Staphylokokken-Strategie

Lässt sich mit Boten-RNA das Immunsystem scharf schalten?

Staphylococcus aureus ist aufgrund häufiger Resistenzen gegenüber vielen Antibiotika ein gefürchteter Erreger (MRSA) insbesondere bei Krankenhaus-Infektionen. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben immunologische Prozesse identifiziert, die eine erfolgreiche körpereigene, gegen den Erreger gerichtete Abwehr verhindern. Bei der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs könnte Boten-RNA eine entscheidende Rolle spielen.

Methicillin-resistente Staphylo­coccus aureus (MRSA) (senffarben) umgeben von...
Methicillin-resistente Staphylo­coccus aureus (MRSA) (senffarben) umgeben von einer rot gefärbten Immunzelle (neutrophiler Granulozyt).
Quelle: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)

Die Forscher konnten zeigen, dass sich durch Übertragung von Protein oder Boten-RNA (mRNA, messenger RNA) des Erregers auf Immunzellen die Immunantwort in Richtung einer aktiven Erregerabwehr verschieben lässt. Dies könnte für die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs bedeutsam sein.

Staphylococcus aureus (S. aureus) ist ein Bakterium, das bei weit über der Hälfte der Erwachsenen Haut und Schleimhäute besiedelt und dabei normalerweise keine Infektion verursacht. Überwindet der Erreger jedoch die äußere Barrieren wie die Haut oder Schleimhäute und dringt in den Körper ein, kann er Erkrankungen auslösen. Staphylococcus aureus ist für viele Infektionen verantwortlich, die im Zuge einer Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung auftreten. Ein Teil der S. aureus weist Resistenzen gegen viele Antibiotika auf – sie werden als MRSA (multiresistente S. aureus) bezeichnet und verursachen aufgrund dieser Resistenzen schwer therapierbare Infektionen. Versuche, Impfstoffe zum Schutz vor S. aureus zu entwickeln, sind bisher trotz vielversprechender Ergebnisse in Tiermodellen gescheitert. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Mechanismen der Immunantwort des Menschen gegen diesen Erreger bisher nur unzureichend aufgeklärt ist. Gesunde Erwachsene verfügen über spezifische Immunzellen – sogenannte T-Zellen – des erworbenen Immunsystems, die gezielt S. aureus erkennen können. Es gibt unterschiedliche T-Zellen, die sich u.a. in den Oberflächenproteinen unterscheiden, die sie für ihre Bindung an antigenpräsentierende Zellen benötigen. Es war bereits bekannt, dass sogenannte CD4-positive (das Protein CD4 tragende) T-Helferzellen gegen S. aureus von der Immunabwehr gebildet werden können. Diese CD4-positiven T-Zellen sind allerdings nicht wirksam gegenüber Bakterien, die sich in den Zellen befinden.

Anders ist dies bei CD8-positiven T-Zellen. Sie erkennen innerhalb der Zellen verarbeitete und auf der Oberfläche präsentierte Bruchstücke von Bakterien und veranlassen das Abtöten dieser befallenen Zellen. PEI-Forscher um Priv.-Doz. Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding, Leiterin der Abteilung Mikrobiologie, wiesen jetzt erstmals nach, dass auch für S. aureus spezifische CD8-positive T-Zellen vom Immunsystem gebildet werden. Bei der Untersuchung dieses T-Zell-Subtyps stellten die PEI-Forscher jedoch fest, dass sie bei Kontakt mit S. aureus Botenstoffe produzieren und an ihre Umgebung abgeben , die nicht der Elimination des Erregers dienen. Vielmehr kann aus der Art der abgegebenen Botenstoffe geschlossen werden, dass sie zur Immuntoleranz gegenüber dem Bakterium beitragen, indem sie sogenannte regulatorische T-Zellen und Typ-2-Helferzellen beeinflussen. So beeinflusste regulatorische T-Zellen können die Aktivierung des Immunsystems verhindern bzw. bremsen und dadurch die Toleranz des Immunsystems steuern. Sie können also eher dafür sorgen, dass das Bakterium nicht bekämpft wird. Zudem konnten die PEI-Forscher zeigen, dass durch S. aureus die Produktion des Faktors G-CSF (Granulocyte-Colony Stimulating Factor) vermittelt wird, der u.a. bei Entzündungen des Körpers ausgeschüttet wird und entzündliche T-Zell-Antworten hemmt. Es finden sich jedoch nicht nur diese Immunabwehr bremsenden T-Zellantworten, sondern es finden sich auch T-Zell-Antworten auf S. aureus, die entzündliche Prozesse in Gang setzen und grundsätzlich die Elimination des Erregers bewirken könnten. Jedoch ist ihr Anteil im Vergleich zu den regulatorischen T-Zellen gering, sodass ihr Effekt vernachlässigbar ist.

Wie Bekeredjian-Ding und Kollegen jetzt zeigen konnten, lässt sich dieses Gleichgewicht jedoch in Richtung einer stärkeren Immunantwort gegenüber S. aureus verschieben: Durch Zusatz von immunaktiven S. aureus-Bestandteilen, sogenannten Antigenen, deren Bildung durch Übertragung von Boten-RNA (mRNA) des Erregers in bestimmten Immunzellen angeregt wurde , ließ sich die für eine Immunabwehr erforderliche T-Zell-Antwort verstärken. Der Einsatz von im Labor erzeugter mRNA als Antigenquelle ist in der Tumortherapie bereits eine etablierte Behandlungsmethode zur Induktion zellabtötender T-Zell-Antworten. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein Immungedächtnis gegenüber Staphylococcus aureus vorhanden ist. Wir halten es für möglich, mit mRNA enthaltenden Impfstoffen die T-Zell-Antworten gegenüber diesen Keimen im Körper zu verändern und den Anteil schützender T-Zellen zu erhöhen", erläutert Bekeredjian-Ding die Ergebnisse.

 

Quelle: Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel

27.05.2017

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