Artikel • Nierentumoren
Nierenläsionen ganz ohne Proben bestimmen
Meistens werden Nierentumoren zufällig als Raumforderungen in der Sonographie entdeckt und sie werden derzeit meistens mit der Computertomographie weiter diagnostiziert, um die Kontrastmittelaufnahme und die lokale Ausbreitung des Tumors besser bestimmen zu können.
Pitfalls im CT
„Wenn diese erste Diagnostik im CT ein Nierenzellkarzinom zeigt, dann führen wir normalerweise keine weitere Diagnostik durch, nur bei Unklarheiten erfolgt im zweiten Schritt eine MRT-Untersuchung“, erklärt Prof. Dr. Mike Notohamiprodjo, leitender Oberarzt am Uniklinikum Tübingen.
Bei der CT ist es wichtig, sowohl eine kontrastverstärkte als auch eine native Phase zur Verfügung zu haben, letztere entweder als originäre Aufnahme oder als Berechnung aus der Dual Energy. Nur so kann die Kontrastmittelaufnahme quantifiziert werden, denn auch eingeblutete Zysten können eine relativ hohe Dichte haben und sind ohne die native Phase nicht von soliden Tumoren zu unterscheiden. Bei der mehrphasigen Untersuchung kann man in der arteriellen Phase besonders gut die Vaskularisierung bestimmen. In der kontrastmittelverstärkten Phase kann man auch das Ausmaß der Nekrose bestimmen, sie korreliert mit der Differenzierung und der Aggressivität des Tumors.
„Bei einer Zyste, vor allem wenn sie mitten in der Niere liegt, besteht die Gefahr, ein Pseudo-Enhancement zu messen. Da das angrenzende Nierenparenchym viel Kontrastmittel aufnimmt und die Strahlen so aufgehärtet werden, wird eine erhöhte Dichte der Zyste gemessen, die aber gar nicht besteht. Es kann es zu einer Fehldiagnose kommen, weil der Zysteninhalt dichter erscheint als er ist,“ so der Oberarzt.
Fat is your friend
Fettarme Angiomyolipome sind immer noch schwierig zu diagnostizieren
Mike Notohamiprodjo
Die MRT hat den zusätzlichen Nutzen, gutartige Tumore genauer klassifizieren zu können. Bis zu 20 Prozent der Nierentumoren, die operiert werden, sind nämlich nicht bösartig. Das Verfahren bietet zusätzliche Informationen, wie den Nachweis von makroskopischem Fett, was mit der CT häufig schwieriger ist. „Wenn man kleinste makroskopische Fettanteile nachweisen kann, dann ist das möglicherweise ein Hinweis auf ein Angiomyolipom, einen gutartigen, ebenfalls gut durchbluteten Tumor. Fett ist in diesem Fall also ein Freund des Patienten. Fettarme Angiomyolipome sind immer noch schwierig zu diagnostizieren“ schildert Prof. Notohamiprodjo.
Im MRT lässt sich die Vaskularisierung genau so gut bestimmen wie im CT. Zusätzlich kann man hier aber die Diffusivität im Tumorgewebe messen. Die diffusionsgewichtete Bildgebung erlaubt Rückschlüsse über die Zelldichte und dadurch können bestimmte Subtypen von Tumoren besser differenziert werden. Beim Nierenzellkarzinom kann man zwischen klarzelligen und papillären Karzinomen unterscheiden. Der Oberarzt: „Die papillären Nierenzellkarzinome sind vom Verlauf weniger aggressiv und histologisch auch ein komplett anderer Phänotyp. Bei Risikopatienten, wie z.B. einer ausgeprägten Herzinsuffizienz, kann man sich überlegen, diese Tumoren aktiv zu überwachen, denn sie haben eine hohe Überlebensrate, vor allem wenn der Tumor klein ist. Für den Patienten ist das OP-Risiko wahrscheinlich größer als das durch den Tumor. Leider gibt es dazu wenig prospektive Daten.“ Einen weiteren Vorteil bietet die MRT durch die bessere Bestimmungsmöglichkeit der regionären Ausbreitung des Tumors, hilfreich für den Operateur bei der OP-Planung.
Radiogenomics
Einen neuen Ansatz zur Diagnostik von Nierentumoren bieten die Radiogenomics, wobei man hier den Bildgebungsphänotypen, das Erscheinungsbild in CT oder MRT, mit dem Genotpyen korreliert. „Es lässt sich eine Übereinstimmung zwischen Bildgebungsmarkern, wie der Tumorbegrenzung und der -durchblutung und Genmutationen, etwa dem von-Hippel-Lindau-Syndrom, feststellen. Diese Tumoren haben häufig eine bessere Prognose. Sie sehen in der Bildgebung auch anders aus als Tumoren, die diese Mutation nicht tragen. Wenn die Tumoren auffällige Gefäße und noduläres Enhancement zeigen und zudem scharf begrenzt sind, dann sind das häufig Tumoren, die diese Mutation tragen“, schildert der MRT-Spezialist. Weitere Untersuchungen haben die Überlebensrate mit der Morphologie von Nierentumoren korreliert. Auch hier konnten in der CT Bildgebungsmarker bestimmt werden, die das Langzeitüberleben und das Ansprechen auf Chemotherapie beeinflussen. Ungünstig sind große, unscharf begrenzte Tumoren, die inhomogen sind. So konnte ein Radiomics Risk Score entwickelt werden, eine Art bildgebungsbasierter Risikoscore. „Ohne Gewebeprobe kann man vorhersagen, wie aggressiv der Tumor ist und wie gut er auf die Chemotherapie reagieren wird. Es wird derzeit diskutiert, ob dies ein Ersatz für die molekularbiologische Analyse sein kann. Ich glaube, dass wir dadurch eher Informationen zusätzlich zur Biopsie erhalten. In der molekularbiologischen Untersuchung wird der Genotyp erfasst und in der Bildgebung sieht man, wie der Tumor sich phänotypisch verhält. In Tübingen wollen wir das jetzt mit unseren Urologen anhand von retrospektiven Daten aufarbeiten.“
Profil:
Im April 2014 wechselte Prof. Dr. Mike Notohamiprodjo von der Isar an den Neckar und ist seither leitender Oberarzt in der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie des Universitätsklinikums Tübingen. Während seines Studiums an der LMU förderte ihn die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit einem Doktorandenstipendium im Rahmen des Graduiertenkollegs „Vaskuläre Biologie in der Medizin“. 2012 fand seine wissenschaftliche und fachärztliche Ausbildung ihren Abschluss mit der Habilitation und Erteilung der Lehrbefugnis sowie der Anerkennung als Facharzt für Radiologie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Nierenbildgebung, der muskuloskelettalen Bildgebung und der Bildgebung des Lymphsystems.
Veranstaltungshinweis:
Raum: Congress-Saal
Donnerstag, 03.11.2016, 9:00-10:00 Uhr
Nierentumoren
Mike Notohamiprodjo, Tübingen
Session: Uroradiologie
02.11.2016