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Klinisches Gespür und ein klares diagnostisches Konzept

Thoraxschmerzen können viele Ursachen haben, lebensbedrohliche und (vermeintlich) weniger gefährliche. Umso wichtiger ist es, lebensbedrohliche Erkrankungen schnell und sicher zu erkennen.

Bericht: Lena Petzold

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Univ. Prof. Dr. Hermann Kathrein.

Ein präziser, strukturierter diagnostischer Plan, in dem auch Ultraschall einen wichtigen Platz einnimmt, spielt dabei eine elementare Rolle, bekräftigt Univ. Prof. Dr. Hermann Kathrein, Primar für Innere Medizin am Bezirkskrankenhaus Schwaz im Ruhestand. „Bei der Diagnose von Thoraxschmerzen ist es wichtig, sowohl in der niedergelassenen Praxis, als auch im Notarztdienst und in der Notaufnahme ein klares diagnostisches Konzept zu haben, um die kritisch kranken Personen sofort herauszufiltern und zielgerichtet zu behandeln. Andererseits müssen Abläufe aber auch so gestaltet sein, dass kein ‚diagnostischer Overkill‘ eintritt. Das ist eine sehr fordernde Aufgabe für Ärzte, die viel Wissen und Erfahrung voraussetzt.

Auf der Suche nach den 'Big Five'

Auslöser für Thoraxschmerzen sind nicht nur verschiedene Erkrankungen des Herzens, obwohl man an das akute Koronarsyndrom (Myokardinfarkt) meist zuerst denkt. Ursächlich müssen Erkrankungen der großen Gefäße im Brustraum, der Lunge, der Pleura und der Speiseröhre in Betracht gezogen werden, sowie muskuloskeletale Syndrome, Verletzungen und onkologische Erkrankungen. Prozesse an Oberbauchorganen (z.B. eine akute Cholezystitis oder eine akute Pankreatitis) können in den Brustraum ausstrahlen“, schildert Prof. Kathrein.

Diese Vielzahl der Ursachen erschwert die Diagnose, umso wichtiger ist es, die lebensbedrohlichen Entitäten rasch zu identifizieren, da jede Stunde Verzögerung die Prognose des Patienten verschlechtert. „Hier lautet das Stichwort ‚Big Five‘, erklärt der Primar im Ruhestand, „dazu gehören das akute Koronarsyndrom, das dissezierende Aneurysma der Aorta thoracalis, die schwere Pulmonalarterienembolie, der Spannungspneumothorax und das Boerhaave Syndrom, eine seltene Erkrankung der Speiseröhre. Nicht mitgezählt wird dabei die lebensbedrohliche Perikardtamponade

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Abb. 1: Notfallsonografie bei akutem Thoraxschmerz: im suprasternalen Schnitt Darstellung der erweiterten Aorta thoracalis (Ao) und einer Dissektionsmembran (Pfeil).

Die Sonografie trägt im Notfall viel zur Diagnose der ‚Big Five‘ bei. „Ultraschall kann beileibe nicht alles, ist aber ein wichtiger Baustein im diagnostischen Puzzle um den Thorax. Wandbewegungsstörungen bei einem akuten Koronarsyndrom sind sonografisch sehr verlässlich zu erkennen, gelegentlich sogar noch bevor das EKG diese registriert. Bei Verdacht auf ein Aneurysma dissecans muss man transthorakal nach direkten und indirekten Zeichen suchen (Abb. 1). Die transösophageale Echokardiografie und die Angio-Computertomografie der Aorta sind dabei aber wesentlich genauer. Bei einer schweren Pulmonalarterienembolie erkennt man deren Auswirkungen am Herzen mittels der transthorakalen Echokardiografie (Abb. 2), die durch Gerinnsel bedingten Konsolidierungsherde in der Lunge dank der Thoraxsonografie.“ Der Spannungspneumothorax ist „laut Expertenmeinung mit Ultraschall mindestens genauso gut zu diagnostizieren wie per klassischer Thorax-Röntgenaufnahme, wesentlich präziser ist nur eine CT“, führt der Internist aus. Lediglich das Boerhaave Syndrom ist kein Fall für die Sonografie, da braucht es die CT und Endoskopie.

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Abb. 2: Notfallsonografie bei akutem Thoraxschmerz und Dyspnoe: Ausgeprägte Vergrößerung der Rechtsherzabschnitte durch massive Pulmonalarterienembolie (RV rechter Ventrikel, RA rechter Vorhof, Pfeil Trikuspidalklappeninsuffizienz), dopplersonografisch hoher pulmonal-arterieller Druck.

