Artikel • Prostata-Update

Prostatakrebs: MRT vor jeder Biopsie

Der multiparametrischen MRT kommt seit Kurzem bei der Primärdiagnose des Prostatakarzinoms eine wesentliche Rolle zu. Eigentlich unerklärlich, warum sich ausgerechnet bei der Prostatadiagnostik die Bezeichnung ‚multiparametrische MRT‘ (mpMRT) etabliert hat“, wundert sich Prof. Dr. Michael Lell, Chefarzt für Radiologie und Nuklearmedizin und Lehrstuhlinhaber für Radiologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Nürnberg: „Denn bei fast allen MRT-Untersuchungen werden mehrere Parameter berücksichtigt.“

Bericht: Michael Krassnitzer

profile of michael lell
Prof. Dr. Michael Lell ist Chefarzt für Radiologie und Nuklearmedizin und Lehrstuhlinhaber für Radiologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Nürnberg

Im Fall der Prostatadiagnostik sind dies T1- und T2-gewichtete Sequenzen, die Diffusionsbildgebung (DWI), das dynamische Kontrastmittelenhancement (DCE) und die MR-Spektroskopie (MRS): die T1-Bildgebung des Beckens zur Beurteilung des Knochens und für Blutnachweis, DWI zur Beurteilung der Zelldichte – für die Klassifikation von Läsionen in der peripheren Zone der Prostata von besonderer Bedeutung –, die T2-Gewichtung für die zonale Beurteilung der Prostata und die Klassifizierung von Läsionen in der Transitionalzone und die Prostataspektroskopie zur Messung der Konzentration von spezifischen Metaboliten (Zitrat, Cholin). Mittels DCE wird wiederum festgestellt, wie schnell das Kontrastmittel in der Prostata-Region anflutet und diese wieder verlässt. Rascher Anstieg und rasches Auswaschen sind dabei ein typisches Zeichen für einen bösartigen Tumor.

Ersatz für die Biopsie ist die mpMRT bei der endgültigen Diagnose freilich nicht, sondern eine willkommene Ergänzung

Michael Lell

Durch die überzeugende Datenlage kommt der mpMRT eine wichtige Rolle bei der Prostatadiagnostik zu. Während sie noch vor wenigen Jahren in den Leitlinien keine, bzw. eine untergeordnete Rolle spielte, ist die MRT-Untersuchung in der zuletzt im April 2018 aktualisierten S3-Leitlinie fest verankert, bereits bei der Primärdiagnose wird sie nun empfohlen. Dies ist bereits in der klinischen Praxis angekommen, auch wenn es hier regional noch große Unterschiede gibt. „In einigen Zentren wird nur noch nach MRT-Bildgebung biopsiert“, berichtet Lell: „Eine Biopsie ist mit einem Blutungs- und einem Infektionsrisiko verbunden, es besteht die Gefahr, dass man den Tumor nicht oder nur unzureichend trifft und außerdem ist sie für die Patienten unangenehm. Ersatz für die Biopsie ist die mpMRT bei der endgültigen Diagnose freilich nicht, sondern eine willkommene Ergänzung. Wenn man genau weiß, wo sich das Ziel befindet, dann ist die Treffsicherheit dank dieser Technik viel höher“, erklärt Lell.

„Für die mpMRT der Prostata liegen exzellente und hochrangig publizierte Daten vor“, betont der Nürnberger Radiologe. In der 2017 im „Lancet“ veröffentlichten PROMIS-Studie wurden 740 Männer eingeschlossen, nach Durchführung der MRT-Untersuchung unterzogen sie sich sowohl einer TRUS-Biopsie als auch einer Saturationsbiopsie (diese diente als Goldstandard). Es stellte sich heraus, dass mithilfe der mpMRT bei 27 Prozent der insgesamt 740 eingeschlossenen Patienten eine Biopsie hätte vermieden werden können und dass es zu fünf Prozent weniger Diagnosen von klinisch insignifikanten Tumoren, also Tumoren, die keiner aktiven Therapie bedürfen, gekommen wäre. Durch die Kenntnis der MRT-Ergebnisse vor der TRUS-Biopsie hätten bis zu 18 Prozent mehr klinisch signifikante Tumore entdeckt werden können.

