women with headache taking painkiller pill, holding glass of water

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News • Chronifizierung durch Schmerzmittel

Kopfschmerzen nach Covid-19: Neurologen warnen vor 'Hamsterrad'

Wie auch Viren der Herpes-Familie kann SARS-CoV-2 die Entstehung von täglich auftretenden, andauernden Kopfschmerzen triggern. Da normale Schmerzmedikamente bei Covid-19 assoziierten Kopfschmerzen allgemein gut wirken, besteht die Gefahr, dass Betroffene sie über Wochen und Monate täglich einnehmen.

Davor warnen Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), denn die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln kann wiederum Kopfschmerzen auslösen und zu einer Chronifizierung führen. 

Kopfschmerzen sind ein häufiges Begleitsymptom von systemischen Viruserkrankungen. Die IHS-Klassifikation (ICHD-3) hat diesen Kopfschmerztyp als Subtyp von sekundären Kopfschmerzen (solche, die in Folge anderer Erkrankungen entstehen) aufgenommen. Man spricht von „Kopfschmerz in Folge einer systemischen Virusinfektion“, wenn – wie der Name schon sagt – eine systemische Viruserkrankung vorliegt und außerdem eine Hirnhautentzündung (Meningitis) sowie Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) ausgeschlossen wurden.

Offensichtlich ist SARS-CoV-2 ein Trigger für sogenannte neue täglich auftretende, andauernde Kopfschmerzen („new daily persistent headache“/NDPH), ein Phänomen, das wir bisher vor allem von Viren der Herpes-Familie kennen

Hans-Christoph Diener

Auch Kopfschmerzen, die bei einer akuten Covid-19-Erkrankung auftreten, zählen zu diesem Krankheitsbild – allerdings gibt es eine Besonderheit: Meistens entwickeln sich Kopfschmerzen in Folge einer viralen Infektion parallel zur Virusinfektion: Verschlechtert sich der klinische Status der Betroffenen, beispielsweise zu Beginn eines grippalen Infekts, nehmen die Kopfschmerzen zu und im Verlauf des Genesungsprozesses gehen die Kopfschmerzen dann wieder zurück. Wer den Infekt überstanden hat, ist in der Regel frei von Kopfschmerzen. Nicht so bei Kopfschmerzen, die im Zusammenhang mit einer akuten Covid-19-Erkrankung auftreten. Wie ein Review in einer Fachzeitschrift der Amerikanischen Kopfschmerzgesellschaft berichtete, persistieren die Kopfschmerzen bei bis zu 45% der Menschen auch nach der Covid-19-Akuterkrankung. 60 Tage nach der akuten Viruserkrankung, litten immerhin noch 16,5% an den Kopfschmerzen, nach 90 Tagen noch 10,6% und nach einem halben Jahr 8,4% – so das Ergebnis eines systematischen Reviews, das in der Arbeit zitiert wird. „Angesichts der hohen Infektionszahlen und mittlerweile über 30 Mio. Menschen in Deutschland, die sich bisher mit SARS-CoV-2 infiziert haben, ist die absolute Zahl der Menschen, deren Leben durch Kopfschmerzen in Folge von Covid-19 längerfristig beeinträchtigt ist, sehr hoch“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN. 

Hinzu kommt, dass auch der individuelle Leidensdruck enorm ist. Die Autoren des Reviews führen unter anderem eine Arbeit an, die zeigte, dass 61% derer, die von „Long-/oder Post-Covid-Kopfschmerzen“ betroffen sind, täglich Kopfschmerzen haben. „Offensichtlich ist SARS-CoV-2 ein Trigger für sogenannte neue täglich auftretende, andauernde Kopfschmerzen („new daily persistent headache“/NDPH), ein Phänomen, das wir bisher vor allem von Viren der Herpes-Familie kennen“, erklärt der Essener Kopfschmerzexperte. Risikofaktoren für NDPH in Folge einer Covid-19-Erkrankung scheinen weibliches Geschlecht, Kopfschmerzen als erstes Covid-19-Symptom, ein eher schlechtes Ansprechen auf die Schmerzmedikation und vorbestehende Kopfschmerzkrankheiten zu sein.

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Männer und Frauen sowie männliche und weibliche Nagetiere verarbeiten Schmerz verschieden. Es gibt auch wichtige Unterschiede in den zugrunde liegenden Mechanismen auf genetischer, molekularer, zellulärer und physiologischer Ebene. Trotzdem zeigt eine Übersichtsarbeit der McGill University, dass die Schmerzforschung durchwegs auf der Untersuchung männlicher Nagetiere basiert.

Vorsicht vor „Medication Overuse Headache“

Wer allerdings daraus schließt, dass Covid-19 vorbestehende Kopfschmerzerkrankungen aggraviert, aber nicht neu auslöst, liegt falsch: In verschiedenen Studien gaben 47-80% der Patienten mit vorbestehenden Kopfschmerzerkrankungen an, dass sich die Covid-19-assoziierten Kopfschmerzen von den bisherigen unterschieden. Sie waren häufig beidseitig (während Migräne typischerweise nur einseitige Schmerzen verursacht) und dumpf-drückend, also ähnlich wie Spannungskopfschmerzen, aber bei einem Teil der Betroffenen waren sie auch von einer Geräusch- oder Lichtempfindlichkeit oder Übelkeit und Erbrechen begleitet, was man ansonsten nur von der Migräne kennt. 

Eine gewisse Herausforderung stellt die Therapie dar. Zwar wirken herkömmliche, frei verkäufliche Kopfschmerzmittel relativ gut bei Covid-19-assoziierten Kopfschmerzen, zumindest wurde das für die Akutphase der Viruserkrankungen beschrieben, sie sind aber aus zwei Gründen problematisch: Zum einen ist bekannt, dass SARS-CoV-2 auch direkt die Nieren angreift, weshalb man zumindest mit der Substanzklasse der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), zu ihr gehört z.B. Ibuprofen, vorsichtig sein sollte, da diese Präparate bei längerer Einnahme in seltenen Fällen die Nieren schädigen können. Die zweite Gefahr ist, dass bei täglichen Kopfschmerzen über einen längeren Zeitraum, so wie sie bei vielen Long-/Post-Covid-Betroffenen auftreten, die tägliche Einnahme von Schmerztabletten zur Normalität wird. Doch was viele nicht wissen: Kopfschmerztabletten können, wenn sie zu häufig eingenommen werden, Kopfschmerzen auslösen – und so entsteht ein Teufelskreis, der zur Chronifizierung führt. Von einem „Medication Overuse Headache“/MOH ist bereits auszugehen, wenn an über 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen auftreten und diese über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten mit einem oder mehreren Schmerzmedikamenten behandelt werden. 

„Menschen mit Wochen oder gar Monate andauernden Kopfschmerzen nach einer Covid-19-Erkrankung sollten daher sparsam mit Kopfschmerztabletten umgehen, um nicht in das ‚Hamsterrad´ des medikamenteninduzierten Kopfschmerzes zu geraten“, rät Professor Peter Berlit, DGN-Generalsekretär. „Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber es lohnt ich in jedem Fall, auch nichtmedikamentöse Strategien auszuprobieren. Das Portfolio reicht von Bewegung an der frischen Luft über Entspannungstechniken und Stressreduktion. In schweren Fällen sollte eine auf Kopfschmerzen spezialisierte Neurologin/spezialisierter Neurologe aufgesucht werden.“ 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

28.07.2022

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