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Lymphödem: Erste S2k-Leitlinie entwickelt
Die Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen (GDL) und die Deutsche Gesellschaft für Lymphologie haben federführend die erste S2k-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des Lymphödems entwickelt.
Erstmals ist nach den Regularien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) eine S2k-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des Lymphödems entwickelt worden (AWMF Reg.-Nr. 058-001). An der neuen Leitlinie waren die Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen (GDL) und die Deutsche Gesellschaft für Lymphologie (DGL) federführend beteiligt. Insgesamt haben 32 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an der Leitlinie mitgewirkt. Auch Patientenselbsthilfegruppen wurden einbezogen.
Die S2k-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des Lymphödems bildet mit Diagnostik, konservativer Therapie, chirurgischer Therapie und Primärprävention den aktuellen Stand der Behandlung von Lymphödemen ab. „Wir erhoffen uns von der Umsetzung der Leitlinie in der Praxis, dass Lymphödeme seltener auftreten und nach der Behandlung idealerweise ein ödemfreier Zustand erreicht wird. Für unsere Patienten bedeutet dies mehr Lebensqualität sowie eine gesteigerte Teilhabe am sozialen Leben“, ordnet Professor Dr. Michael Koller, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der GDL sowie Leiter des Zentrums für Klinische Studien am Universitätsklinikum Regensburg, die Bedeutung der Leitlinie für die Lymphologie ein. Die Empfehlungen der Leitlinie beruhen auf wissenschaftlichen Grundlagen. Die bisherige S1-Leitlinie zum Lymphödem (AWMF Reg.-Nr. 058-001) bedurfte einer Verlängerung. Im Zuge dessen hat sich die Leitliniengruppe für eine Aufwertung Richtung S2k entschieden. Die konsensbasierten S2k-Leitlinien bieten Medizinern einen Handlungs- und Entscheidungskorridor, von dem in begründeten Ausnahmen aber auch abgewichen werden kann. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei einer S1-Leitlinie lediglich um eine Empfehlung einer repräsentativ zusammengesetzten Expertengruppe.
Diagnostik eines Lymphödems
Bei der Basisdiagnostik wird durch ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten eine mögliche Schädigung des Lymphsystems erfasst. Eine sichere Diagnose erlaubt aber in vielen Fällen nur eine Betrachtung des ganzen Körpers sowie eine manuelle Untersuchung des veränderten Gewebes. Für eine weiterführende Diagnostik lässt sich der Lymphabstrom zum Beispiel nuklearmedizinisch messen und die Veränderungen des Gewebes durch Sonografie und Kernspintomographie erfassen. Ergänzend sind auch eine spezielle Labordiagnostik und eine genetische Diagnostik möglich.
Konservative Therapie von Lymphödemen
Die Standardtherapie der Lymphödeme ist die sogenannte komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE), bei der sich die verschiedenen Elemente ergänzen. Die KPE umfasst Hautpflege und falls erforderlich Hautsanierung, manuelle Lymphdrainage, bei Bedarf ergänzt mit additiven manuellen Techniken, eine Kompressionstherapie mit speziellen mehrlagigen komprimierenden Wechselverbänden und/oder eine lymphologische Kompressionsstrumpfversorgung, eine entstauungsfördernde Sport- und Bewegungstherapie sowie Aufklärung und Schulung zur individuellen Selbsttherapie.
Chirurgische Therapie
Eine operative Therapie kommt in Frage, wenn ein Patient trotz leitliniengerechter konservativer Therapie hohen Leidensdruck erfährt oder eine Zunahme von sekundären Gewebeveränderungen aufweist. Für die Behandlung von Lymphödemen stehen unterschiedliche operative moderne Methoden zur Verfügung. Bei einer lokalisierten Unterbrechung des Lymphgefäßsystems lässt sich der Defekt mikrochirurgisch durch einen Bypass mit Lymphgefäßen überbrücken. Verbindungen zum peripheren Venensystem können durch direkte Verbindungen zwischen kleinen Lymphgefäßen und Venen hergestellt werden, aber auch durch mikrochirurgische Verpflanzungen von Lymphknoten, welche die Lymphflüssigkeit dann in ihre Vene abgeben. Bei massiven Gewebeveränderungen lässt sich das vermehrte Fett- und Bindegewebe durch eine lymphgefäßschonende Fettabsaugung vermindern.
Prävention von Lymphödemen: Ein Schwerpunkt der Leitlinie
Ein besonderer Schwerpunkt der S2k-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des Lymphödems ist die Prävention. So wird bei der Behandlung von Tumoren auf vermeidbare Beeinträchtigungen des Lymphgefäßsystems verzichtet. Im Sinne einer Primärprävention benötigen Patienten mit einem erhöhten Lymphödemrisiko, wie es beispielsweise bei stark erhöhtem Körpergewicht besteht, eine verstärkte Risikoaufklärung. So können Frühsymptome schneller wahrgenommen und geeignete Verhaltensmaßnahmen sowie eine entsprechende Lebensführung das Auftreten eines Lymphödems vermindern.
Bei allen diagnostischen und therapeutischen Bemühungen sollte der behandelnde Arzt immer die psychosoziale Gesamtsituation des Patienten im Auge behalten. Das Lymphödem als chronische Erkrankung wird als sehr belastend erlebt und geht mit einer deutlichen Reduzierung der Lebensqualität einher. Daher ist die Steigerung der Lebensqualität ein zentrales Therapieziel. Die Maßnahmen schließen deshalb auch psychosoziale Beratungs- und Therapieangebote mit ein.
Hintergrund
In Deutschland leiden schätzungsweise eine Million Menschen an einem Lymphödem. Die Ursache liegt in einer Schädigung des Lymphdrainagesystems, die entweder durch eine anlagebedingte Veränderung oder durch eine Unterbrechung des Lymphgefäßsystems, etwa infolge eines operativen Eingriffs oder bei einer Verletzung entstehen kann. Beispiele sind das Anschwellen eines Armes nach operativer Entfernung von Lymphknoten und Bestrahlung, zum Beispiel bei Brustkrebs, oder auch von Beinen nach Tumoroperationen und Bestrahlungen im Beckenbereich.
Quelle: Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen
13.12.2017