Artikel • Prostatakrebs-Detektion
Mit dem Kernspin sieht man besser
Die MRT spielt bei der Detektion von Prostatakarzinomen zur Zeit noch eine Nebenrolle – zu Unrecht, findet PD Dr. Friedrich Aigner, Leiter des Bereiches Uroradiologie am Department Radiologie der Medizinischen Universität Innsbruck, denn das Verfahren gewährt Einblicke, die der konventionellen Sonografie verwehrt bleiben. In seinem Vortrag auf dem Bayerisch-Österreichischen Röntgenkongress beschreibt der Uroradiologe die wichtigsten Vorteile der MRT gegenüber dem aktuellen Leitlinien-Standard, der Biopsie bei transrektalem Ultraschall (TRUS).
Bericht: Wolfgang Behrends
Im Gegensatz zur TRUS-gestützten Biopsie, die systematisch, also in vordefinierten Zonen durchgeführt wird, schaltet die MRT-Untersuchung gewissermaßen den Zielsucher ein: Weil signifikante Karzinome verlässlich dargestellt werden, lassen sich derart identifizierte Herde gezielt biopsieren. Das ist grundsätzlich auch per Ultraschall möglich, berichtet Aigner: „Mittlerweile kann man auch mithilfe neuerer Techniken wie der Duplex-Sonografie oder Elastographie gezielt biopsieren. Das ist allerdings sehr untersucherabhängig und erfordert viel Erfahrung.“ Zudem sind Geräte mit den entsprechenden Funktionen noch nicht flächendeckend in den niedergelassenen Praxen vorhanden.
Für Aigner hat die MRT hier klar die Nase vorn: „Dank standardisierter Protokolle entstehen einheitliche Aufnahmen der Prostata. Zudem erhält der Urologe einen radiologischen Befundbericht. Darin wird das Krebsrisiko eines Patienten und die Lokalisation verdächtiger Läsionen festgehalten – auf dieser Grundlage kann man ganz gezielt biopsieren.“ Der Experte rät seinen Kollegen daher, vor jeder Biopsie eine MR-Aufnahme zu erstellen.
Es kommt (im Kernspin) nicht auf die Größe an
Die MRT ‚durchschaut‘ die Prostata auch in Fällen, bei denen der Ultraschall an seine Grenzen stößt: „Manche Patienten bringen es auf ein Prostatavolumen von 150 Millilitern und mehr. In der Sonographie sind die Schallkopf-fernen Bereiche bei dieser Größe nicht mehr zu diagnostizieren, im MRT dagegen erhalte ich exzellente Bilder, weil die Eindringtiefe keine Rolle spielt.“ Das Volumen allein sagt im Übrigen wenig über das Krebsrisiko aus, betont der Uroradiologe: „Normalerweise fasst die Prostata zwar nur zwischen 30 und 40 ml, aber im Alter kann die Drüse infolge von Entzündungen, Hypertrophie und ähnlichen Faktoren sehr viel größer werden, ohne dass zwangsläufig ein Tumor vorliegt.“
Solche harmlosen Blessuren, die die Prostata im Laufe eines Lebens ansammelt, sind nicht ohne Weiteres von Krebs zu unterscheiden. Das prostataspezifische Antigen (PSA) als wichtigster Biomarker ist lediglich als Indiz zu verstehen. Selbst harte Tastbefunde bei der digital-rektalen Untersuchung können auf harmlose Verkalkungen oder Adenomknoten zurückgehen. „Gewissheit liefert nur die Biopsie“, sagt Aigner. Die MR-Bildgebung kann jedoch einen bestehenden Verdacht entkräften oder bestätigen und damit vielen Patienten unnötige Gewebeentnahmen ersparen.
Leider scheitert ein flächendeckendes MRT-Screening scheitert jedoch an den Kosten und der mangelnden Verfügbarkeit der Geräte. Aufgrund der hohen Sensitivität der MRT ist die Nachfrage nach diesem Verfahren deutlich gestiegen, berichtet der Experte: „Viele Patienten verlangen mittlerweile eine MRT-Untersuchung, bevor eine Biopsie durchgeführt wird. Als zusätzliches diagnostisches Tool hat das Verfahren ganz klar eine Berechtigung.“
Gezielte oder systematische Biopsie?
Die Frage, welcher Biopsietechnik der Vorzug zu geben ist, lässt sich schwerer beantworten, als es auf den ersten Blick scheint: Nach aktuellem Forschungsstand lassen sich dank systematischer Biopsie mehr Karzinome in der Prostata auffinden. Vergleicht man aber den Anteil signifikanter Läsionen – also solche, an denen der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit verstirbt – hat die gezielte Biopsie die Nase vorn.
Sollten Patienten mit insignifikanten Karzinomen in süßer Unwissenheit belassen werden? Oder ist es dem Betroffenen zuzumuten, dass er um den – wahrscheinlich harmlosen – Krebs in seinem Körper weiß? „Diese Frage muss jeder Urologe für sich beantworten“, findet Aigner. Belastbaren Patienten erspart man bei unkritischen Funden die möglichen Komplikationen einer Operation. Sie werden stattdessen in die Active Surveillance aufgenommen. Auch hier kann die MRT ihre Stärken ausspielen und bei der Verlaufskontrolle Aussagen über die Aggressivität des Karzinoms ermöglichen.
Fusionsbiopsie: Der Abgleich ist entscheidend
Wer mit der Fusionsbiopsie auf die vereinten Stärken von Ultraschall und MRT baut, sollte laut Aigner gut mit beiden Modalitäten vertraut sein: „Im Endfire-Modus der Ultraschallsonde unterscheidet sich der Schichtwinkel durch die Prostata erheblich vom MRT-Bild“, warnt der Experte. „Wenn man beide Aufnahmen nicht sehr genau abgleicht, kann es passieren, dass sich der Tumor an einer anderen Stelle zeigt und man das falsche Gebiet biopsiert.“
Profil:
PD Dr. Friedrich Aigner ist Leiter des Bereiches Uroradiologie am Department Radiologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Sein wissenschaftliches Interesse gilt insbesondere der Wertigkeit moderner transrektaler Ultraschalltechniken (Elastographie, echosignalverstärkter Ultraschall) in der Prostatakrebsdiagnostik, der multiparametrischen MRT beim Prostatakarzinom, der Wertigkeit des B-Bild- und des Doppler-Ultraschalls, der Ultraschall-Elastographie und des echosignalverstärkten Ultraschalls bei Hodenpathologien sowie Fusionstechniken in der Uroradiologie.
Veranstaltungshinweis:
Freitag, 27. September 2019, 12:00-12:15 Uhr
Raum Rosenheim
Session: Radiologie trifft Urologie: Prostata
Von der mpMRT der Prostata zur Bildfusion – TRUS/MRT/Biopsie: Tipps und Tricks
PD Dr. Friedrich Aigner (Innsbruck/AT)
27.09.2019