Labortechnik
Minireagenzgläser aus Wassertropfen
Moderne Labortechnik kann nicht nur helfen, neue Medikamente zu entwickeln, sondern auch Diagnosen schneller und exakter zu stellen. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben eine Laborausstattung entwickelt, welche die Suche nach Wirkstoffen und das Untersuchen von Zellproben viel einfacher und bis zu hundertmal günstiger macht als bisher.
So wird es möglich, Behandlungsmethoden den individuellen Bedürfnissen von Patienten besser anzupassen. Die Karlsruher Forscher haben eine Möglichkeit gefunden, sogenannte Hochdurchsatzscreenings, bei denen in Laboren parallel tausende von Proben durchgetestet werden, ohne die bislang dafür notwendige sehr aufwendige und teure Robotik durchzuführen.
Der Chemiker Pavel Levkin vom Institut für Toxikologie und Genetik (ITG), an dem Biologen, Chemiker und Physiker gemeinsam forschen, hat eine Oberfläche entwickelt, auf der sich wässrige Lösungen selbstständig zu tausenden separaten Tröpfchen anordnen. „Auf einem Droplet-Microarray (DMA) können biologische Proben wie etwa Gewebe aus einer Biopsie einem Wirkstoff-Screening unterzogen werden“, sagt Simon Widmaier vom ITG. Jeder einzelne Tropfen dient dabei als eine Art Reagenzglas für biologische Experimente. Pipettierroboter und Pipettenspritzen, bis dato unverzichtbar, sind überflüssig. „Ein einzelner Labormitarbeiter kann jetzt innerhalb weniger Sekunden tausende Wirkstoff-Screeningexperimente ausführen.“ Das Einsparpotential, das die neue Technik bietet, ist laut Widmaier enorm: „Ein Pipetierroboter kostet mehrere 10.000 Euro und muss von einem Experten bedient werden.“ Jeder Pipettierschritt koste allein durch den Verbrauch einer einzigen Pipettenspitze fünf bis sieben Cent.
Darüber hinaus bietet das Raster des Feldes aus durch einen sehr exakten UV-Belichtungsprozess hergestellten, extrem wasseranziehenden und extrem wasserabweisenden Bereichen die Möglichkeit, die Größe der zu untersuchenden Tröpfchen ganz nach Wunsch zwischen drei und 250 Nanolitern (Milliardstel eines Liters) zu variieren. Während beim Einsatz herkömmlicher Mikrotierplatten, die aus in Reihen und Spalten angeordneten Näpfchen bestehen, je Einheit mindestens 40 Mikroliter (Millionstel eines Liters) Reagenzien benötigt werden. „Grob geschätzt verbraucht ein DMA also tausendmal weniger Reagenzien. Da diese oft sehr kostspielig sind – manche sind teurer als Gold – ein großer Vorteil für die Anwender“, so Widmaier.
Des Weiteren hatte es die klassische Pipettiertechnik nicht erlaubt, Flüssigkeiten mit darin fein verteilten Festkörpern wie Zellen in Nanoliter-Mengen zu portionieren. Auf dem neuartigen biologisch verträglichen Polymer hingegen können Experimente auch mit ganz wenigen lebenden Zellen durchgeführt werden. Die Technologie bietet somit große Vorteile beim Screening von Stamm und Primärzellen, mit denen sehr verlässlich abgeprüft werden kann, wie menschliche Organe auf Wirkstoffe reagieren. So würden Screening-Ergebnisse zuverlässiger und die Entwicklung von Medikamenten preiswerter, erwartet Widmaier.
Um ihre Innovation zu vermarkten, haben die Forscher vor, die Firma Aquarray zu gründen. Sie wollen damit auch biologischen Forschungslabors mit geringer finanzieller Ausstattung ermöglichen, Hochdurchsatzscreenings zu machen, diagnostischen Labors personalisierte Wirkstoffscreenings, wie sie etwa bei der Krebsbehandlung hilfreich sein können, erleichtern, Nicht zuletzt sollen auch große Pharmaunternehmen von diesen Kostenerleichterungen profitieren. „Die DMA-Technologie löst das zentrale Problem der Miniaturisierung von Zellexperimenten und ermöglicht Screenings an medizinischen Wirkstoffen und minimalen Zellmengen wie zum Beispiel Biopsiegewebe eines Patienten. Unser Ziel ist die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Droplet Microarrays, Produktplattformen und Screening-Kits an Forschungsinstitute, Screening-Center sowie Pharmaunternehmen und der Einsatz der DMA-Technologie für zellbasierte Wirkstoffscreenings im Kontext der personalisierten Medizin“, sagt Widmaier. Erste Prototypen werden bereits im Markt getestet.
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
02.05.2017