Links: Tumorgewebe von Patienten. Rechts: Aus dem Tumorgewebe generierte...
Links: Tumorgewebe von Patienten. Rechts: Aus dem Tumorgewebe generierte Tumor-Organoide. Aufnahme mit dem einem Hellfeldmikroskop. Maßstab: 100µm = Querschnitt eines menschlichen Haares.

© Jasmitha Boovadira Poonacha, Arbeitsgruppe: Jr. Prof. Elena Reckzeh

News • Forschungsprojekt „ISPOT-K“

Organoide und digitaler Zwilling für personalisierte Darmkrebs-Therapie

Therapieempfehlungen für Darmkrebspatienten zu verbessern: Das ist das Ziel eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Kooperationsprojekts zwischen der Universität Bonn, dem Unternehmen ESQlabs und dem Universitätsklinikum Bonn (UKB).

Auch wenn die Diagnose gleich lautet, verläuft Darmkrebs bei Erkrankten nie gleich: Wie der Tumor sich ausbreitet, welche Therapie und Medikamente anschlagen, das ist von Patient zu Patient unterschiedlich. 

Herkömmliche Krebstherapien basieren in der Regel auf persönlichen Informationen wie Alter und Geschlecht, Krebsart und -stadium, histologischen Informationen und ausgewählten genetischen Informationen. Diese Informationen sagen jedoch nichts darüber aus, wie ein Patient auf eine Behandlung ansprechen wird. Hier setzt das Team von der Universität Bonn und ESQlabs mit einer neuen Idee an: Das „ISPOT-K“-Team kombiniert organoidbasierte Tests mit computergestützten Modellierungen, um einen digitalen Zwilling von jedem Darmkrebspatienten zu generieren und so die wirkungsvollste und nebenwirkungsärmste Therapie vorzuschlagen.

Wir stellen uns vor, dass diese leistungsstarke Kombination die sicherste und wirksamste Therapie liefert, die auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten ist

Elena Reckzeh

3D-Organoide werden aus Gewebe hergestellt, das so gezüchtet wird, dass sie die Struktur und Funktionalität eines menschlichen Organs imitieren. Am LIMES-Institut der Universität Bonn ist die Arbeitsgruppe von Jun.-Prof. Dr. Elena Reckzeh auf die experimentelle Organoid-Technologie spezialisiert: Sie kultiviert Tumorgewebeproben, die direkt von Darmkrebserkrankten entnommen wurden, um daraus im Labor 3D-Organoide zu erzeugen. Diese „Mini-Tumore“ werden dann verschiedenen Krebsmedikamenten ausgesetzt, um vorhersagen zu können, wie der Patient auf die Behandlung ansprechen wird. Die Patientenrekrutierung erfolgt in Zusammenarbeit mit Prof. Tim Vilz aus der Kolorektalchirurgie und Proktologie vom Universitätsklinikum Bonn (UKB). 

In einem zweiten Schritt werden die Daten aus dem 3D-Organoid mit detaillierten molekularen und physischen Patientendaten kombiniert. Diese computergestützte Modellierung erfolgt in den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Jan Hasenauer unter Leitung von Dr. Dilan Pathirana vom Bonn Center for Mathematical Life Sciences der Universität Bonn: Sie konzentrieren sich auf die Modellierung intrazellulärer Signalwege, die für Krebs relevant sind, einschließlich Arzneimittelreaktionen und Quantifizierung von Unsicherheiten. Die Forschung der zwei Arbeitsgruppen ist an der Schnittstelle der Transdisziplinären Forschungsbereiche (TRA) „Modelling“ und „Life & Health“ der Universität Bonn angesiedelt und profitiert zugleich von den Exzellenzclustern Hausdorff Center for Mathematics und ImmunoSensation2. 

Für die Integration der Daten in den digitalen Zwilling ist schließlich ESQlabs / MPSlabs zuständig: Das Unternehmen ist spezialisiert auf quantitative Systempharmakologie, PBPK-Modellierung und MPS-basierte digitale Zwillingslösungen. In dem digitalen Zwilling kann dann simuliert werden, wie der jeweilige Tumor auf verschiedene Behandlungen reagieren würde, um so die optimale Dosierungsstrategie empfehlen zu können. „Unsere Vision ist ein datengesteuerter Arbeitsablauf, der mit dem Testen von Organoiden beginnt und mit einer In-Silico-Simulation endet - im Grunde ein 'virtueller Patient', der die Ärzte zur effektivsten Therapie führt“, erklärt Dr. Christian Maass, Projektleiter bei MPSlabs/ESQlabs. 

„ISPOT-K hat das Potenzial, die personalisierte Therapie für Darmkrebs zu revolutionieren“, führt Jun.-Prof. Elena Reckzeh aus. „Wir stellen uns vor, dass diese leistungsstarke Kombination die sicherste und wirksamste Therapie liefert, die auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten ist.“

Durch die patientenspezifische Medikamentenempfehlungen des digitalen Zwillings könnten zukünftig die Kosten der Krebstherapie gesenkt werden, indem sowohl der Einsatz unwirksamer allgemeiner Therapien verringert als auch eine ausreichende Medikamentendosierung für jeden Patienten ermittelt wird. Die Erkenntnisse aus den Digitalen Zwillingen zu Dosierung, Wirksamkeit, Toxizität und optimalen Arzneimittelkombinationen sollen zudem in einer Plattform bereitgestellt werden, um die Arzneimittelentwicklung zu optimieren. Diese Erkenntnisse könnten auch dazu beitragen, Tierversuche während der Medikamentenentwicklung in Zukunft zu reduzieren, da einige Fragestellungen, wie zum Beispiel toxische Nebenwirkungen oder das Fehlen von effektiver Behandlung bereits im Labor und am Computer beantwortet werden könnten. 


Quelle: Universität Bonn

25.02.2025

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