Interview • Studie

OP-Abläufe in der orthopädischen Chirurgie effektiver gestalten

Wie lassen sich die Abläufe bei Operationen von Koxarthrose und Gonarthrose effektiver gestalten?

Interview: Katrin Schreiter

Informatiker vom Innovationszentrum für Computerassistierte Chirurgie (ICCAS) der Universität Leipzig und Mediziner der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und plastische Chirurgie am Universitätsklinikum Leipzig haben den Aufbau des Operationssaals sowie Laufwege und Instrumentenübergaben analysiert und optimiert. Wir sprachen mit Studienleiterin Juliane Neumann.

Frau Neumann, wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen?

portrait of Juliane Neumann
Juliane Neumann

Die Zahl der Endoprothetik-Operationen – Arthrose im Hüftgelenk und Gelenkverschleiß im Knie – nehmen immer mehr zu. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen, was die Effektivität betrifft.

Die Mediziner vom Universitätsklinikum baten uns um Hilfe bei der Überprüfung der intraoperativen Prozesse.  Sowohl Ärzte als auch das Pflegepersonal berichteten von einer hohen körperlichen Belastung als auch von ineffizienten Arbeitsabläufen. Wir haben uns im Team einige Operationen angeschaut – da ist schnell klar geworden, wo die Probleme liegen. Das OP-Setup ist in der Regel nicht optimal angeordnet. Das betrifft sowohl die Instrumentenübergabe zwischen dem Chirurgen und den Assistierenden als auch die Positionen der beteiligten Personen und Geräten im OP.

Sie als Informatikerin konnten dort ansetzen?

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Beispiel eines OP-Setups für Hüftendoprothesen in der 3D-Computersimulation. Das Bild zeigt eines der an der Leipziger Klinik inital vorhandenen Setups, das es zu verbessern gilt.

Bisher basierte das Tischlayout hauptsächlich auf der subjektiven Präferenz des leitenden Chirurgen oder auf eingespielte Praktiken. Es bedurfte eines unbeteiligten Dritten, der die OP-Setups objektiv analysierte und bewertete. Deswegen entschieden wir uns für eine Computersimulation.

Wir haben den OP-Saal in einem 3D-Modell dargestellt und die Abläufe der Operation simuliert. Dabei ging es vor allem darum, die Übergabezeiten der Instrumente und die Laufwege der einzelnen Personen abzubilden. Auch, wie das OP-Team zum Tisch steht und wo die Geräte positioniert sind, waren dabei wichtig. Für jeden Eingriff – also Hüfte und Knie – und die zu operierende Seite wurden mehrere Setups entworfen und in der Simulationsumgebung getestet. Dabei haben wir sowohl die Position der Instrumententische und die des OP-Personals sowie der verwendeten Geräte variiert und anschließend bewertet. Auf dieser Grundlage wurden die Zeiten berechnet.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Ziel unserer Arbeit war es, ein verbessertes OP-Setup für gängige Verfahren in der Endoprothetik zu etablieren. Für die Knie- und die Hüft-OPs wurde jeweils für die linke und für die rechte Seite ein eigenes Setup in der klinischen Praxis etabliert. Dabei wurde die Tischposition und Position des Personals, Geräte usw. angepasst, sodass die verschiedenen hygienischen, funktionalen und räumlichen Anforderungen erfüllt waren. Die Reaktion des Personals war dabei durchweg positiv. Zum einen konnte die OP-Zeit im Mittel um vier Minuten verkürzt werden, aber auch die Ergonomie für das OP-Personal wurde deutlich verbessert.

Was meinen Sie konkret mit der Ergonomie?

Im OP-Saal wird mit immer mehr Technik gearbeitet, auch mit einigen Großgeräten. Das medizinische Personal muss sich an die neuen Gegebenheiten anpassen. Nehmen wir zum Beispiel den C-Bogen: Das mobile Röntgengerät muss bei der Anordnung im OP-Saal bedacht werden und muss sich in den klinischen Workflow einfügen. Dafür braucht es passende Konzepte.

Macht sich das auch für die körperliche Belastung bemerkbar?

Durch eine neue Anordnung des OP-Setups ist es möglich, das Bein besser zu positionieren und dadurch die körperliche Belastung für das OP-Personal zu reduzieren

Juliane Neumann

Ja, auch das konnten wir verbessern. Bei einer Knie-OP muss das medizinische Personal zum Teil chirurgische Instrumente oder das Bein des Patienten in ergonomisch ungünstigen Positionen über längere Zeiträume halten. Durch eine neue Anordnung des OP-Setups ist es möglich, das Bein besser zu positionieren und dadurch die körperliche Belastung für das OP-Personal zu reduzieren.

Sind Ihre Ergebnisse auch auf andere medizinische Bereiche übertragbar?

Ja, es gibt einige allgemein gültige Kriterien für ein gutes OP-Setup, die auf viele OP-Typen angewendet werden können. Das betrifft unter anderem die Hygiene sowie funktionale, räumliche und ergonomische Aspekte. Zum Beispiel sollte darauf geachtet werden, dass Chirurg und Instrumentierender möglichst nebeneinanderstehen, um häufige Körperrotationen zu vermeiden und alle Beteiligten eine gute Sicht auf das OP-Gebiet haben.

Das Projekt ist abgeschlossen. Woran arbeiten Sie zurzeit?

Das Projekt zur Optimierung der OP-Abläufe in der orthopädischen Chirurgie ist nach zwei Jahren Laufzeit mittlerweile abgeschlossen. Momentan analysieren wir die Lagerhaltung für Endoprothesen und die damit verbundenen Laufwege. Schließlich müssen bei den Operationen immer wieder Implantate oder Verbrauchsmaterialien aus dem Lager geholt werden. Ziel des Projekts ist es, Ressourcen zu schonen: Zum Beispiel, indem verhindert wird, dass falsche oder nicht benötigter Materialien geöffnet werden. Auch lässt sich die Arbeit effektiver gestalten, wenn die benötigen Materialien so lagern, dass sie schneller verfügbar sind.


Profil:

Juliane Neumann ist Senior Scientist am Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS), einem Forschungsinstitut an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Sie studierte medizinische Informatik an der Universität Leipzig und forscht seit 2014 auf dem Gebiet der chirurgischen und klinischen Prozessmodellierung. Dabei ist einer der Hauptaspekte die Verbesserung von Therapiemethoden und Arbeitsabläufen zur Erhöhung der Patientensicherheit und der gesundheitsökonomischen Effizienz.

13.10.2020

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