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News • Vienna 3P/5P-Risikomodelle

KI sagt schwere Leberkomplikationen per Bluttest voraus

Hohe prognostische Aussagekraft in Studie bestätigt

Forschende der MedUni Wien haben ihr zuvor entwickeltes, Bluttest-basiertes Machine-Learning-Modell auf seine prognostische Aussagekraft hin überprüft. Die sogenannten Vienna 3P/5P-Modelle, die auf lediglich drei bzw. fünf Routine-Laborparametern beruhen, können den Krankheitsverlauf bei Patienten mit fortgeschrittener chronischer Lebererkrankung vorhersagen – ohne invasive Verfahren oder Notwendigkeit für spezielle Geräte. Ursprünglich an der MedUni Wien entwickelt und 2023 im „Journal of Hepatology“ erstmals publiziert, dienen die Modelle zur nicht-invasiven Erkennung einer klinisch signifikanten portalen Hypertension (CSPH). In der nun vorliegenden Folgestudie wurden die KI-Modelle erstmals in unabhängigen Patientenkohorten getestet und konnten das Auftreten schwerer leberbezogener Komplikationen – wie Bauchwasser (Aszites), innere Blutungen (Varizenblutung) oder Leber-bedingte Bewusstseinsstörungen (hepatische Enzephalopathie) – präzise vorhersagen. Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und wurde kürzlich im Fachjournal „JHEP Reports“ veröffentlicht

Unsere Modelle bieten eine einfache, kosteneffiziente und einfach wiederholbare Möglichkeit, den Schweregrad der portalen Hypertension zu bestimmen und – wie wir nun zeigen konnten – auch den weiteren Krankheitsverlauf vorherzusagen

Georg Kramer

Im Mittelpunkt der Untersuchung standen Patienten mit kompensierter fortgeschrittener chronischer Lebererkrankung (cACLD) – also einem Stadium, in dem bereits eine Zirrhose besteht, jedoch noch keine hepatischen Dekompensations-Ereignisse aufgetreten sind. Das frühzeitige Erkennen von Patienten mit hohem Risiko für eine Krankheitsprogression ist entscheidend, um rechtzeitig präventive Maßnahmen einzuleiten. 

Das Forschungsteam rund um Georg Kramer und Thomas Reiberger von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und des AKH Wien analysierte Daten von 266 Patienten, die im Wiener Labor für hepatische Hämodynamik untersucht wurden und validierte die Ergebnisse in einer unabhängigen externen Kohorte der Medizinischen Hochschule Hannover, die 215 weitere Patienten umfasste. 

Die portale Hypertension – ein erhöhter Blutdruck im Pfortadersystem der Leber – ist ein zentraler Treiber für Komplikationen bei cACLD. Der hepatische Venendruckgradient (HVPG) gilt als Goldstandard zur Beurteilung dieses Drucks, erfordert jedoch einen invasiven, katheterbasierten Eingriff, der nur in spezialisierten Zentren durchgeführt wird. Elastographie-basierte Verfahren wie die Lebersteifigkeitsmessung (LSM) bieten zwar eine nicht-invasive Alternative, benötigen jedoch teure Geräte und Expertise von geschultem Personal, was ihren routinemäßigen Einsatz in vielen Gesundheitseinrichtungen einschränkt. 

Um diese Einschränkungen zu überwinden, entwickelte das Wiener Forschungsteam die Wiener 3P und 5P Modelle. Dabei handelt es sich um vollständig blutbasierte, durch künstliche Intelligenz (AI) entwickelte Modelle, die den Schweregrad der portalen Hypertension sowie das Risiko künftiger Komplikationen allein auf Basis von Standardlaborwerten abschätzen. Ihre prognostische Genauigkeit war in der Studie mit der des HVPG vergleichbar und übertraf die der bildgebenden Untersuchungsmethode Elastographie. „Unsere Modelle bieten eine einfache, kosteneffiziente und einfach wiederholbare Möglichkeit, den Schweregrad der portalen Hypertension zu bestimmen und – wie wir nun zeigen konnten – auch den weiteren Krankheitsverlauf vorherzusagen“, erklärt Erstautor Georg Kramer. „Damit ermöglichen sie ein individuelles Risikomonitoring, auch außerhalb spezialisierter Zentren.“ 

Die Möglichkeit, das Fortschreiten einer Lebererkrankung ausschließlich über Bluttests zu beurteilen, stellt einen wichtigen Schritt hin zu einer individualisierten Betreuung von Patienten mit chronischer Lebererkrankung dar. Da die Wiener 3P/5P-Modelle problemlos im Rahmen von Routinekontrollen wiederholt werden können, ermöglichen sie ein kontinuierliches Tracking des Krankheitsverlaufs und eine dynamische Anpassung der Therapie- und Überwachungsstrategien. 

Dieser Ansatz könnte Ärzte dabei unterstützen, Patienten mit höherem Risiko gezielt zu erkennen, frühzeitig präventive Therapien einzuleiten und eine engmaschigere Betreuung zu ermöglichen – während bei anderen Patienten belastende und kostenintensive Untersuchungen reduziert werden können. Langfristig könnten diese Modelle somit zu einer effizienteren Nutzung medizinischer Ressourcen beitragen – insbesondere in Regionen, in denen der Zugang zu spezialisierten diagnostischen Verfahren wie der invasiven HVPG-Messung oder Elastographie eingeschränkt ist. 


Quelle: Medizinische Universität Wien 

07.11.2025

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