Mikrotechnologie auf der Compamed 2008

Im EH-Interview stellt Prof. Dr. Holger Reinecke vom Institut für Mikro- und Informationstechnik der HSG-IMIT die neuesten Trends vor.

Prof. Dr. Holger Reinecke (HR), Executive Board des Instituts für Mikro- und...
Prof. Dr. Holger Reinecke (HR), Executive Board des Instituts für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. (HSG-IMIT)

Die Mikrotechnik ist eine der Schlüsseltechnologien für heutige und zukünftige innovative Produktentwicklungen verschiedenster Industriebranchen. Auch aus der Medizintechnik ist die Mikrotechnologie nicht mehr weg zu denken. Die medizintechnischen Geräte werden immer kompakter und bieten immer mehr Funktionen auf kleinstem Bauraum und bei geringem Energieverbrauch. Auch auf der Compamed – internationale Fachmesse für den Zuliefermarkt der medizinischen Fertigung parallel zur MEDICA in Düsseldorf – darf die Mikrosystemtechnik daher nicht fehlen. Prof. Dr. Holger Reinecke (HR), Executive Board des Instituts für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. (HSG-IMIT), fasst die Trends hinsichtlich der Entwicklung neuer Produkte zusammen.

EH: Prof. Reinecke, der Gemeinschaftsstand des IVAM Fachverbandes für Mikrotechnik auf der Compamed verzeichnet dieses Jahr einen Ausstellerrekord. Warum wollen so viele Zuliefererfirmen zu diesem Thema an der Compamed teilnehmen?

HR: Die Medizintechnik ist definitiv eine der wichtigsten Abnehmerbranchen für diese Art von Innovationstechnologie. Laut einer Umfrage der IVAM sehen alle Unternehmen aus unserem Bereich den Medizin-Sektor als die Zielbranche, in der sie vertreten sein wollen. Wenn man die Produktvorteile der Mikrotechnik betrachtet, ist es nicht nur die Kleinheit der Systeme, die überzeugt, sondern auch ihre gesteigerte Funktionalität. Das gilt im Krankenhaus zum Beispiel für die schneidenden Instrumente bei minimal-invasiven Eingriffen, denen erweiterte Diagnosefunktionen zugeteilt werden. Die Compamed wird durch die hohe Ausstellerdichte das breite Spektrum der Mikrotechnologie wiederspiegeln. Es wird druckbare Elektroniken für den Produktionsbereich geben, unterschiedlichste Sensoren, Präzisionskomponenten für medizintechnische Geräte oder auch biokompatible Polymere, d.h., Kunststoffprodukte, die von dem Körper aufgenommen werden können, vom Körper entsprechend auch angenommen werden können.

EH: Welche Highlights werden im Rahmen der Fachmesse präsentiert?

HR: Auf der Compamed wird das Thema drug delivery oder Medikamentendosierung eine große Rolle spielen. Wir werden dazu zwei Neuentwicklungen vorstellen. Die eine ist bereits in der ersten Praxiserprobung. Dabei handelt es sich um ein Pflaster, dass mittels kleiner Nadeln, die unter die Haut gehen, zeitgerecht Medikamente abgibt. Die andere Neuentwicklung ist die Applikation von Medikamenten direkt ins Gehirn. Hier befinden wir uns noch ganz am Anfang der Forschung. Ziel ist es, nanolitergroße Dosierungen vornehmen zu können und gleichzeitig die Reaktion der Nervenzellen zu beobachten. Das wäre besonders für Parkinson- oder Demenzpatienten von Bedeutung. Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Medizintechnik sehen wir aber z. B. auch im Bereich der Point of Care-Diagnostik, also eine patientennahe Diagnostik am Unfallort, am Krankenbett bis hin zur Selbstdiagnose zu hause. Die Weiterführung von genaueren Diabetestests ist ein weiteres Produkt, dass uns auf der Messe beschäftigen wird.

EH: Welche Anwendungsfelder von Mikrotechnik in der Medizintechnik erscheinen für die Zukunft besonders vielversprechend?

HR: Mikrotechnik heißt insbesondere neue Funktionalitäten. Weil die Industrie in der wir uns bewegen so breit aufgestellt ist, greifen wir oft auf die Erfahrung aus anderen Märkten zurück. Im Bereich der Sensorik geht es z. B. um Messwerte die in Gebäuden, im Maschinenbau, der Automatisierungstechnik usw. erfasst werden. Deshalb denkt man zukünftig daran, auch im Endoskopie-Bereich zusätzlich mit Sensoren zu arbeiten, so dass man vor Ort während des Eingriffs die Körpertemperatur, pH-Werte, Körperflüssigkeiten usw. sofort mitmessen und bestimmen kann. Das könnte auch bedeuten, dass man nicht nur operiert, sondern gleichzeitig Medikamente ausschüttet, um Untersuchung, Diagnose und Einleitung der Therapie gleichzeitig vorzunehmen. Eine weitere Vision, die wir in der Forschung verfolgen, ist die Identifizierung von Gewebe im Körper, ohne dass es dafür entnommen werden muss. Wir benutzen solche mikrotechnischen Geräte bereits bei Lebensmitteln, um festzustellen, ob sie behandelt oder unbehandelt sind. Wenn es möglich wäre, ein ähnliches Werkzeug in ein Endoskop zu implementieren, könnte man damit möglicherweise Gewebe patientenschonend untersuchen.

EH: Herr Professor Reinecke, vielen Dank für das Gespräch!

19.11.2008

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