Das Team um Ralf Ehricht arbeitet an der Entwicklung, Beurteilung und...
Das Team um Ralf Ehricht arbeitet an der Entwicklung, Beurteilung und Qualitätskontrolle des Antikörpertests

Foto: Sven Döring/Leibniz-IPHT

News • Coronavirus-Diagnostik

Immun gegen SARS-Cov-2? Schnelltest zeigt Antikörper-Status

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Jenaer Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) hat einen Antikörper-Schnelltest auf das neue Coronavirus entwickelt. Er zeigt anhand einer Blutprobe innerhalb von zehn Minuten an, ob eine Person akut mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert (IgM-Antikörper) oder bereits immun dagegen ist (IgG-Antikörper).

Der Streifentest wird von der Diagnostik-Firma Senova in Weimar hergestellt und ist bereits auf dem Markt. Antikörpertests helfen zu erfahren, wann sich eine Herdenimmunität einstellt und bieten einen großen Vorteil für medizinisches Personal und Berufsgruppen mit viel Kontakt zu Menschen: Wer immun gegen das Coronavirus ist, könnte arbeiten, ohne andere anzustecken oder sich selbst zu gefährden.

Die Ausbreitung kommt erst dann zum Stillstand, wenn sich, nach derzeitigem Kenntnisstand, etwa 70 Prozent der Bevölkerung infiziert haben

Ralf Ehricht

Mit dem Schnelltest lässt sich rasch und kostengünstig feststellen, ob eine Person die Krankheit bereits überstanden und Antikörper gegen das Virus Sars-CoV-2 gebildet hat. Der Test funktioniert so unkompliziert wie ein Schwangerschaftstest. Ein Tropfen Blut aus der Fingerspitze genügt und nach etwa zehn Minuten zeigen Striche auf dem Teststreifen an, ob einer von zwei Typen von Antikörpern gefunden wurde. Die IgM-Antikörper finden sich bereits wenige Tage nach der Infektion im Blut, die IgG-Antikörper bilden sich erst später im Infektionsverlauf. Sie bleiben meist viele Monate nachweisbar und zeigen eine bestehende Immunität an.

„Antikörpertests liefern wichtige Informationen zum Verständnis und zur Eindämmung der Corona-Pandemie“, erläutert der Biochemiker Prof. Ralf Ehricht vom Leibniz-IPHT, dessen Team an der Entwicklung, Beurteilung und Qualitätskontrolle des Schnelltests arbeitet. Wie viele Menschen bereits mit dem Coronavirus infiziert waren, ohne es zu bemerken, ist nicht bekannt. „Wir wissen nicht, wie viele jetzt schon immun sind. Deshalb wissen wir streng genommen nicht, wo in dieser Krise wir stehen“, betont Ehricht, der am Leibniz-IPHT und der Friedrich-Schiller-Universität Jena neue Multiparameterverfahren für die Diagnose und Epidemiologie von Infektionskrankheiten erforscht. „Das Virus ist hochansteckend, es gibt aktuell keine verfügbare Impfung dagegen und wenig therapeutische Ansätze. Das bedeutet, dass die Ausbreitung erst dann zum Stillstand kommt, wenn sich, nach derzeitigem Kenntnisstand, etwa 70 Prozent der Bevölkerung infiziert haben.“

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Messung der Herdenimmunität

Anders als die PCR-Tests (Polymerase-Kettenreaktion), die die RNS – das Erbmaterial – des Virus aus einem Rachenabstrich und damit die akute Infektion direkt nachweisen, zielen Antikörpertests darauf ab, die Immunantwort des Wirtes zu bestimmen. Umfangreich eingesetzt, können sie die Dunkelziffer bereits erfolgter Infektionen aufdecken. „Wir müssen flächendeckend Antikörpertests einführen, um zu lernen, wer tatsächlich immun ist“, bestätigt Prof. Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena und Vorstandsmitglied im Forschungscampus InfectoGnostics, in dessen Rahmen der Schnelltest entwickelt wurde. „Um die Herdenimmunität zu nutzen, müssen wir diese auch messen. Dazu brauchen wir die Schnelltests.“ Mit den serologischen Untersuchungen auf Antikörper ließe sich präziser abschätzen, welcher Prozentsatz infizierter Menschen keine oder nur leichte Symptome entwickelt hat – und somit erfahren, an welchem Punkt der Infektionswelle wir stehen und wann sich die sogenannte Herdenimmunität einstellen könnte. Eine Herdenimmunität könnten theoretisch auch kleiner gefassten Gemeinschaften erreichen, erläutert Ralf Ehricht, etwa Kliniken oder Altenheime.

Einen großen Vorteil würden Antikörpertests für Pflegekräfte und Ärzte bedeuten, denn sie könnten ihr Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus besser einschätzen. Wer Sars-CoV-2 erfolgreich überstanden und Antikörper ausgebildet hat, könnte Erkrankte pflegen, ohne selbst ansteckend oder gefährdet zu sein. Auch für Angehörige anderer Berufsgruppen mit viel Kontakt zu Menschen – etwa an der Kasse, im öffentlichen Nahverkehr oder bei der Polizei – wäre das Wissen um eine Immunität sehr hilfreich. Ob die Antikörper eine dauerhafte Immunität anzeigen oder diese nur vorübergehend ist, wissen Forschende derzeit noch nicht.

Zehntausende der Antikörper-Schnelltests hat die Weimarer Diagnostik-Firma Senova bereits für die Auslieferung an den nordrhein-westfälischen Vertriebspartner produziert. Innerhalb von drei Monaten hat das Thüringer Team aus Forschern und Entwicklern mit einer chinesischen Firma sowie dem Medizinproduktehändler Servoprax aus Wesel nun unter Hochdruck die Tests fertiggestellt und ihre Wirksamkeit bestätigt. „So schnell zu einem verfügbaren Produkt zu kommen, ist nur möglich, wenn Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medizin Hand in Hand zusammenarbeiten, wie wir es am Standort Jena tun“, unterstreicht Ralf Ehricht. Am InfectoGnostics Forschungscampus Jena entwickeln Technologen aus der Industrie, klinische Anwender und akademische Forschungseinrichtungen marktreife Lösungen für die Diagnostik von Infektionskrankheiten. Gefördert wird diese öffentlich-private Partnerschaft vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).


Quelle: Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT)

06.04.2020

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