Nach Ausschluss einer lebensbedrohlichen Ursache gilt es, die Differentialdiagnosen weiter systematisch abzuarbeiten. Auch dabei kann der Ultraschall entscheidend helfen. „Die Aufgabe von ÄrztInnen ist es, die Diagnostik strukturiert nach Algorithmen und mit klinischem Gespür voranzutreiben. Dabei ist es auch wichtig zu wissen, wo die Grenzen der sonografischen Methoden liegen. So sind z. B. Klappenerkrankungen des Herzens, Kardiomyopathien, Pleuraergüsse, Pleuritiden und Rippenfrakturen sonografisch schnell und sicher zu diagnostizieren (Abb. 3). Wirbelsäulenerkrankungen oder interkostale Neuralgien erkennt man mit US nicht. Wenn man sonografisch diagnostisch nicht weiter kommt, muss die nicht-sonografische Bildgebung überlegt eingesetzt werden. Starke Thoraxschmerzen können auch von einer Herpes zoster Infektion kommen, da sieht man mit Ultraschall natürlich nichts.“

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Abb. 3: Thoraxschmerzen und Luftnot: Nachweis eines großen Pleuraergusses (PE), einer Atelektase (A) und einer intrapulmonalen Metastase eines Osteosarkoms (M).

Es gibt vielfältige Techniken, die beim Ultraschall eingesetzt werden können. „Der erste Schritt besteht darin, ein gutes B-Bild bzw. 2D-Bild zu erzeugen“, erklärt Kathrein. Das kann nur ein geübter Untersucher. „Für die Präzisierung der Diagnose spielt man dann auf der gesamten Klaviatur. Die farbkodierte Duplexsonografie dient dem Nachweis und der Charakterisierung des Blutflusses in verschiedenen Gefäßen und im Herzen, Stenosen und Thrombosen lassen sich so einfach nachweisen. Die Anwendung von US-Kontrastverstärkern erlaubt eine noch präzisere Gefäßdarstellung und die Charakterisierung von Raumforderungen und ischämischen Gefäßbezirken (z.B. an Leber und Niere). Sonografie ermöglicht auch US-gezielte Interventionen, sodass heute ein Pleura- oder Perikarderguss nur noch US-gezielt punktiert bzw. drainiert wird. Das ist deutlich weniger riskant als in meiner Ausbildungszeit. Da habe ich noch gelernt, solche Punktionen ‚blind‘ durchzuführen. Zu guter Letzt gibt es als neue Methode die Elastografie, mit deren Hilfe sich die Festigkeit von Geweben, als Ausdruck pathologischer Veränderungen, objektiv messen lässt.“ 

In seiner langen ärztlichen Tätigkeit hat Prof. Kathrein die Entwicklung der Technik hautnah miterlebt. „Ende der 70er Jahre waren andere bildgebende Verfahren viel bedeutsamer als der Ultraschall. Heute kann man die US-Sonde als modernes Stethoskop bezeichnen und praktisch alle Fachrichtungen brauchen Ultraschall. Die Technik hat sich rasant weiter entwickelt, die Rechenleistung der Geräte hat zugenommen. Sie sind kleiner, handlicher und auch billiger geworden.“

Die notwendige Berührung mit dem Schallkopf schafft einen guten Kontakt zum Patienten

Hermann Kathrein

Das wirklich Faszinierende am Ultraschall ist für den ehemaligen Primar allerdings, neben der Möglichkeit, Organe „live“ zu sehen, immer noch die menschliche Interaktion. „Die notwendige Berührung mit dem Schallkopf schafft einen guten Kontakt zum Patienten und während der Untersuchung entsteht eine besondere Atmosphäre, die den Informationsaustausch leichter macht. So erhält man neben den erzeugten Bildern oft den entscheidenden diagnostischen Hinweis. Das kann ein Computer nicht.“


Profil:

Univ.-Prof. Dr. Hermann Kathrein war von 1995 bis 2015 Primarius der internen Abteilung am Bezirkskrankenhaus Schwaz in Österreich. Der 1950 geborene Mediziner, der sein Medizinstudium an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck absolvierte, erhielt die Facharztausbildung an der Universitätsklinik für Innere Medizin Innsbruck und beschäftigte sich schon früh mit Ultraschall-Diagnostik. 1984 wurde er Facharzt für Innere Medizin, und ist auch Additivfacharzt für Nephrologie, Internistische Intensivmedizin und Geriatrie. 1991 habilitierte sich Kathrein. Seit seiner Pensionierung leitet er als niedergelassener Facharzt das Dialysezentrum Schwaz. Er ist Seminarleiter der Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM) und Vorstandsmitglied der ÖGUM seit 2013.


Veranstaltungshinweis:

Raum: Seminar 2

Samstag, 14. Oktober 2017, 16:00 – 16:30

AWS 10 Ultraschall für die tägliche Praxis

Teil 4: Brustschmerzen und Luftnot

Thoraxschmerz

Hermann Kathrein (Schwaz/AT)

13.10.2017

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