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News • Notfallmedizin aus der Ferne
Jeder zehnte Schlaganfall-Patient wird per Telemedizin versorgt
Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute bis zum Beginn der Behandlung – dabei kommt der Telemedizin mittlerweile eine zentrale Bedeutung zu. Über hundertmal pro Tag unterstützt ein Neurologe aus einem spezialisierten Schlaganfallzentrum über eine Videoverbindung einen Kollegen aus einer Partnerklinik bei der Diagnose und Behandlung eines Erkrankten.
Die Teleneurologie kommt mittlerweile jedem zehnten Schlaganfallpatienten zugute, wie Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) auf ihrer Online-Pressekonferenz am Dienstag, den 26. Oktober 2021 berichten. Mediziner kamen so pro Jahr auf über 35 000 Telekonsile. Die Corona-Pandemie hat der teleneurologischen Versorgung noch einen weiteren Aufschwung gegeben. Das Konzept ist so erfolgreich, weil gerade bei einem Schlaganfall jede Minute Zeitersparnis Leben retten und Behinderungen verhindern oder reduzieren kann. Auf ihrer Online-Pressekonferenz diskutieren die DSG-Experten über die verschiedenen Ansätze der Teleneurologie und deren Finanzierung.
Wenn ein Mensch einen Schlaganfall erleidet, entscheidet die Zeit bis zur Diagnose und Behandlung über sein weiteres Schicksal. Das Blutgerinnsel, das sich im Gehirn gebildet hat, muss so schnell wie möglich wieder aufgelöst oder entfernt werden. Je früher ein Arzt feststellt, dass ein Schlaganfall vorliegt, desto eher kann mit der Behandlung begonnen werden. „Da nicht bei jedem Notruf ein spezialisierter Neurologe als erster Arzt vor Ort ist, kann es lebensrettend sein, wenn diese Experten über Video zugeschaltet werden und den behandelnden Arzt bei der Diagnose und bei seinen Entscheidungen über die nötigen therapeutischen Schritte beraten können“, erklärt Professor Dr. Christoph Gumbinger, Sprecher der Kommission Telemedizinische Schlaganfallversorgung der DSG. Durch die Telemedizin können Neurologen an spezialisierten Zentren (Stroke-Units) Kollegen im Rettungsdienst oder an kleineren Kliniken über moderne Telekommunikationsmittel unterstützen (Telekonsil). In Deutschland sind über 20 telemedizinische Netzwerke mit mehr als 200 neurologischen Kliniken miteinander verbunden.
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Virtueller Testlauf mit Potenzial
Medizinische Expertise standortunabhängig verfügbar machen – das ist der Grundgedanke des Virtuellen Krankenhauses (VKh) NRW. So kann etwa bei einem komplexen Fall ein Spezialist einbezogen werden, der die Fallakte sichtet und per Telekonsil sein Fachwissen beisteuert. Seit Kurzem läuft die Pilotphase des Projekts, in der finalen Version soll es landesweit verfügbar sein.
Vor allem auf dem Land mit einer geringeren Facharzt- und Krankenhausdichte, aber auch in großen Städten machen Neurologen positive Erfahrungen mit der Teleneurologie und deren Einsatz in Rettungswägen – so zum Beispiel in Berlin mit den Stroke-Einsatz-Mobilen (STEMOs). Diese Rettungswägen sind in der Hauptstadt bereits seit zehn Jahren im Einsatz. „Mit Hilfe dieser speziell für Schlaganfallpatienten ausgerüsteten Fahrzeuge kann die Behandlung schon am Einsatzort beginnen“, so der Neurologe Gumbinger vom Universitätsklinikum Heidelberg. „Wie Wissenschaftler der Berliner Charité nachweisen konnten, haben Patienten, die auf diese Weise behandelt wurden, eine viel bessere Chance ohne Behinderung einen Schlaganfall zu überleben.“
Obwohl die Telemedizin die Versorgung von Schlaganfallpatienten deutlich verbessern kann, ist ihre Finanzierung in Deutschland nicht einheitlich geregelt und einige Netzwerke sind finanziell nicht ausreichend versorgt
Christoph Gumbinger
Spielte die teleneurologische Schlaganfallversorgung zunächst vor allem bei der Akutversorgung von Schlaganfallpatienten eine zentrale Rolle, so zeigen sich inzwischen weitere Vorteile: „Vom Transport ins erstbehandelnde Krankenhaus über die Verlegung zur endgültigen Behandlung in eine spezialisierte Klinik bis hin zur Rehabilitation kann Telemedizin die Chancen für Schlaganfallpatienten auf eine gesunde und behinderungsfreie Zukunft verbessern“, so erläutert der DSG-Experte Gumbinger die Vorteile der teleneurologischen Schlaganfallbehandlung. Denn auch in der Phase der frühen Krankenhausbehandlung geht der Nutzen der Telemedizin über die Erstberatung hinaus. Die Partnerklinik startet häufig eine Lysetherapie und verlegt den Patienten zur weiteren Therapie in ein Schlaganfall-Zentrum, meistens in eine überregionale Stroke Unit. Noch während der Krankenwagen mit dem Patienten unterwegs ist, wird in der Stroke Unit bereits die Entfernung des Blutgerinnsels geplant. Bei Ankunft des Patienten sind die CT- oder MRT-Bilder bereits elektronisch an den Teleneurologen übermittelt worden und der Spezialist vor Ort kennt den klinischen Zustand des Patienten schon so genau, dass in der Stroke-Unit sofort mit dem Eingriff begonnen werden kann.
Durch die Corona-Pandemie hat die Telemedizin – und damit auch die teleneurologische Versorgung – einen weiteren Schub bekommen. Die DSG begrüßt das ausdrücklich, fordert jedoch neue Finanzierungskonzepte. „Obwohl die Telemedizin die Versorgung von Schlaganfallpatienten deutlich verbessern kann, ist ihre Finanzierung in Deutschland nicht einheitlich geregelt und einige Netzwerke sind finanziell nicht ausreichend versorgt. Die DSG fordert die Politik auf hier nachzubessern“, so Gumbinger abschließend.
Quelle: Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft
20.10.2021