Nicht um jeden Preis

Kostenanalyse für teleradiologische Dienstleistungen erlaubt leistungsgerechte Preiskalkulation

In Zeiten des Fachkräftemangels und des steigenden Kostendrucks für periphere Krankenhäuser dient die Telemedizin immer häufiger dazu, den quantitativen und qualitativen Versorgungsmangel und damit die Gefährdung von Konzepten einer dezentralen medizinischen Flächenversorgung aufzufangen.

Teleradiologische Konferenz in der Radiologie des Universitätsklinikums der...
Teleradiologische Konferenz in der Radiologie des Universitätsklinikums der Ernst-Arndt-Moritz Universität Greifswald
Luftig leichte und sehr moderne Befundarbeitsplätze in Greifswald
Luftig leichte und sehr moderne Befundarbeitsplätze in Greifswald

Das gilt besonders und beispielhaft für die radiologische Versorgung der Bevölkerung in dünn besiedelten Regionen wie Vorpommern. Im Rahmen des EU-geförderten Forschungsprojekts „Telemedizin Euroregion POMERANIA“ übernimmt das Institut für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie der Ernst-Moritz- Arndt Universität Greifswald während der Nacht und an den Wochenenden die teleradiologische Durchführung und Befundung von CT-Untersuchungen aus fünf umliegenden Krankenhäusern in Bergen auf Rügen, Wolgast, Ueckermünde, Pasewalk und Demmin. Die Kosten, die für eine derartige teleradiologische Versorgung gemäß Röntgenverordnung (RöV) in Rechnung gestellt werden, sind in Deutschland bislang frei verhandelt und stellen eher einen Schätzwert als eine leistungsgerechte Vergütung dar. Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement der Universität ist es den Greifswaldern im Rahmen der wissenschaftlichen Projektbegleitung nun erstmals gelungen, die Selbstkosten teleradiologischer Versorgung systematisch zu berechnen.

Eine regionale Ausformung telemedizinischer Netzwerke wie in Greifswald bietet zwei wesentliche Vorteile. Erstens: Ein gewachsenes Netz verbindlicher Arzt-Patienten-Beziehungen bildet die logistische Grundlage für eine ausgeweitete teleradiologische Kooperation. Zweitens: Anders als bei der Telekonsultation erlaubt die deutsche RöV die primäre teleradiologische Versorgung derzeit nur als befristete Ausnahmeregelung außerhalb regulärer Dienstzeiten und im regionalen Rahmen. Als überregionaler Versorger übernimmt die Universitätsmedizin Greifswald – mit 1.000 Betten ein vergleichsweise kleines Universitätsklinikum – diese Aufgabe im regionalen Netzwerk „POMERANIA“. Innerhalb des Instituts wird die Teleradiologie dabei von den diensthabenden Ärzten im Dreischichtsystem mit abgedeckt. „Insgesamt stellt die Teleradiologie in unserem Institut nur einen kleinen Baustein dar, der leicht abzudecken, aber auf der Kostenseite relativ schwierig darzustellen ist. Bei den großen technischen Kapazitäten eines Universitätsklinikums läuft das eher nebenher“, erklärt Dr. Christian Rosenberg, Leitender Oberarzt am Greifswalder Institut. Die einzelne teleradiologische Versorgungseinheit in einer größeren Organisationsstruktur wie dem Universitätsklinikum ist – anders als für ein Privatunternehmen, das sich auf Teleradiologie spezialisiert hat – weniger kostenwirksam. Typischerweise mangelt es an effizienten Feedback-Mechanismen beziehungsweise Management-Tools.

Das Krankenhaus, in dem die CT erstellt wird, lässt sich diese Untersuchungsleistung von den Kassen rückvergüten. An den Anbieter der teleradiologischen Leistung bezahlt die gleiche Klinik üblicherweise ein frei verhandeltes Entgelt. „Das ist eine unbefriedigende Situation, denn die Vergütungskataloge stellen kein sinnvolles Abbild dieser Leistungen dar. Im Grunde genommen könnte es ja auch einen eigenen Code für eine teleradiologische Kopf- CT geben, um ein Beispiel zu nennen“, findet Rosenberg. In Greifswald wollte man das nicht länger hinnehmen und hat nun erstmals die Eigenkosten berechnet. „Wir haben dabei wirklich alle Details erfasst – angefangen mit der Frage, wie lange die MTRA mit den Bildern beschäftigt ist, über die Diktatzeit des Arztes bis zur Befundübermittlung. Wir konnten erstmalig darstellen, dass die Untersuchung unterschiedlicher Körperregionen, also des Kopfes, des Bauches oder des Thorax, unterschiedliche Kosten generiert, sodass man für die diversen Bereiche einzelne Kostenpunkte und keinen pauschalen Preis für jede teleradiologische Leistung erheben müsste“, erklärt der Oberarzt.

Noch spannender, als Einzelpreise zu ermitteln, ist für Rosenberg allerdings das in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Steffen Flessa entwickelte Berechnungsmodell, das auch eine Wahrscheinlichkeits- und eine Risikoberechnung für obere und untere Grenzkosten einschließt. „Wenn wir für eine Ganzkörper-CT knapp 100 Euro und für eine Kopf- CT durchschnittlich 55 Euro berechnen, ist das nur bedingt aussagekräftig, weil die Zahlen sich nur auf die gegenwärtige lokale Situation beziehen und nicht repräsentativ sind. Im nächsten Schritt soll nun auch die Rechnung für die Gegenseite, also das anfordernde Haus, aufgestellt werden, um ein Vergleichsmodell zu erstellen. Beispielsweise wird nicht jede CT-Aufnahme bei einem stationären Patienten 1:1 rückvergütet, sodass eine Vielzahl von Phänomenen in einem komplexen Berechnungsmodell berücksichtigt werden muss.

IM PROFIL
Dr. Christian Rosenberg ist seit Anfang 2011 Leitender Oberarzt des Instituts für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie der Universitätsmedizin Greifswald. Er studierte an der Freien Universität und der Humboldt-Universität in Berlin. Nach Auslandsaufenthalten am Massachusetts General Hospital in Boston und am Texas Heart Institute in Houston setzte er seine Weiterbildung als Assistenzarzt in der Klinik für Chirurgische Onkologie der Charité in Berlin fort, bevor er 2004 in die Radiologie und an die Universitätsmedizin Greifswald wechselte. Hier leitet er seit 2006 die Arbeitsgruppe „Interventionelle Onkologie“ und profilierte sich auf dem Gebiet der MRT-geführten Tumorablation. Weitere Schwerpunkte sind die onkologische Bildgebung, die Angiographie von Rumpf und Extremitäten und teleradiologische Versorgungskonzepte.

31.05.2013

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