Mehr Feldstärke = Mehrwert?
Welchen Nutzen bringt die Hochfeld-MRT in der Praxis?
Ob 7, 9,4, 10,5 oder 11,7 Tesla – technisch sind diese Feldstärken mittlerweile möglich – aber sind sie auch nötig?
„Über die Frage, wie hoch wir mit den Feldstärken in der Klinik gehen sollten, wird gerade lebhaft diskutiert. Es zeichnet sich allerdings ein Konsens ab, der für 7 Tesla spricht, da alles andere zu teuer und auch derzeit noch zu problematisch ist“, so Prof. Dr. Mark E. Ladd, Direktor des Erwin L. Hahn Institutes for Magnetic Resonance Imaging in Essen, das selbst seit einigen Jahren mit einem 7-Tesla-MRT forscht. Klinische Vorteile dieser Feldstärke konnten für die Neurologie bereits nachgewiesen werden und auch im Abdomenbereich blicken die Forscher optimistisch in die Zukunft.
„Das Gehirn ist nach wie vor das Organ, bei dem die hohe Feldstärke ihren größten Nutzen zeigt, das haben zahlreiche Studien bereits belegt. Hier in Essen haben wir beispielsweise Möglichkeiten untersucht, wie die höhere Auflösung zu einer Verbesserung der Therapie bei Multipler Sklerose führen kann. Ein besonders spannender Bereich ist außerdem die Demenzforschung: Mit 7 Tesla zielen wir darauf ab, Patienten mit einer milden kognitiven Störung zu differenzieren und solche herauszufiltern, die im späteren Verlauf eine richtige Demenz entwickeln“, erklärt der Institutsdirektor.
Seinen Schwerpunkt legte das Team in den vergangenen Jahren jedoch auf die Entwicklung neuer Spulen und Antennen zur Darstellung der Rumpforgane wie Niere, Leber, Brust oder Herz. Ein praktisches Beispiel hierfür ist die Entwicklung einer reduzierten Mammographiespule, um die Frage nach einer verbesserten Spezifität der 7-Tesla-MRT zur Detektion des Mamakarzinoms zu beantworten. Im Vergleich zu 1,5 Tesla generieren 7 Tesla in diesem Bereich informativere Bilder, aber, so gibt Mark Ladd zu bedenken: „Die wesentliche Frage lautet hier ebenso wie in anderen Bereichen: Hat dieses bessere Bild einen Mehrwert? Führt es zu einer anderen Therapie und zu einem besseren Patienten-Outcome? Wir können das vermuten, aber noch nicht definitiv beantworten, entsprechende Studien laufen aktuell.“
Einen weiteren Vorteil versprechen die 7 Tesla aufgrund ihrer Fähigkeit, neben Wasser und Fett auch die Signale anderer Substanzen wie Sauerstoff, Kohlenstoff oder Fluor darzustellen. Erste Arbeitsgruppen nutzen diesen Aspekt bereits zur Untersuchung und Verfolgung metabolischer Prozesse. Sollten die ersten Ergebnisse positiv ausfallen, wäre das ein großer Schritt hin zur nichtinvasiven Differenzierung von Gewebearten – also beispielsweise der Unterscheidung von aggressiven und nichtaggressiven Tumoren ohne Biopsie. Darüber hinaus könnte auch die Beurteilung eines Therapieanschlagens verbessert werden.
„Potenziale für 7 Tesla gibt es ausreichend und die Erfolge in den Neurowissenschaften machen Mut, die Forschungen im Abdomenbereich weiter voranzutreiben. Der Einsatz der Hochfeld-MRT hat jedoch noch einen weiteren, ganz praktischen Vorteil: Die Geräte sind die Ferraris unter den MRT und werden ständig auf Hochtouren gefahren. Dabei geht natürlich regelmäßig etwas kaputt und wir erarbeiten dann Lösungen und technische Verbesserungen, die zurück in die Geräteentwicklung von 1,5 oder 3 Tesla wandern. Und vor diesem Hintergrund profitiert eine sehr breite Masse von unserer Arbeit“, schließt Mark Ladd.
Einen wahren Mehrwehrt für die Praxis mit Blick auf den Patienten bieten die Forschungen, die Dr. Lale Umutlu, ihres Zeichen Radiologin am Universitätsklinikum Essen und Wissenschaftlerin am Erwin L. Hahn Institute, mit der 7-Tesla-MRT derzeit betreibt: Nicht nur, dass durch das bessere Signal-zu-Rausch-Verhältnis eine höhere Auflösung und dadurch eine bessere Sensitivität gerade bei parenchymalen Organen erreicht werden kann. Die Hochfeld-MRT erlaubt auch eine exzellente Abgrenzung arterieller Gefäßstrukturen – und zwar ohne beziehungsweise mit einer geringen Kontrastmitteldosis. „Dieses Phänomen ermöglicht es uns theoretisch, auch bei Patienten mit einer Kontrastmittelunverträglichkeit eine MRT-gestützte Angiographie durchzuführen, um beispielsweise Nierenstenosen festzustellen“, so die Radiologin.
Dabei ist das Wissen, dass eine höhere Feldstärke eine Reduzierung des Kontrastmittels nach sich zieht, nicht neu. Wie weit sich diese Reduktion treiben lässt, das untersuchen die Wissenschaftler am Erwin L. Hahn Institute in einer aktuellen Studie. „Ziel ist es zu schauen, wie sich Sensitivität und Spezifität bei einer geringeren Kontrastmitteldosis, aber höherer Feldstärke im Vergleich zu niedrigeren Feldstärken und höherem Kontrastmittel verhalten. Der absolute Verzicht auf eine Kontrastmittelgabe ist natürlich ein Extremfall. Vielen Patienten wäre schon geholfen, wenn die Dosis drastisch reduziert werden könnte. In ersten Studien konnten wir bereits zeigen, dass eine Dosisreduktion bei gleichwertiger Bildgebung grundsätzlich möglich ist – nun schauen wir uns die Details an“, schließt Umutlu.
Im Profil
Prof. Dr. Mark Ladd hat an der Stanford University sein Studium der Elektrotechnik mit einem Master abgeschlossen und zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter dieser Universität und bei GE Medical Systems in Milwaukee gearbeitet. 1994 wechselt er an das Universitätsspital Zürich. Hier promoviert er auch zum Doktor der Technischen Wissenschaften. 2003 wird er zum Professor für Biomedizinische Bildgebung am Universitätsklinikum Essen berufen. Seit Juli 2005 ist er Direktor des Erwin L. Hahn Institute for Magnetic Resonance Imaging der Universität Duisburg-Essen. Im Sommer wechselt Ladd an das DKFZ in Heidelberg, wo er die Nachfolge von Prof. Wolfhard Semmler als Leiter der Abteilung Medizinische Physik in der Radiologie antritt.
Im Profil
Nach dem Studium der Humanmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf kommt Dr. Lale Umutlu als Assistenzärztin 2006 in die Radiologie des Essener Universitätsklinikums. Hier promoviert sie 2010 und ist seit Mai 2012 Funktionsoberärztin. Von 2010-2011 bekommt sie ein internes Forschungsstipendium für Kliniker (IFORES) zum Thema: Klinische Anwendung der 7 Tesla Magnetresonanztomographie des Abdomens. Ihre Dissertation hat sie über Pixelbasierte CAD-Analyse funktioneller Parameter von Mammakarzinomen unter primär systemischer Therapie mit der Note sehr gut abgeschlossen.
22.05.2013