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Artikel • Aktualisierte Stellungnahme
Pneumologen geben Entwarnung: Asthma kein Risikofaktor für schwere Covid-19-Verläufe
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) legte gemeinsam mit dem Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag, 26. November eine aktualisierte Stellungnahme mit neuen Daten zur Risikoabschätzung bei Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie vor. Der Tenor war positiv: Demnach kommt es lediglich bei einer Minderheit von weniger als fünf Prozent der Infizierten zu schweren, potenziell tödlichen Verläufen. Zudem gibt es neue Erkenntnisse bezüglich der Risikogruppen. So zählen Asthmatiker nicht mehr dazu.
Report: Sonja Buske
Asthma jeglichen Schweregrades und unabhängig vom Alter des Patienten habe sich in bisherigen Studien nicht als eigenständiger Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf erwiesen. „Wir können uns hier ganz deutlich positionieren, denn die Datenlage ist erstaunlich klar“, sagt Professor Dr. Marek Lommatzsch, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie des Zentrums für Innere Medizin der Universitätsmedizin Rostock und Hauptautor der aktualisierten Stellungnahme.
Auch die Therapie mit niedrig- oder mittelhochdosierten inhalativen Steroiden, wie sie die übergroße Mehrheit der acht Millionen Asthmatiker in Deutschland erhält, sei unbedenklich. „Einzig bei der Therapie mit hochdosierten inhalativen Steroiden sowie bei einer systemischen Steroidtherapie ist eine Anpassung der Medikation ratsam, da es Hinweise darauf gibt, dass sie das Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen“, erläutert Lommatzsch „Hier bietet sich eine Umstellung auf eine Therapie mit Biologika an.“ Wichtig ist dem Experten jedoch, dass Patienten nicht eigenmächtig ihre Medikation anpassen oder gar absetzen, sondern stets Rücksprache mit ihrem Facharzt halten.
Häusliche Isolation oder besondere Vorsichtsmaßnahmen seien für Asthmatiker dagegen überhaupt nicht notwendig. „Sie können ganz normal zur Arbeit oder zur Schule gehen. Das Risiko, sich zu infizieren, liegt für jeden Menschen bei 100 Prozent. Es geht einzig und allein um das Risiko für einen schweren Verlauf, und das ist bei Asthmatikern nicht erhöht.“
Keine Selbstisolation notwendig
Ähnliche Empfehlungen gelten auch für die Therapie von chronischen Erkrankungen wie der Sarkoidose, für die ebenfalls kein erhöhtes Risiko festgestellt werden konnte, solange die Lunge nicht zu stark vorgeschädigt ist. „Auch hier wird die Fortführung der immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapie mit der niedrigsten noch wirksamen Dosis in jedem Fall empfohlen“, sagt Professor Dr. Torsten Bauer, stellvertretender Präsident der DGP und Mitautor des Positionspapieres. Bei einer Unterbrechung der Therapie sei davon auszugehen, dass der Schaden durch eine Verschlechterung der Grunderkrankung den Nutzen in Bezug auf das Covid-19-Risiko überwiege. Einen vorbeugenden Daueraufenthalt zu Hause empfiehlt er selbst bei erhöhtem Risikoprofil nicht. „Die Bewegung an der frischen Luft ist immens wichtig und eher förderlich für die Gesundheit, als das sie schadet.“ Auf die Einhaltung der geltenden Hygieneregeln müsse aber in jedem Fall geachtet werden.
COPD: Mäßig hohes Risiko
Ein mäßig erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben hingegen COPD-Patienten. Da die Krankheit oft durch Nikotinkonsum verursacht wird, leiden diese Patienten zudem vermehrt unter kardiovaskulären Begleiterkrankungen, wodurch sich das Risiko nochmals erhöht. „Die Pandemie ist ein guter Zeitpunkt, um mit dem Rauchen aufzuhören“, findet Bauer.
Deutlich erhöht ist das Risiko für einen schweren Verlauf bei Menschen mit Immunsuppression oder Lungenfibrose. Sie müssen nach Rücksprache mit ihren Fachärzten besondere Schutzmaßnahmen ergreifen, wie z. B. das Tragen von FFP2-Masken. Außerdem raten die Lungen-Experten unbedingt zu einer Impfung gegen Pneumokokken, die eine Vielzahl der bakteriellen Lungenentzündungen verursachen.
Schwerer Verlauf erst nach sieben Tagen
Die beiden Verbände möchten mit dem Positionspapier der Verunsicherung von Patienten und behandelnden Ärzten entgegenwirken, und die Risikoabschätzung bei unterschiedlichen chronischen Erkrankungen – insbesondere der Atmungsorgane – erleichtern. Denn das Tückische an Covid-19 sei, dass sich ein schwerer Verlauf erst nach etwa sieben Tagen zeigt. „Dann können aber ganz plötzlich Luftnot, schnelles Atmen und ein Abfall der Sauerstoffsättigung hinzukommen“, erläutert Lommatzsch, „und dann muss der Patient sofort ins Krankenhaus.“ Deshalb sei es so wichtig zu wissen, welche Patienten zu den Risikogruppen gehören, um bei ihnen besonders wachsam zu sein. „Die moderne Intensivmedizin kann heute sehr viel erreichen“, macht Lommatzsch allen Patienten Mut. Und sein Kollege Bauer geht noch einen Schritt weiter: „Wir werden alle gut durch diesen Winter kommen, insbesondere weil andere Atemwegserkrankungen wie die Grippe oder die Lungenentzündung durch die Abstands- und Hygieneregeln deutlich reduziert werden konnten.“
27.11.2020