+ 3 weitere Bilder

In der 2018 im „New England Journal of Medicine“ publizierten PRECISION-Studie wurden diese Ergebnisse bestätigt. 500 Männer mit klinischem Verdacht auf ein Prostatakarzinom wurden randomisiert, 28 Prozent der Männer im MRT-Studienarm hatten keinen Hinweis auf einen Tumor in der mpMRT und wurden deshalb nicht biopsiert. Bei 38 Prozent der Männer im MRT-Studienarm wurde ein signifikantes Karzinom diagnostiziert, im Kontrollarm wurde bei 26 Prozent der Männer ein signifikantes Karzinom diagnostiziert. Die Autoren folgern, dass die Durchführung eines MRT vor der Biopsie und die MRT-gezielte Biopsie der TRUS-Biopsie überlegen ist. „Diese exzellenten Ergebnisse können allerdings nur erreicht werden, wenn eine sehr hohe Expertise und ein hoher Grad an Spezialisierung gegeben ist“, betont Lell.

In der aktuellen S3-Leitlinie wird darauf hingewiesen, dass die mpMRT-gestützte Biopsie eine Verbesserung der Detektion signifikanter Karzinome (ca. 10%) gegenüber der systematischen Biopsie alleine bewirken kann, dass jedoch auch signifikante Karzinome in der MRT unerkannt bleiben können. „Deshalb wird die Kombination aus MRT-gestützter gezielter Biopsie und systematischer Biopsie empfohlen“, fasst Lell zusammen.

Der Nürnberger Chefarzt warnt jedoch auch vor übertriebenem und nicht leitlinienkonformem Einsatz der Untersuchungsmethode. So wird in manchen Internet-Auftritten mpMRT mit „Screening“ in Verbindung gebracht. „Mit Screening nach den strengen qualitätsgesicherten Richtlinien zum Beispiel des Mammografie-Screenings hat dies allerdings nichts zu tun“, betont Lell. Die S3-Leitlinie sagt dazu im Wortlaut: „Für die Früherkennung eines Prostatakarzinoms sind bildgebende Verfahren als primäre Untersuchung nicht geeignet.“

Profil:

Prof. Dr. Michael Lell ist Chefarzt für Radiologie und Nuklearmedizin und Lehrstuhlinhaber für Radiologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Nürnberg. Der gebürtige Landshuter absolvierte sein Studium der Humanmedizin in Regensburg und München. 1998 wurde er Assistenzarzt und wissenschaftlicher Angestellter am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen, machte dort 2003 seinen Facharzt für Diagnostische Radiologie und wurde Oberarzt. Bis zu seinem Weggang nach Nürnberg 2016 war Lell dort als ständiger Vertreter des Institutsdirektors tätig. Schwerpunkte seiner Forschungsaktivitäten sind onkologische Bildgebung, Intervention, Strahlenschutz in der Radiologie sowie kardiovaskuläre Bildgebung, mit der er sich während eines einjährigen Forschungsaufenthalts am „Department of Radiological Sciences an der University of California“ in Los Angeles 2006 intensiv beschäftigte.

Veranstaltungshinweis:
Freitag, 28. September 2018, 11:30–11:50
Raum: Röntgen-Saal
Session: Symposium 3 – Hot Topic Prostata – Bildgebung und Therapie
Multiparametrische MRT der Prostata
Prof. Dr. Michael Lell (Nürnberg)

28.09.2018

Verwandte Artikel

Photo

Artikel • Prostatakrebs-Detektion

Mit dem Kernspin sieht man besser

Die MRT spielt bei der Detektion von Prostatakarzinomen zur Zeit noch eine Nebenrolle – zu Unrecht, findet PD Dr. Friedrich Aigner, Leiter des Bereiches Uroradiologie am Department Radiologie der…

Photo

Artikel • Gemeinsam stark

Prostata: Fusion von Ultraschall und MRT

Die Kombination von Fusionsbiopsie mit der herkömmlichen Zwölffach-Stanzbiopsie ist der alleinig durchgeführten Zwölffach-Stanzbiopsie bei der Diagnose von Prostatakrebs überlegen. In den…

Photo

News • Studie belegt onkologische Sicherheit

MRT statt Biopsie bei Verdacht auf Prostatakrebs

Bei Verdacht auf Prostatakrebs und erhöhtem PSA-Wert wird oft eine Stanzbiopsie durchgeführt. Laut einer neuen Studie lässt sich durch Einsatz von MRT die unangenehme Prozedur jedoch umgehen.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren