Quelle: Universität Tel Aviv
Artikel • Medizintechnik
Bioprinting – Standards werden gebraucht
Bioprinting ist zwar noch eine recht neue Technologie, doch betrachten Fachleute sie als eine der bahnbrechendsten Innovationen für die Zukunft der Medizin. Und obwohl das Potenzial für den 3D-Druck mit organischen Substanzen groß ist, der Weg bis die Technik zur klinischen Anwendung kommt, ist noch lang. Dies war die Kernaussage der Referenten des von der VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences (TLS) veranstalteten Expertenforums „BioPrinting in der Medizintechnik“. Sie bemängelten zudem das Fehlen von Standards bei den Verfahren, den Biomaterialien und hinsichtlich der Nomenklatur.
Bericht: Sascha Keutel
Der Einsatz von 3D-Druck ist aktuell einer der am schnellsten wachsenden Bereiche in der biomedizinischen Wissenschaft, in dem Ingenieure, Biologen, Chemiker, Materialwissenschaftler und Kliniker gemeinsam zur Zukunft der Gesundheitsversorgung forschen. Bioprinting ermöglicht es, biologische oder biologisch funktionelle Gewebe im Labor herzustellen, organisches Gewebe zu reproduzieren und lebende Zellen präzise in dreidimensionalen Strukturen anzuordnen. Dabei können auch mehrere Zelltypen miteinander kombiniert und lokal positioniert werden, wodurch auch multizelluläre Systeme für Kaskaden-Reaktionen aufgebaut werden können.
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News • Bioprinting
Biologisches Gewebe aus dem 3D-Drucker
Die Medizin der Zukunft ist biologisch: Zerstörtes Gewebe wird künftig durch biologisch funktionelles Gewebe aus dem 3D-Drucker ersetzt. Ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickelt und optimiert seit Jahren in Kooperation mit der Universität Stuttgart Biotinten, die sich für die additive Fertigung eignen. Indem die Forscher die…
Praktische Anwendungen
Solche Systeme bieten Potenzial sowohl für verschiedene medizintechnische Anwendungen als auch beispielsweise zur biotechnologischen Wirkstoffherstellung. So können gedruckte in-vitro-Gewebe als Testsysteme Fragen zur Wirksamkeit von Wirkstoffkandidaten beantworten, sagte Dr. Hans-Jörg Keller vom Novartis-Institut für Biomedizinische Forschung, Basel, Schweiz. Dadurch könnte die Anzahl an Tierversuchen deutlich verringert oder sogar ersetzt werden.
Weitere Einsatzmöglichkeiten sind der Druck von biologischen Implantaten, um geschädigtes Gewebe zur Regeneration anzuregen oder zu substituieren. In diesem Fall werden sogenannte Gewebegrundgerüste gedruckt, die das Gewebe anregen, anschließend weiter zu reifen, bevor es eingesetzt wird.
Eine Vision, die der 3D-Druck befördert, ist künftig funktionelle Ersatzorgane aus den eigenen Zellen eines Patienten zu drucken, um Organtransplantationen zu erleichtern. Damit könnten gleich zwei Probleme auf einen Schlag gelöst werden: zum einen sind die Transplantation-Wartelisten sehr lang. Zum anderen haben Patienten, die ein Spenderorgan erhalten, ein Leben lang mit immunsupprimierenden Medikamenten zu kämpfen, um eine Abstoßung der Organe zu verhindern. Erst im April dieses Jahres war es israelischen Forschern gelungen, ein Herz aus menschlichem Gewebe zu drucken. Dr. Karin Benz von der TETEC AG in Reutlingen wies allerdings darauf hin, dass dieses gedruckte Herz bislang ausschließlich für Forschungszwecke geeignet sei. Und alle Referenten waren sich darin einig, dass es noch lange dauern wird, bis vollständige, funktionstüchtige Organe im 3D-Drucker hergestellt werden können.
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News • 3D Druck
Bioprinting von künstlichen menschlichen Geweben
Gedruckte Gewebskonstrukte sollen in Zukunft krankhafte oder zerstörte Gewebe von Patienten ersetzen. Ein Forscherteam der TU Dresden entwickelte gemeinsam mit Kollegen von der Universität Kopenhagen eine neue Methode, die eine zerstörungsfreie Messung der lokalen Sauerstoffkonzentration in solchen künstlichen Geweben erlaubt.
Kaum Standards, wenig reproduzierbare Ergebnisse
Die Forschungsaktivitäten verschiedener nationaler, internationaler und multinationaler Gruppen haben zu einem starken Schub in diesem Bereich sowie einer Vielzahl an Publikationen geführt. Allerdings ist auch zunehmende der Trend zu beobachten, dass einzelne Forschungsgruppen ihre eigenen Definitionen und Terminologien festlegen. Dies erschwere es, die Ergebnisse nachzuvollziehen und zu vergleichen, bemängelte beispielsweise Professor Dr. Jürgen Groll, Leiter des Lehrstuhls für Funktionswerkstoffe der Medizin und Zahnheilkunde am Universitätsklinikum Würzburg.
Eine weitere Herausforderung beim Bioprinting ist die Herstellung geeigneter Grundmaterialien wie Biotinten, aus denen die 3D-Drucker letztendlich Organe und Gewebeteile für den menschlichen Körper herstellen. So fehlt es derzeit noch an kommerziell verfügbarer, standardisierter Biotinte. Weltweit bietet lediglich ein Schweizer Hersteller von Bioprintern eine solche Tinte an.
Vollständige Einmütigkeit herrschte daher bei allen Referenten darüber, dass der Bioprint-Prozess standardisiert werden muss damit er reproduzierbar, anwendungsspezifisch und sicher ablaufen kann. Nur die Standardisierung könne eine erfolgreiche Übertragung in die klinische Anwendung garantieren. Daher seien Best Practice und Produktionsrichtlinien für die Bioprinting-Technologien inklusive Verarbeitung von Biomaterial-Tinten und Herstellung von Bioprint-Produkten dringend erforderlich. Das von Dr. Hanna Hartmann, Bereichsleiterin Biomedizin und Materialwissenschaften, NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut, Reutlingen, vorgestellte Verbundprojekt „SOP-BioPrint“ verfolgt genau dieses Ziel: geeignete Standards für die Herstellung, Verarbeitung und Charakterisierung von Biotinten zu etablieren.
09.07.2019