validierung von antiviralen Substanzen sowie an einem kostengünstigen Analysesystem auf Folie – Experten nennen es lab-on-a-foil-System – für die Vor-Ort-Messung eines Blutzucker-Markers.

 

Quelle: Pressemitteilung Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik

12.12.2014

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